Späterer Ruhestand Chinas Plan gegen den demografischen Kollaps
China hat eins der niedrigsten Renteneintrittsalter der Welt. Doch das soll sich nun ändern, denn das Land steht vor riesigen demografischen Herausforderungen. In der Bevölkerung sorgen die Pläne für Unmut.
In einem Laden in der Stadt Mile, im südchinesischen Landesteil Yunnan, verkauft die Besitzerin Dai Xiaomin Dinge des täglichen Bedarfs - wie Tee und Zigaretten. Die Unternehmerin wäre gern mit 50 in Rente gegangen. Doch daraus wird nach den neuen Plänen der Regierung nichts.
"Na klar, würde ich gern früher in Rente gehen. Dann kann man länger Rente beziehen", sagt die 36-Jährige. Aber es sei noch so vieles unklar. Weil Dai Xiaomin selbständig ist, zahlt sie freiwillig in die staatliche Rentenkasse ein. Das sind im Jahr umgerechnet etwa 1.300 Euro. Sie überlegt nun, ob sich das für sie überhaupt lohnt und ob sie aussteigen soll. Damit ist sie nicht allein, was den Druck auf die leere Rentenkasse weiter erhöht.
"Das Rentenalter ist verschoben. Wir wissen gar nicht, wie viel man am Ende bekommen kann", sagt Dai Xiaomin. "Wenn ich das Geld bei einer Bank anlege, steht es mir zumindest zur Verfügung oder ich kann es investieren, obwohl es nur sehr niedrige Zinsen gibt." Für die meisten Angestellten stellt sich diese Frage nicht. Sie müssen zahlen.
Reform sorgt für Unmut
Ab dem 1. Januar verschiebt sich das Renteneintrittsalter in China alle paar Monate um einen Monat nach hinten. Mitte September gab Sozialministerin Wang Xiaoping die Rentenpläne auf einer Pressekonferenz in Peking bekannt. Bei Männern verschiebt sich das Rentenalter am Ende von 60 auf 63 Jahre. Frauen konnten bislang, je nach Beruf, mit 50 oder 55 in Rente gehen. In Zukunft werden es 55 beziehungsweise 58 Jahre sein.
Chinas Führung und Staatsmedien erklären, dass das aktuelle Renteneintrittsalter zu den niedrigsten in der Welt gehöre und es keinen anderen Weg gebe. Die Ankündigung sorgt in den chinesischen Online-Netzwerken dennoch für viel Unmut. Die meisten Chinesinnen und Chinesen arbeiten extrem hart, Tag und Nacht und an Wochenenden. Es gibt wenige freie Tage und kaum soziale Absicherung.
Rente als wichtige Etappe im Leben
Auch wenn sie häufig sehr klein ausfällt - zum Teil nur wenige hundert Euro im Monat - ist die Rente für die Menschen in China eine wichtige Etappe im Leben. Unabhängig davon, dass viele nach dem Renteneintritt weiter arbeiten müssen, um sich das Leben in den teuren Städten finanzieren zu können.
Doch die jetzige Rentenreform dürfte erst der Anfang sein. Jahrzehntelang wurden Reformen verschleppt. Der Wirtschaftsboom der vergangenen Jahrzehnte habe verdeckt, dass China im sozialpolitischen Bereich oft ineffizient sei, so Katja Drinhausen vom Berliner China-Thinktank "Merics" im Deutschlandfunk. Es gebe immer wieder dieselben Reformrufe etwa bei Themen wie Binnenmigration, Landnutzungsrechten oder Eigentumsrechten. Zum Teil sei aber jahrzehntelang nichts passiert, so Drinhausen.
Chinas Bevölkerung altert rasant
China steht vor einem massiven demografischen Problem. Das Land mit den 1,4 Milliarden Einwohnern überaltert rasant. Die Bevölkerung schrumpft inzwischen. Trotz des Endes der Ein-Kind-Politik wollen junge Leute häufig keine Kinder mehr bekommen. Das Leben ist zu teuer und es gibt kaum Unterstützung vom Staat. Dazu kommt eine Wirtschaftskrise.
Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung. Bis 2050, so Schätzungen chinesischer Experten, könnte es 500 Millionen Chinesinnen und Chinesen geben, die älter als 60 Jahre sind. Dazu sind die Kassen leer, nicht nur die der Rentenversicherung.
China muss nun mit neuen Herausforderungen umgehen, so Drinhausen - etwa dem verlangsamten Wirtschaftswachstum oder dem demografischen Wandel. "All dies sind Herausforderungen, wo China ja nicht das einzige Land ist, das damit konfrontiert ist."
Nach dem Ende der Boom-Jahre ist nun auch China ein Stück weit in der Realität angekommen, mit der sich andere Länder schon länger konfrontiert sehen.