Luftschlag im Libanon Israel greift Hisbollah-Hauptquartier in Beirut an
Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben das Hauptquartier der Terrororganisation Hisbollah in einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut angegriffen. Laut Medienberichten könnte der Angriff Hisbollah-Chef Nasrallah gegolten haben.
Israels Armee hat nach eigenen Angaben in einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut das Hauptquartier der schiitischen Hisbollah-Miliz angegriffen. "Die IDF (israelische Armee) hat einen präzisen Angriff auf das Hauptquartier der Terrororganisation Hisbollah in Dahijeh ausgeführt", sagte Militärsprecher Daniel Hagari in einer im Fernsehen übertragenen Erklärung. Es habe sich unter Wohngebäuden befunden. Eingesetzt wurden offenbar schwere bunkerbrechende Bomben. Über Beirut waren dichte Rauchwolken zu sehen, Schockwellen waren in der Stadt zu spüren.
Unbestätigten Medienberichten zufolge soll Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah Ziel des Angriffs gewesen sein. Die israelische Armee prüfe, ob sich Nasrallah in einem getroffenen Gebäude befunden habe, berichtete der Sender Channel 12. Aus Hisbollah-Kreisen hieß es, Nasrallah sei "wohlauf".
Netanyahu bricht US-Reise ab
Die Angriffe folgten kurz nachdem der israelische Premierminister Netanyahu seine Rede vor der UN-Generalversammlung gehalten hatte. Dort kündigte er an, die Hisbollah weiter zu bekämpfen und zu dezimieren, bis Israel seine Ziele erreicht habe. Netanyahu brach seine US-Reise ab und will nach Angaben seines Büros umgehend nach Israel zurückkehren. Sein Aufenthalt war eigentlich noch bis Samstagabend geplant. Der Premier genehmigte seinem Büro zufolge den Angriff von seinem Hotelzimmer in New York aus.
Die USA ließ über das Pentagon verlauten, dass sie im Vorhinein keine Warnung zu den Angriffen in Beirut erhalten hätten. Libanons kommissarischer Ministerpräsident Najib Mikati erklärte, Israels Angriffe auf die südlichen Vororte Beiruts zeigten, dass das Land kein Interesse an den Bemühungen um einen Waffenstillstand habe.
Bei dem Luftangriff wurden mehrere Gebäude zerstört.
ARD-Korrespondent: "Ein militärischer Paukenschlag"
Zuvor hatten libanesische Staatsmedien israelische Angriffe auf den Süden Beiruts gemeldet. Das libanesische Fernsehen zeigte Aufnahmen von Rauchwolken, die an mehreren Orten aufstiegen. "Der Angriff ist deutlich größer als das, was wir in den letzten Tagen in Beirut schon sehen mussten", sagte ARD-Korrespondent Simon Riesche im Sender tagesschau24. "Dieser Angriff heute ist eine neue Dimension, ein militärischer Paukenschlag."
Nach Angaben einer der Hisbollah nahestehenden Quelle wurden sechs Häuser im Süden Beiruts komplett zerstört, andere Quellen sprachen von vier Gebäuden. Die israelische Armee hatte überdies zuvor erklärt, sie greife derzeit "Terrorziele der Hisbollah-Terrororganisation im Südlibanon an".
Mikati: Berichte über viele Opfer
Nach Angaben des geschäftsführenden libanesischen Ministerpräsidenten Mikati gibt es Berichte über eine große Zahl von Opfern. "Alle betroffenen Einheiten" seien mobilisiert worden, sagte er. Erste Behördenangaben meldeten zunächst mindestens zwei Tote. 76 weitere Menschen seien verletzt worden.
In Israel wächst nun die Sorge, dass die Hisbollah mit neuem Beschuss reagieren könnte, berichtete ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann aus Tel Aviv.
Kurz nach dem Angriff in Beirut feuerte die Hisbollah eigenen Angaben zufolge bereits mehrere Raketen auf die nordisraelische Stadt Tiberias ab. Ob die Hisbollah nach der Vielzahl der israelischen Angriffe noch stark genug für einen groß angelegten Gegenschlag ist, lässt sich laut ARD-Korrespondenten derzeit nicht sagen.
Hisbollah greift Nordisrael unvermindert an
Bereits vor dem Angriff auf das Hauptquartier hatte die Hisbollah mehrere Raketen und Drohnen auf Israel abgefeuert. Nach israelischen Armeeangaben wurden mehrere Geschosse abgefangen. Vier aus dem Libanon abgefeuerte Drohnen seien in der Region Rosch Hanikra nahe der libanesischen Grenze abgefangen worden.
Die Hisbollah-Miliz bekannte sich zu einem Angriff auf die nahe Haifa gelegene Stadt Kiryat Ata, in der unter anderem mehrere Rüstungsbetriebe angesiedelt sind.
In Syrien wurden derweil nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Sana bei einem israelischen Angriff auf Stellungen nahe der Grenze zum Libanon fünf syrische Militärangehörige getötet. Die Angaben aus Syrien, dem Libanon und Israel lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
700 Tote seit Montag
Seit Montag wurden nach Behördenangaben im Libanon mehr als 700 Menschen durch israelische Angriffe getötet. Die Gesamtzahl der Todesopfer seit Beginn des Beschusses zwischen Israel und der Hisbollah liege bei mehr als 1.500. Wegen des Konflikts mussten bisher mehrere zehntausend Menschen auf beiden Seiten der Grenze ihr Zuhause verlassen.
Auch in das Bürgerkriegsland Syrien flüchten immer mehr Menschen. Deutlich mehr als 30.000 Menschen haben sich nach UN-Angaben in den vergangenen 72 Stunden vom Libanon aus über die syrische Grenze begeben. "Viele Menschen haben nochmal ihr Zuhause verloren", so Riesche. Etwa 80 Prozent davon seien Syrer gewesen, der Rest Libanesen, teilte ein Vertreter des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) mit. Kinder und Jugendliche machten etwa die Hälfte derjenigen aus, die über die Grenze gekommen seien.
Mit Informationen von Moritz Behrendt, ARD Kairo, zzt. Beirut.