Alle Stimmen ausgezählt Regierung in Japan verliert Mehrheit im Parlament
Mit einer vorgezogenen Wahl wollte sich Japans Ministerpräsident Ishiba Rückhalt für seinen Reformkurs sichern. Doch die Wähler straften die Koalition ab. Sie verliert die Mehrheit im Parlament und dürfte es dort künftig schwer haben.
Nach Auszählung aller Stimmen hat sich in Japan der bereits zuvor von Medien prognostizierte Mehrheitsverlust der Regierungskoalition unter dem neuen Ministerpräsidenten Shigeru Ishiba bestätigt.
Wie der Sender NHK berichtete, kommt die Regierungskoalition im Unterhaus aus Liberaldemokraten und dem Juniorpartner Komeito nach dem vorläufigen Ergebnis der Wahl vom Sonntag zusammen auf 215 Sitze - ein deutlicher Rückgang gegenüber der Mehrheit von 279 Sitzen, die sie zuvor hatte.
Es ist das schlechteste Ergebnis der Liberaldemokraten, seit sie 2009 kurzzeitig die Macht verloren. "Die bisherigen Ergebnisse sind extrem hart, und wir nehmen sie sehr ernst", sagte Ishiba dem Sender NHK. Seien Partei müsse den Erwartungen der Wähler künftig gerecht werden.
Ergebnis schafft politische Unsicherheit
Die Liberaldemokratische Partei von Ishiba bleibt die stärkste Partei im japanischen Parlament, ein Regierungswechsel wird nicht erwartet. Aber die Ergebnisse schaffen politische Unsicherheit. Der Verlust der Mehrheit im Unterhaus erschwert es Ishiba, die Politik seiner Partei im Parlament durchzusetzen. Zudem muss er womöglich einen weiteren Koalitionspartner finden.
Ishiba sagte, seine Partei sei offen für eine Zusammenarbeit mit Oppositionsgruppen. Die Wahlergebnisse spiegeln die Empörung von Wählerinnen und Wählern wegen umfangreicher Finanzskandale der Regierungspartei wider. Ishiba ist erst seit dem 1. Oktober im Amt. Er hatte direkt nach seinem Amtsantritt vorgezogene Wahlen angeordnet, um an Unterstützung zu gewinnen.
LDP regiert seit Jahrzehnten fast ununterbrochen
Die oppositionelle konservative Demokratische Partei für das Volk, die als möglicher dritter Koalitionspartner gehandelt worden war, schloss in der Wahlnacht eine Beteiligung an einer LDP-geführten Regierung aus. Umfragen vor der Wahl hatten bereits angedeutet, dass es die Koalitionsparteien schwer haben könnten, die für eine Mehrheit erforderlichen 233 Sitze im Unterhaus zu erreichen.
Das Parlament muss innerhalb von 30 Tagen zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um dann beide Kammern über den Ministerpräsidenten abstimmen zu lassen. Sollte Ishiba gewählt werden, würde er ein neues Kabinett bilden. Sollte das Parlament jedoch einen neuen Regierungschef wählen, wäre Ishibas Amtszeit die kürzeste der japanischen Nachkriegszeit, wie japanische Medien am Tag nach der Unterhauswahl festhielten.
Die größte Oppositionspartei, die Konstitutionelle Demokratische Partei Japans des früheren Ministerpräsidenten Yoshihiko Noda, konnte deutlich zulegen, hat aber auch keine Mehrheit. Sollte bei der Abstimmung über den Ministerpräsidenten im Parlament niemand die Mehrheit erreichen, könnte es zu einer Stichwahl zwischen Ishiba und Noda kommen.
Opposition stark zersplittert
Nodas Partei profitierte bei der Unterhauswahl vor allem vom Ärger der Wählerinnen und Wähler über den Parteispendenskandal der LDP. Es wird erwartet, dass die LDP und Nodas Partei damit beginnen, andere Oppositionsparteien zu umwerben, um eine Koalition oder ein Bündnis zu bilden. Das Oppositionslager in Japan ist stark zersplittert.
Die LDP regiert Japan seit Jahrzehnten fast ununterbrochen. Einige Parteimitglieder, die in den Parteispendenskandal verwickelt sind, hatte die LDP nicht als offizielle Kandidaten für die Wahl zugelassen. Mehrere von ihnen verloren Prognosen zufolge ihre Sitze. Diejenigen, denen die Unterstützung der LDP verweigert wurde, hatten enge Beziehungen zum ermordeten Ministerpräsidenten Shinzo Abe, der auch nach seinem Rücktritt als Parteivorsitzender 2020 erheblichen Einfluss auf die LDP ausgeübt hatte.
Ishiba war im Wahlkampf mit dem Versprechen angetreten, Japans Verteidigung angesichts von Chinas Machtstreben in der Region und der Bedrohungen durch Nordkoreas Raketen- und Atomprogramm zu stärken. Außerdem wollte er die unter den Folgen der Überalterung leidenden ländlichen Regionen des Landes wirtschaftlich fördern und die negativen Auswirkungen der Inflation mildern.