Gazastreifen Heftige Kämpfe in Chan Yunis
Für die Menschen im Gazastreifen gibt es kaum noch sichere Orte. Im Süden rückt Israel in die Stadt Chan Yunis ein. Berichte über das mögliche Fluten des Hamas-Tunnelsystems wurden bisher nicht bestätigt.
Erneut bestimmen Flüchtlingsströme die Straßen im Gazastreifen. Immer mehr Menschen verlassen Chan Yunis, wohin vor einigen Wochen noch die Bewohner aus dem Nordteil des Küstenstreifens geflohen waren. Das geschieht auf Anordnung des israelischen Militärs. Dieses mahnt nun an, dass die Zivilbevölkerung in den Westteil Gazas, Richtung Meer, ziehen soll, ebenso nach Rafah. Also ganz in den Süden zur Grenze nach Ägypten.
Die Menschen im Gazastreifen gleichen Figuren auf einem Schachbrett. Immer wieder sollen sie sich vor den Kämpfen in Sicherheit bringen. Ein junger Mann, der gerade Chan Yunis verlässt, lässt seinem Frust freien Lauf: "Sind wir nicht Menschen, um die sich andere kümmern sollten? Sind wir nicht Muslime? Bis wann werden die Menschen vertrieben?" In Rafah würden sie kein Wasser, keine Toiletten oder Schlafplätze für die eigenen Kinder finden. "Schämt Euch! Fürchtet Gott!"
Ins "Herz der Stadt" eingerückt
Die Menschen im Gazastreifen sind verzweifelt. Und sie haben allen Grund dazu. Denn es gibt kaum noch einen sicheren Ort, wohin sie sich zurückziehen können. Die Kämpfe werden jetzt auch im Süden heftiger. Die israelische Armee rückte am Nachmittag mit Panzern und Bodenkräften in die Stadt Chan Yunis ein.
Man sei im Herzen der Stadt, erklärte General Yaron Finkelman, der Chef des südlichen Kommandos der israelischen Armee. Nach seinen Worten befindet sich die Armee inmitten des intensivsten Tages der Kämpfe seit Beginn der Bodenoperation, gemessen an der Zahl der getöteten Hamas-Terroristen, der Anzahl der Kämpfe und der Feuermenge, die die Streitkräfte einsetzten. Finkelman wörtlich: "Wir wollen weiter angreifen."
Bericht über mögliches Fluten von Tunneln
Für Schlagzeilen in Israel sorgt ein Bericht des "Wall Street Journals", wonach es innerhalb der israelischen Armee Überlegungen gebe, das weitverzweigte Tunnelsystem der Hamas im Gazastreifen zu fluten. Daphne Richemond Barak ist Spezialistin für Kriegsführung an der Reichmann-Universität in Herzliya. Für sie ist das eine plausible Option. "Ohne eine Zerstörung dieser Tunnelinfrastruktur wird der Krieg nicht beendet sein", sagte sie im Interview mit dem israelischen TV-Kanal 12.
"Wir sprechen hier von einer sehr großen Wassermenge, die in die Tunnel geflutet werden muss, von über 100.000 Litern Wasser pro Stunde", so Barak weiter. Darüber hinaus werde ein sehr hoher Wasserdruck benötigt, der den Zusammenbruch der Wände und Decken verursache. "Das Hauptziel, das sich dahinter verbirgt, ist, dieses riesige unterirdische Tunnelsystem, das der Hamas seit über zehn, fast 20 Jahren dient, loszuwerden."
Ein Armeesprecher wollte die Berichte der US-Zeitung weder bestätigen noch dementieren. Er erklärte nur, das Militär arbeite auf unterschiedliche Weise daran, die terroristischen Fähigkeiten der Hamas zu zerschlagen, indem sie verschiedene militärische und technologische Mittel einsetze.
Kabinett diskutiert weitere Hilfslieferungen
Am Abend trifft sich noch einmal das israelische Sicherheitskabinett. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob Israel mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen bewilligt. Eine schwierige Abwägung, bestätigte Miki Zohar, Israels Minister für Kultur und Sport im Israel Radio: "Die humanitäre Hilfe richtet sich nicht an die Hamas, sondern an die Zivilbevölkerung. Wenn es zu einer riesigen humanitären Krise im Gazastreifen kommt, können wir den Krieg nicht fortsetzen, da der Druck gegen uns - weltweit - zu groß wird."
Das Kabinett wird laut Zohar nun dafür sorgen, dass die Hilfe, die reinkommt, nicht an die Hamas übergeht. "Wenn man zu viel gibt, kann es schnell an die Hamas gelangen. Aber wenn man das geforderte Minimum vergibt, dann wird sichergestellt, dass nur die Zivilbevölkerung die Hilfe erhält", sagte der Minister.
Zuletzt kamen wieder deutlich weniger Hilfsgüter in den Gazastreifen. Die Vereinten Nationen erklärten zum wiederholten Mal: Die Lage für die Zivilbevölkerung in Gaza sei bereits unerträglich.