
Konflikt zwischen Atommächten Indien greift mehrere Ziele in Pakistan an
Der Streit zwischen den Atommächten Indien und Pakistan eskaliert. Indien griff mehrere Ziele im Nachbarland an. Auch von pakistanischer Seite gab es Beschuss. Beide Länder melden Tote.
Indien hat Luftangriffe auf mehrere Ziele in Pakistan ausgeführt. Laut indischer Regierung handelte es sich um "Präzisionsschläge auf terroristische Infrastruktur". Nach pakistanischen Angaben sind bei den Angriffen 26 Zivilisten getötet worden. 46 Menschen seien verletzt.
Die Aktion sei "gezielt, maßvoll und nicht eskalierend" gewesen, heißt es in einer Erklärung der indischen Regierung. "Es wurden keine pakistanischen Militäreinrichtungen angegriffen. Indien hat bei der Auswahl der Ziele und der Art der Ausführung beträchtliche Zurückhaltung geübt." Einem Militärsprecher zufolge hätten Geheimdienstinformationen zudem gezeigt, dass weitere Angriffe pakistanischer Extremisten gegen Indien bevorgestanden hätten.
Der pakistanische Verteidigungsminister Khawaja Muhammad Asif widersprach der Darstellung und erklärte gegenüber dem Sender CNN News-18, dass es sich bei den angegriffenen Orten um zivile Einrichtungen gehandelt habe. Der pakistanischen Armee zufolge galten die Angriffe Zielen im pakistanisch kontrollierten Teil von Kaschmir sowie in der an Indien grenzenden pakistanischen Region Punjab. Während Indien von neun Zielen sprach, meldete Pakistan insgesamt sechs getroffene Orte.
Pakistan kündigt Vergeltung an
Auch Pakistans Premierminister Shehbaz Sharif verurteilte die Luftangriffe und kündigte Vergeltung an. Indien habe "feige Angriffe" an fünf Orten ausgeführt, sagte Sharif. Pakistan habe "jedes Recht, auf diese Kriegshandlung Indiens mit aller Härte zu reagieren, und das wird es auch". Der pakistanische Armeesprecher Ahmed Sharif Chaudhry nannte die Angriffe eine "abscheuliche Provokation". Pakistan werde darauf "zu einer Zeit und an einem Ort seiner Wahl reagieren".
Das pakistanische Militär meldete auch den Abschuss von fünf indischen Kampfjets durch die pakistanische Luftwaffe. Zudem habe die Armee eine indische Kampfdrohne abgeschossen. Indien bestätigte das zunächst nicht.
Ein Sprecher der zivilen Luftfahrtbehörde des Landes teilte mit, der Luftraum über Pakistan sei für 48 Stunden geschlossen worden, der Flugbetrieb der Flughäfen Islamabad und Lahore bis auf weiteres eingestellt.

Auslöser war Terroranschlag im April
Auch Indien beklagte Opfer: Durch pakistanischen Beschuss seien im indisch kontrollierten Teil von Kaschmir mindestens drei Zivilisten ums Leben gekommen, teilte die Armee mit. Die pakistanische Armee habe über die Kontrolllinie hinweg willkürlich geschossen. Die indische Armee werde auf den Beschuss in angemessener Weise reagieren. Die Kontrolllinie gilt als De-Facto-Grenze und teilt Kaschmir zwischen den beiden Ländern.
Die Angriffe sind eine erhebliche Eskalation der jüngsten Spannungen zwischen den beiden Atommächten. Ausgelöst wurden sie durch einen Terroranschlag am 22. April in dem indisch kontrollierten Teil der Unruheregion Kaschmir. Bewaffnete Angreifer hatten dort auf einer Bergwiese in einer Urlaubsgegend nahe der Stadt Pahalgam 26 Menschen getötet - vorwiegend indische Touristen. Die indische Regierung wirft Pakistan eine Beteiligung vor, was die Regierung dort zurückweist.
Guterres ruft Atommächte zur Zurückhaltung auf
UN-Generalsekretär António Guterres äußerte "tiefe Besorgnis" über die Entwicklung. Er rief beide Atommächte zur Zurückhaltung auf. Eine militärische Lösung sei keine Lösung. "Die Welt kann sich eine militärische Konfrontation zwischen Indien und Pakistan nicht leisten", sagte er laut einer Mitteilung seines Büros.
Das Deutsche Auswärtige Amt mahnte beide Seiten zu verantwortungsvollem Handeln. "Eine Eskalation muss verhindert und Zivilisten geschützt werden", schrieb das Ministerium auf der Plattform X. Die Lage werde "sehr genau" beobachtet. Im Auswärtigen Amt komme noch im Tagesverlauf der Krisenstab der Bundesregierung zusammen.
Auch China forderte eine Deeskalation der Lage. Beide Länder sollten Frieden und Stabilität an die erste Stelle stellen, erklärte das chinesische Außenministerium. China bedauere die militärische Aktion und sei besorgt über die aktuelle Lage. China verfolgt selbst territoriale Interessen in der umstrittenen Himalaya-Region Kaschmir, auf die auch Indien und Pakistan Anspruch erheben. Ebenso besorgt äußerte sich Russland. Man verurteile jede Form von Terrorismus, so das Außenministerium. Moskau unterhält zu beiden Staaten gute Beziehungen.
Gegenseitige Strafmaßnahmen seit Anschlag
Seit dem Anschlag haben sich beide Länder gegenseitig mit Strafmaßnahmen überzogen, unter anderem Staatsbürger der jeweils anderen Seite ausgewiesen und die diplomatischen Beziehungen reduziert. Experten stufen als besonders schwerwiegend Indiens Entscheidung ein, den sogenannten Indus-Wasservertrag mit dem Nachbarn auszusetzen. Der Vertrag regelt die Wassernutzung beider Seiten des Indus und seiner Nebenflüsse.
1947 entließen die Briten den indischen Subkontinent in die Unabhängigkeit und teilten diesen auf. Aus der Teilung entstand neben dem überwiegend hinduistischen Indien der neue Staat Pakistan für Muslime. Die gewaltvoll verlaufene Teilung nährt bis heute eine erbitterte Rivalität. Seit ihrer Unabhängigkeit führten beide Länder drei Kriege gegeneinander, zwei davon um Kaschmir.