Lage im Gazastreifen Flucht ins Ungewisse
Chan Yunis im Süden Gazas ist ein Schwerpunkt der israelischen Bodenoffensive. Dort suchen Zehntausende Menschen Schutz unter freiem Himmel. Es fehlt an Wasser und sanitären Anlagen.
Heute Mittag in Chan Yunis, der größten Stadt im Süden des Gazastreifens. Immer wieder durchbrechen heftige Maschinengewehrsalven das beständige Brummen der israelischen Drohnen. Die Straßen menschenleer. Nur ein einsamer Eselskarren ist zu sehen, der von einer Frau gelenkt wird und auf dem zwei Kinderkörper liegen. Aufnahmen, die das ARD-Studio Tel Aviv aus eigenen Quellen erhalten hat.
Israelische Einheiten, auch mit Panzern, hätten die Innenstadt von Chan Yunis erreicht, meldet die israelische Armee. Erneut waren Einwohner weiterer Stadtteile aufgefordert worden, das Kampfgebiet so rasch wie möglich zu verlassen und in Richtung Al Mawasi zu flüchten, einer "humanitären Zone" am Strand.
Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen. Schraffur: Israelische Armee
Wasseranschlüsse und sanitäre Einrichtungen fehlen
Doch suchen seit Tagen schon mehrere zehntausend Menschen unter freiem Himmel Schutz vor den Kämpfen. Mit eigenen Mitteln werden Plastikzelte errichtet. Wasseranschlüsse und sanitäre Einrichtungen gibt es nicht.
Zum dritten Mal sei sie mit ihren Kindern und Nichten aus Schutzquartieren geflohen, in Rafah habe sie keinen Platz mehr gefunden, dort sei alles völlig überfüllt, sagte Amani Abu Saltan der ARD. Nachts werde es sehr kalt, zu fünft lägen sie unter einer Decke.
"Auf die Toilette zu gehen ist eine Tortur", erzählt sie. Die Toiletten seien ziemlich weit entfernt. Sei man dort angekommen, gebe es eine Warteschlange. "Bis wir an der Reihe sind, hat sich das Kind schon eingepinkelt." Also wickele sie die Kleinen in Windeln ein, die sie mit den Händen reinige. "Wir sind diese Art von Leben nicht gewohnt. Die Nerven, unsere Mentalität sind zerstört. Keiner kann den anderen ertragen." In den UN-Einrichtungen müssen sich nach Angaben der Vereinten Nationen im Durchschnitt 150 Menschen eine Toilette teilen.
Philippe Lazzarini, der Chef der UNWRA, des UN-Hilfswerks für die Palästinenser, forderte erneut eine sofortige Waffenruhe. Diese ein nötig, um die "Hölle auf Erden" im Küstenstreifen zu beenden. Die Lage sei "in jeder Hinsicht schlimmer", als er es je zuvor gesehen habe. In einem Artikel in der Los Angeles Times warf er der israelischen Regierung vor, die palästinensische Bevölkerung aus dem Gazastreifen nach Ägypten vertreiben zu wollen. Ähnliche Behauptungen kamen auch vom jordanischen Außenminister Ayman Safadi.
Israels Regierungssprecher Eilon Levi wies diese Erklärungen zurück: "Das sind natürlich ungeheuerliche und falsche Anschuldigungen."
Am Morgen hatte Premierminister Benjamin Netanyahu vor Beginn der Kabinettssitzung erklärt, dass Israel den Krieg im Norden wie im Süden des Gazastreifens fortsetzen und intensivieren werde, um alle Ziele zu erreichen: die Zerstörung der Hamas, Rückkehr aller Geiseln und Sicherstellung, dass Gaza nie wieder eine Gefahr für Israel darstelle.
Netanyahu dankt US-Präsident Biden für Waffen
Netanyahu sagte weiter, eine weitere Ladung "wichtiger Munition" für die Fortsetzung des Krieges werde heute eintreffen, "sie ist im Grunde bereits hier. Ich danke Präsident Biden, mit dem ich am Freitag über die richtige und gerechte Haltung der USA im UN-Sicherheitsrat gesprochen habe, und natürlich über die materielle Unterstützung, die die USA den IDF zukommen lassen."
Die US-Regierung hatte gestern die Freigabe von rund 14.000 Panzergranaten im Wert von 106 Millionen erteilt, für eine unmittelbare Lieferung nach Israel.