Justizreform in Israel Netanyahu-Regierung will Richter entmachten
Der unter Korruptionsanklage stehende israelische Regierungschef Netanyahu zankt sich seit Jahren mit der Justiz. Eine Reform solle Richtern jetzt Zügel anlegen, sagt sein Justizminister und erklärt, wie er sich Gewaltenteilung vorstellt.
Der neue israelische Justizminister Jariv Levin hat die Pläne der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu für eine Justizreform vorgestellt. Danach soll das Parlament das Recht bekommen, Entscheidungen des Obersten Gerichts mit absoluter Mehrheit zu überstimmen.
Damit könnte eine Regierungsmehrheit Gesetze beschließen, die das Gericht als verfassungswidrig abgelehnt hat. Darüber hinaus sollten Politiker eine größere Rolle bei der Ernennung von Mitgliedern des Obersten Gerichts spielen, schlug Levin vor.
Justizentscheidungen Dorn im Auge Netanyahus
Bislang werden die Obersten Richterinnen und Richter von einem Komitee aus Juristen, Abgeordneten und Richtern ernannt und entlassen. Levin möchte, dass die Abgeordneten in diesem Komitee künftig die Mehrheit stellen. "Es ist Zeit, zu handeln", sagte Levin einen Tag bevor sich die Richter mit einem umstrittenen Gesetz befassen, das es der Regierung erlaubt, Politiker ins Kabinett zu berufen, die wegen Steuervergehen verurteilt sind.
Das Parlament hatte das Gesetz im Dezember beschlossen und so Netanyahus Koalitionspartner Arjeh Deri den Weg ins Amt des Innenministers geebnet. Deri ist wegen Steuerbetrugs verurteilt und Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara hat sich gegen seine Ernennung ausgesprochen.
Breite Kritik an dem Vorhaben
Kritiker warnen, die geplante Justizreform untergrabe die Demokratie in Israel, weil sie der am weitesten rechts stehenden Regierungskoalition in der Geschichte des Landes absolute Macht einräume. Baharav-Miara lehnte das Vorhaben ebenso ab wie Netanyahus Vorgänger, der heutige Oppositionsführer Jair Lapid. Dieser sagte, er werde die geplante Reform auf jede mögliche Weise bekämpfen und rückgängig machen, falls er wieder an die Regierung komme.
Der Wissenschaftler Amir Fuchs vom israelischen Demokratie-Institut in Jerusalem warnte vor einer ausgehöhlten Demokratie. "Wenn die Regierung die ultimative Macht hat, wird sie diese Macht nicht nur für Themen wie LGBTQ-Rechte und Asylsuchende einsetzen, sondern auch für Wahlen, freie Meinungsäußerung und alles, was sie will", sagte er.
Levin: Reform hat nichts mit Prozess gegen Netanyahu zu tun
Levin dagegen erklärte, er wolle Richtern, die sich zu sehr einmischten, Macht entziehen und sie gewählten Volksvertretern zurückgeben. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz sei auf einem historischen Tiefpunkt. "Wir gehen ins Wahllokal und stimmen ab, wählen, aber immer wieder entscheiden Menschen für uns, die wir nicht gewählt haben", sagte er. "Das ist keine Demokratie."
Netanyahu liegt selbst mit der Justiz im Clinch, seit er wegen Korruption angeklagt worden ist. Er weist die Vorwürfe zurück und stellt sich als Opfer eine Hexenjagd feindseliger Medien, Polizisten und Staatsanwälte dar. Levin versicherte, sein Reformplan habe nichts mit dem Prozess gegen Netanyahu zu tun.