Sexualisierte Gewalt durch die Hamas "Es ist passiert, und die Welt muss es glauben"
Nach den Angriffen der Hamas-Terroristen kommen immer mehr Details über die Gräueltaten ans Licht. Derzeit sichtet die israelische Polizei Tausende Beweise. Sie zeigen: Sexualisierte Gewalt wurde systematisch als Kriegswaffe eingesetzt.
Es kommt nicht oft vor, dass eine leitende Ermittlerin der israelischen Polizei mit den Tränen kämpft. Mit zitternder Stimme berichtet Kommandantin Shelly Harush vor Abgeordneten des israelischen Parlaments, das Ausmaß der Terrorverbrechen vom 7. Oktober sei unbegreiflich. Die Hamas-Terroristen hätten sexualisierte Gewalt benutzt, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Mehr und mehr Augenzeugen geben Dinge, die sie während oder nach den Angriffen gesehen haben, bei der Polizei zu Protokoll.
Die Rede ist dabei von Horror, Demütigungen, Verstümmelungen, Grausamkeiten und dass die Terroristen nicht zwischen Babys, Kleinkindern, Jungen, Mädchen, Frauen, Männern, Alten, Soldaten und Polizisten unterschieden haben.
"Es war die Massenvernichtung von jedem, der ihren Weg kreuzte", sagt Harush. Mehr als 1.500 Beweise für Kriegsverbrechen hat Harushs Lahav Einheit mit der Nummer 433 bislang in der größten Polizeiermittlung dieser Art in der Geschichte Israels zusammengetragen. Daraus wird deutlich, dass die Terroristen sexualisierte Gewalt systematisch als Kriegswaffe benutzt haben. Zu diesem Ergebnis kommen die Ermittler bereits jetzt.
Viele Augenzeugen wurden von der Hamas ermordet
Ein gerade veröffentlichtes Polizeivideo, das die ARD unabhängig nicht überprüfen konnte, zeigt die Befragung einer anonymisierten Überlebenden des Rave-Festivals in Re'im: "Sie haben jemanden gezwungen, sich zu bücken. Da habe ich verstanden, dass er sie vergewaltigt. Ich erinnere mich an die Bewegung. Dann hat er sie an jemand anders weitergegeben." Sie wisse nicht, was mit ihr passiert ist, sagt die Frau. Das Video endet. Sie ist nicht die Einzige, die Vergewaltigungen am 7. Oktober gesehen hat.
Es gibt andere Zeugen, die Ähnliches berichten. Einen Mann, der sagt, er habe zwei Vergewaltigungen gesehen. Einer Frau sei währenddessen in den Kopf geschossen worden. Die Augenzeugen geben an, sie hätten nur überlebt, weil sie sich totgestellt haben.
Berichte von Augenzeugen sind selten, weil die meisten Opfer von sexualisierter Gewalt ermordet wurden. Es gebe aber auch noch einen anderen Grund, sagt Orit Sulizeano. Sie leitet die Vereinigung der Krisenzentren für Opfer von Vergewaltigung in Israel. "Wir in Israel wissen, dass es Jahrzehnte gedauert hat, bis die, die sexuelle Gewalt im Holocaust erlebt haben, darüber geredet haben. 60 Jahre Stille. Die Überlebenden werden nicht reden. Es wird sehr lange dauern, bis sie es vielleicht eines Tages können. Aber es ist passiert, und die Welt muss es glauben."
Wut über das Schweigen internationaler Organisationen
Die Wut in der israelischen Bevölkerung ist groß, weil internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen und die UN-Vereinigung für die Stärkung von Frauenrechten etwa zwei Monate gebraucht haben, um das Wort sexualisierte Gewalt am 7. Oktober überhaupt erst zu erwähnen. Am 29. November äußert sich UN-Generalsekretär António Guterres dazu in New York. "Es gibt zahlreiche Berichte von sexualisierter Gewalt während der Angriffe, denen mit aller Kraft nachgegangen werden muss und die strafrechtlich verfolgt werden müssen", so Guterres. Israels Außenminister Eli Cohen warf Guterres vor, er tue nicht genug, um die Hamas öffentlich zu verurteilen. Er sei nicht in der Lage den Posten zu bekleiden.
UN-Women, die UN-Organisation, die sich für die Stärkung der Frauenrechte einsetzt, verurteilte am 1. Dezember "die brutalen Angriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober. Wir sind alarmiert von den zahlreichen Berichten von sexualisierter geschlechtsspezifischer Gewalt während der Angriffe." UN-Women fordert nun, dass alle Berichte für sexualisierte Gewalt untersucht und die Taten strafrechtlich verfolgt werden. Die Rechte der Opfer stünden im Mittelpunkt.
