Krieg in Nahost Kämpfe in Gaza - Angst um Geiseln
Die Terrororganisation Hamas lehnt Verhandlungen ohne Waffenstillstand ab. Israels Premier Netanyahu bekräftigt seine Kriegsziele, doch innenpolitisch wächst der Druck auf ihn.
Weiter gibt es heftige Kämpfe im Gazastreifen. Israels Armee gibt an, man habe im Norden Waffenlager und Tunnelanlagen der Hamas zerstört. Auch im Süden gab es weitere Luftangriffe - und immer noch treffen israelische Soldaten auf zum Teil heftige Gegenwehr.
Der Sicherheitsexperte Kobi Marom hält diesen Krieg für längst noch nicht beendet. Er sagte im israelischen Armee-Radio: "Im Gegensatz zu dem, was viele sagen, ist die Hamas noch nicht gebrochen und auch nicht auf dem Weg dahin. Sie hat zwar einen schweren Schlag bekommen, steht aber nicht unter Druck. Und solange wird sie sich auf keinen Deal einlassen", so Marom. "Das muss ganz aufrichtig gesagt werden: Die politische Führung muss Stärke zeigen und der Bevölkerung und den Familien der Geiseln sagen: 'Wir sind bereit für einen Deal und bereit, etwas vorzuschlagen, aber es wird nicht geschehen.'"
Situation der Geiseln beherrscht die Debatte
Die Geiseln bestimmen derzeit die Debatte in Israel. Vor allem nachdem am Freitag drei Geiseln, allesamt junge Männer, irrtümlich von israelischen Soldaten erschossen worden waren. Sie waren mit nacktem Oberkörper, erhobenen Händen und einer weißen Fahne aus einem Gebäude gekommen - die Soldaten hatten dennoch das Feuer eröffnet.
Erst gestern Abend hatte Premierminister Benjamin Netanyahu über den Vorfall gesprochen. Er zeigte auch Mitgefühl für die israelischen Soldaten: "Alon, Samer und Yotam haben 70 Tage lang die Hölle überlebt, sie standen kurz davor, gerettet zu werden, und gerade dann ist die Katastrophe eingetreten. Es brach mir das Herz - es brach der ganzen Nation das Herz", so Netanyahu. "Zu dieser schweren Stunde ist es mir wichtig, auch unsere Soldaten zu stärken. Sie riskieren ihr Leben für den Sieg über unseren Feind und die Rückkehr unserer Geiseln."
Die Angehörigen glauben offenbar immer weniger, dass das militärische Vorgehen im Gazastreifen zur Befreiung der Geiseln beiträgt. Sie haben in den vergangenen Tagen bei öffentlichen Kundgebungen nochmal den Druck auf die Regierung erhöht.
Große Angst, dass Geiseln in Kämpfe geraten
In Tel Aviv sprach auch Raz Ben Ami, sie wurde aus dem Kibbutz Be’eri verschleppt und kam während der Feuerpause frei. Ihr Mann Ohad ist immer noch in der Hand von Terroristen im Gazastreifen: Sie sagt: "Vor zehn Tagen war ich bei einem Treffen mit dem Kabinett dabei. Wir alle haben davor gewarnt, dass die Kampfhandlungen die Geiseln verletzen könnten. Leider hatte ich recht. Jeder Tag, jede Stunde, jede Minute ist entscheidend", so Ben Ami. "Israel muss ein neues Angebot für eine Vereinbarung vorlegen und die Welt dazu bewegen, das voranzubringen. Ein militärisches Vorgehen allein wird die Geiseln nicht lebend zurückbringen."
Erste Gespräche für eine erneute Feuerpause soll es den Berichten zufolge geben. Deshalb erhöht Israel in diesen Stunden noch einmal den militärischen Druck - und auch die Terrororganisation Hamas erhöht rhetorisch den Preis. Osama Hamdan, Mitglied im Hamas-Politbüro, sagte im Libanon: "Der Feind will seine Soldaten befreien, die lebend gefangengenommen wurden. Das wird nicht passieren, bevor die Kampfhandlungen vollständig aufhören und bevor es einen verhandelten Deal gibt, unter den Bedingungen der Widerstandsorganisation."
Genaue Zahlen zu Geiseln und Toten in Gaza nicht klar
Noch immer werden etwa 130 Geiseln im Gazastreifen festgehalten. Die genaue Zahl ist unklar, auch weil es Berichte über Geiseln gibt, die in der Haft gestorben sein könnten.
Auch zu den Todesopfern im Gazastreifen gibt es seit drei Tagen keine neuen Zahlen. Nach dem jüngsten Stand, den die Vereinten Nationen veröffentlicht haben, wurden dort fast 19.000 Menschen getötet, fast drei Viertel von ihnen sollen Frauen und Minderjährige sein. Demnach werden noch Tausende Menschen unter den Trümmern von Gebäuden vermisst, die durch die flächendeckenden Bombardements eingestürzt sind.
Netanyahu widersprach gestern allen Hoffnungen auf ein Ende der Kampfhandlungen: "Wir sind entschlossener denn je, bis zum Ende weiterzumachen, bis wir die Hamas zerstört haben, bis wir all unsere Geiseln zurückgebracht haben."