Israels Regierung blockiert Richter-Ernennung Justizreform durch die Hintertür?
Der israelische Justizminister Levin blockiert seit einem Jahr die Ernennung neuer Richter am Obersten Gerichtshof. Kritiker sehen darin den Versuch, im Stillen die umstrittene Justizreform durchzusetzen.
Seit einem Jahr ist der israelische Justizminister Yariv Levin einer seiner wichtigsten Aufgaben nicht nachgekommen: Den Ausschuss einzuberufen, der die Richter für den Obersten Gerichtshof in Israel vorschlägt, bevor diese vom Staatspräsidenten ernannt werden.
Das Gremium schlägt auch den neuen Präsidenten des Gerichts vor. Diese mächtige Position im Staat muss dringend nachbesetzt werden. Doch Levin passe der Kandidat nicht, weil er ihm zu liberal sei, kritisieren Justizexperten.
Levin will seit Amtsbeginn Umbau der Justiz
Levins Untätigkeit dürfte schwerwiegende Folgen haben, warnt die ehemalige Gerichtspräsidentin, Dorit Beinish. "Letztendlich entsteht ein Moment, in dem das ganze System gelähmt ist, in dem ein Regierungsarm ohne Spitze dasteht." Es müsse ein oberster Richter ernannt werden, doch Levin lehne das ab. "Es vergeht ein Tag, ein Monat bis zu einem Jahr, in dem das Justizsystem gelähmt wird. Das ist kein Zufall. Er ist derjenige, der das Justizsystem bekämpfen will."
Bereits seit seinem Amtsbeginn versucht Levin, das Justizsystems Israels so umzubauen, dass die rechtsgerichtete Regierungsmehrheit im Parlament Entscheidungen des Obersten Gerichts überstimmen kann. Das gefährde die Unabhängigkeit der Justiz im Land, warnen Experten. Deshalb gingen die Menschen in Israel auf die Straße - bis zum 7. Oktober. Seitdem hat sich der Fokus der Proteste verändert.
Es ist ruhig geworden um die Reform. Doch der Justizminister verfolgt sie im Stillen weiter. Indem er das Richterauswahlkomittee nicht einberufe, versuche Levin die Ernennung des Gerichtspräsidenten hinauszuzögern, bis das Wahlverfahren zu Gunsten seiner Regierungskoalition geändert wird und er seinen Wunschkandidaten platzieren kann, schreiben israelische Zeitungen.
Mehr als 50 Richterstellen unbesetzt
Am Wochenende ordnete das Oberste Gericht an, Levin müsse die Richterwahlkommission nun einberufen. Doch der Minister stellt sich stur. "Dieses Urteil ist eine feindliche Übernahme des richterlichen Auswahlkomittees und es stellt meine Autorität als Justizminister in Frage. Ich werde nicht mit einem Gerichtspräsidenten arbeiten, der illegal von seinen Freunden ernannt wird und von einer breiten Öffentlichkeit nicht legitimiert ist. Dieses Urteil tritt die Demokratie mit Füßen", so Levin.
Währenddessen bleiben an Gerichten in Israel mehr als 50 Richterstellen unbesetzt. Die ehemalige oberste Richterin Beinish ist empört, so etwas habe es seit der Staatsgründung nicht gegeben. Der Minister stelle sich über geltendes Recht.
Kritik von Oppositionsführer Lapid
Auf einer Sitzung seiner Partei droht Oppositionsführer Yair Lapid, ein ausgesprochener Gegner der Justizrefom, mit Konsequenzen. "Wenn Yariv Levin der gerichtlichen Anordnung nicht nachkommt, werden wir dafür sorgen, den Ausschuss ohne ihn einzuberufen. In dem neunköpfigen Richterausschuss glauben mindestens sechs Richter daran, dass Israel noch immer ein Rechtsstaat ist. Das ist die Mehrheit und die weiß, dass man sich dem Versuch, die Justizreform wiederzubeleben, nicht beugen darf."
Levin verhalte sich, als hätte es das Massaker des 7. Oktober nie gegeben. "Dabei ist er einer der Hauptverantwortlichen für die Katastrophe. Er und seine Justizreform."
Inmitten der Proteste gegen die Justizreform der damals neugewählten israelischen Regierung, die das Land bereits vor dem 7. Oktober spaltete, plante die Terrororganisation Hamas ihren verheerenden Angriff. Dieser zog den Krieg in Gaza und den Krieg an der Nordgrenze Israels nach sich.