Doch das anfängliche Schweigen, das Nichterwähnen, das späte Eingeständnis sexualisierter Gewalt hat bereits Schaden angerichtet, sagt Menschenrechtsexpertin Cochav Elkayim-Levy. Sie ist Mitbegründerin einer nicht-staatlichen Kommission, die Beweise zu Straftaten an Frauen und Kindern am 7. Oktober sammelt. Sie sagt, für viele Überlebende und deren Angehörige ist es ein zweites Trauma, nicht richtig gehört zu werden. Das potenziere sich, weil viele das Gefühl haben, dass auch die eigene Regierung sich nicht genug für die Befreiung der Geiseln eingesetzt hat, so Expertin Elkayim-Levy. Sie hat sich auf den Bereich internationale Beziehungen und Menschenrechte an der Hebräischen Universität Jerusalem spezialisiert.
Kritik der Geisel-Angehörigen an Netanyahu
Israels Premier Benjamin Netanyahu wird derweil vor allem von vielen Angehörigen der Opfer des 7. Oktober heftig kritisiert. Erst kürzlich schrie ihn eine Frau an bei einem Treffen der Angehörigen und freigelassenen Geiseln mit dem Kabinett. Sie rief: "Seit 40 Jahren lebe ich im Grenzgebiet zum Gazastreifen. Sie haben mehr als einmal versprochen, dass die Hamas einen tödlichen Schlag erhalten wird. Sie haben versagt!"
Versagen wirft Netanyahu derweil auch der internationalen Gemeinschaft vor. "Ich habe genau wie Sie von der sexualisierten Gewalt und von den Vergewaltigungen von unbeschreiblicher Brutalität gehört. Aber ich muss sagen, bis vor ein paar Tagen habe ich keine Menschenrechtsorganisation oder Frauenbewegung gehört. Auch nicht von der UN. Kein Aufschrei. Ich sage Ihnen: Wo seid ihr? Seid ihr ruhig, weil es hier um jüdische Frauen geht?", sagte er Anfang Dezember.
Datenbank sammelt Hinweise
Weil sie die Polizeibehörden unterstützen wolle, möchte Elkayim-Levy mit ihrer Arbeit weitermachen und weiter Beweise und Aussagen sammeln. Die Kommission zur Aufdeckung der Straftaten der Hamas am 7. Oktober gegen Frauen und Kinder erstellt eine Datenbank mit Hinweisen - Videos, die Terroristen und Opfer gedreht haben. Darunter das Video einer barfüßigen Frau, die an den Händen gefesselt an den Haaren aus einem Jeep gezerrt wird. Ein Terrorist schießt in die Luft und ruft "Allah ist groß". Die Hose der Frau ist zwischen den Beinen voller Blut. Es gibt noch viele mehr. Elkayim-Levy ist überzeugt: "Mit dem Versagen der internationalen Gemeinschaft, die sexuellen Gräueltaten anzuerkennen, werden die Opfer und tausende Frauen in Israel im Stich gelassen."
Außerdem habe die Glaubwürdigkeit internationaler Organisationen gelitten. Das Schweigen habe zu sexualisierter Gewalt nicht nur in Israel, sondern weltweit ermutigt.
Vergewaltigungen durch Hamas-Terroristen: Israelische Demonstranten werfen der UN Tatenlosigkeit vor
Freigelassene Geiseln äußern sich zu sexualisierter Gewalt der Hamas
Vor einem Problem stehen sowohl Bürgerbewegungen als auch die israelische Polizei: Während es Aussagen von Ersthelfern, Sanitätern, Leichenbeschauern und sogar von den Terroristen selbst gibt, sind viele forensische Beweise für Vergewaltigungen verloren gegangen, weil in den Stunden nach den Angriffen entsprechende Tests kaum möglich waren. Wertvolle Hinweise lieferten jetzt einige freigelassene Geiseln selbst.
Vor dem Kriegskabinett in Israel wurden folgende Zitate der Angehörigen vorgetragen: "Sie haben unsere Mädchen angefasst", ist eine der Schilderungen, "Ich dachte ich sterbe, ich wollte, dass sie mich erschießen" eine andere. Und auch das wird berichtet: "Sie haben Papa am ganzen Körper rasiert, um ihn zu demütigen."
Auch kleine Kinder seien vergewaltigt und getötet worden, sagt Menschenrechtlerin Elkayim-Levy noch. Sie habe Belege dafür, wie Terroristen auf Hebräisch übten, "Hosen runter" zu sagen und sich die Erlaubnis von muslimischen Geistlichen einholten, um Frauen und Kinder zu schänden.
Es sei den Terroristen augenscheinlich um einen systematischen Genozid gegangen. Darum, die Frauen zu entwürdigen und auszulöschen, weil sie für den Fortbestand des Volkes in Israel stehen.