Fünf Jahre nach Protesten Oppositionelle Stimmen in Hongkong fast verstummt
In diesem Sommer jähren sich die Proteste der zerschlagenen Demokratiebewegung in Hongkong zum fünften Mal. Öffentlich Kritik zu üben, traut sich inzwischen kaum noch jemand.
Im Sommer 2019 gingen die Menschen in Hongkong monatelang auf die Straße. Anfangs war es ein friedlicher Protest gegen ein geplantes Auslieferungsgesetz. Mit der Zeit richtete er sich generell gegen den Einfluss der kommunistischen Zentralregierung Chinas in Hongkong. Die Menschen demonstrierten für mehr Demokratie. Immer öfter kam es dabei auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Willkürliche Festnahmen
"Ich war gerade im zweiten Jahr an meiner Hochschule. Und auf einmal war der Campus voll von Demonstranten", erinnert sich eine junge Frau aus Hongkong. Sie war damals 19 Jahre alt. "Dann hat die Polizei den ganzen Campus eingekesselt. Da waren Tränengas und viele Gummigeschosse. Manche meiner Mitstudierenden wurden festgenommen."
Nach dem Schuss eines Polizisten auf einen Demonstranten protestierten 2019 in Hongkong zahlreiche Schüler und Studenten.
Gegen Spätsommer und Herbst 2019 kam es immer öfter zu Gewalt. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Schlagstöcke und Tränengas ein. Demonstranten warfen Pflastersteine und Brandsätze. Mindestens zwei Menschen starben am Rande der Proteste. Mehr als 4.000 wurden festgenommen. Darunter auch die damals 19-Jährige. Sie wurde zwei Tage lang festgehalten. Ihr Partner wurde strafrechtlich verfolgt und sitzt heute noch im Gefängnis - voraussichtlich bis 2026.
"Er wurde bei Demonstrationen im Stadtteil Admiralty festgenommen. Die Leute hatten gerade eine Straße belagert, als die Polizisten plötzlich kamen", erinnert sich die 19-Jährige. Manche Menschen, die festgenommen wurden, hätten nichts getan, außer dass sie an diesem Tag einfach nur dort waren. Ihr Traum damals: mehr Demokratie und freie Wahlen. Doch der hat sich zerschlagen.
Falsche Versprechungen
Als Großbritannien Hongkong im Jahr 1997 an China übergab, versprach die kommunistische Staats- und Parteiführung, Hongkong weitgehende Freiheitsrechte zu gewähren. Daran gehalten hat sie sich nicht. Ihr Einfluss in der chinesischen Sonderverwaltungsregion nimmt zu.
Im Jahr nach den Protesten setzte die chinesische Zentralregierung in Peking ein sogenanntes Staatssicherheitsgesetz für Hongkong ein. Laut offizieller Begründung sollten dadurch weitere Proteste verhindert werden. Diese würden nämlich die Nationale Sicherheit gefährden. Dieselbe Argumentation wird auch heute noch von der Peking-treuen Regierung in Hongkong genannt.
Der lange Arm Pekings
"Die Bedrohung der nationalen Sicherheit ist real", sagte Regierungschef John Lee Anfang Juni. Deshalb sei es wichtig, dass alle daran denken und vor Versuchen auf der Hut sind, Hongkong Unannehmlichkeiten zu bereiten und den öffentlichen Frieden zu stören.
Im März erweiterte die Hongkonger Regierung das Sicherheitsgesetz. Für Straftaten wie Hochverrat und Auflehnung gegen den Staat droht nun lebenslange Haft. Aus Angst, etwas zu sagen, was von den Behörden als regierungskritisch aufgefasst werden könnte, trauen sich heute viele nicht mehr, ihre Meinung zu sagen. Die Proteste sind verstummt.
"Schon allein der Gedanke an Kritik scheint zu viel zu sein. Man kann wirklich nichts mehr sagen. Und es ist fast so, als hätten alle aufgegeben", sagt eine 32-jährige Frau, die in Hongkong aufgewachsen ist.
Nur noch wenige protestieren
Es gibt nur noch wenige prodemokratische Aktivisten in Hongkong, viele sind ins Ausland geflohen, beispielsweise nach Kanada oder Großbritannien. Andere sitzen in Haft. Einer der Letzten, die noch kleinere Proteste wagen, trotz der Gefahr festgenommen zu werden, ist Dickson Chau. Er ist stellvertretender Vorsitzender der "League of Social Democrats". Die ehemalige Parlamentspartei ist nun als prodemokratische Opposition von den Wahlen in Hongkong ausgeschlossen.
"Ich denke, es ist wichtig, uns daran zu erinnern, dass wir das Recht haben für Demokratie und Freiheit zu kämpfen", sagt Chau. Der beste Weg, um das zu tun, sei die eigene Meinung zu sagen. Ansonsten würde die Regierung sie vielleicht in aller Stille wegnehmen.
Ein systematisches Problem
Die junge Frau, deren Freund noch im Gefängnis sitzt, wäre gerne in die Politik gegangen - mit freien Wahlen. Nun, da die Kandidaten von Peking vorgegeben werden, ist das für sie keine Option mehr. Dafür, dass ihr Freund im Gefängnis ist, macht sie das System verantwortlich.
"Es ist ein systematisches Problem in Hongkong. Es ergibt keinen Sinn, wenn Leute versuchen, das System zu verbessern und dafür bestraft werden." Wenn ihr Freund im Jahr 2026 aus dem Gefängnis kommt, dann wollen die beiden heiraten, das haben sie bereits beschlossen.