Venezuela und Guyana Was Maduro mit seinen Drohungen bezweckt
Der UN-Sicherheitsrat berät heute über Venezuelas Annexionspläne für das rohstoffreiche Guyana. Nach internationalem Recht sind Präsident Maduros Ansprüche haltlos. Geht es Präsident Maduro nur um die Ölvorkommen?
Venezuelas Präsident Nikolas Maduro rasselt mit den Säbeln, demonstriert kurz nach einem Referendum, das er zur Frage der Annexion abgehalten hatte, Stärke.
Er präsentierte vor laufender Kamera stolz eine Landkarte Venezuelas - mit neuen Grenzen: "Wir haben die ersten Schritte einer neuen historischen Etappe unternommen. Wir kämpfen für das, was uns gehört. Um das zurückzugewinnen, was die Befreier uns hinterlassen haben. Essequiba Guyana. Das venezolanische Volk hat sich laut und deutlich geäußert, dieser Sieg gehört dem ganzen venezolanischen Volk."
Umstrittenes Referendum
In der höchst umstrittenen Abstimmung hatten sich vergangenen Sonntag laut offiziellem Endergebnis mehr als 90 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Teilannexion des Nachbarlandes Guyana ausgesprochen. Die Wahlbeteiligung lag angeblich bei 50 Prozent.
Unabhängige Beobachter und die Opposition zweifeln das Ergebnis an. Medien und Bürgerportale posteten Bilder von menschenleeren Wahllokalen.
María Corina Machado, Gründerin der politischen Bewegung Vente Venezuela und Gewinnerin der Vorwahlen der Opposition, die bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr gegen den autoritär regierenden Nicolás Maduro antreten will, erklärte gegenüber France 24, dass das Referendum eindeutig ein Mittel gewesen sei, um vom großen Erfolg der Vorwahlen der Opposition abzulenken und Patriotismus zu wecken, um Wähler hinter sich zu versammeln.
Am vergangenen Freitag hatte der Internationale Strafgerichtshof Venezuela angewiesen "jede Handlung zu unterlassen, die die gegenwärtige Lage in dem umstrittenen Gebiet ändern würde". Die eigentliche Entscheidung in dem Konflikt kann noch lange dauern.
Maduro legt nach
Das scheint Maduro nicht weiter zu stören: Er kündigte bereits an, dass er die Essequibo-Region per Gesetz zu einer venezolanischen Provinz erklären will. Außerdem hat er den staatlichen Ölkonzern angewiesen, "sofort" Lizenzen für die Förderung von Erdöl in Essequibo zu vergeben.
Der Konflikt spitzt sich wieder zu, nachdem der Ölkonzern ExxonMobil 2015 in dem Gebiet ein Ölvorkommen entdeckt hatte. Vor wenigen Monaten wurde in der Region nun ein weiterer Fund gemacht. Die Reserven Guyanas werden nunmehr auf mehr als zehn Milliarden Barrel geschätzt. Das sind mehr als die Vorkommen in Kuwait oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Der Analyst und Politologe Benigno Alarcón von der katholischen Universität Andrés Bello bezweifelt, dass es der Regierung in Caracas vor allem um das Öl geht. Eine gewaltsame Invasion kann er sich nicht vorstellen. Alarcón glaubt nicht, dass es zu einem Krieg kommt: "Vielleicht ein Scharmützel an der Grenze, aber mehr nicht. Das Ganze hat eher mit innenpolitischen Gründen zu tun. Das Referendum diente als Test für die Mobilisierungsmaschinerie. Aber das ging gründlich schief."
Was Maduro riskiert
In Umfragen hatte Maduro zuletzt nur sehr geringe Zustimmung. Seit Jahren steckt das Land in einer politischen und wirtschaftlichen Krise, leidet unter den Sanktionen der USA. In den vergangenen Jahren haben fast acht Millionen Menschen das Land verlassen; nun leben noch 28 Millionen Menschen dort.
Am Ende würde sich Venezuela mit der Eskalierung des Konflikts international isolieren, so Alarcón. Denn was möglicherweise als Schachzug für die Verhandlungen mit den USA gedacht war, könnte auch nach hinten losgehen.
Maduro laufe Gefahr, dass die Lockerungen der US-Sanktionen wieder aufgehoben werden, die daran gebunden sind, dass die Bedingungen für demokratische Wahlen geschaffen werden.
Region unterstützt Guyana
Gegenüber den USA hatte Maduro die Abhaltung demokratischer Wahlen 2024 versprochen. Im Gegenzug hatten die Vereinigten Staaten Sanktionen gegen Venezuelas Öl- und Finanzsektor gelockert. Diese Vereinbarung würde er mit einer Eskalation des Konflikts gefährden.
Zudem würde er die Unterstützung in der Region verlieren, sagt der Politologe. "Er würde als Aggressor dastehen. Vor allem die Caricom-Länder, die karibische Gemeinschaft, werden das nicht begrüßen."
Genauso bringe er weitere, eigentlich mit Caracas verbündete Länder in eine unangenehme Situation - wie Brasilien, das eine Grenze zu Guyana hat. Ebenso Kuba, das Land habe auch Interessen an Guyana - und China, das dort bereits investiert habe.
Die Nachbarn reagieren umgehend
Brasilien hat bereits die Verstärkung seiner militärischen Grenztruppe im Norden angekündigt. Venezuelas Verbündeter China rief die beiden Staaten auf, den Streit beizulegen.
Man sei auf alle Szenarien vorbereitet, heißt es aus Guyana. Man suche nach einer diplomatischen Lösung und bereite sich mit Verbündeten und Freunden vor, den Essequibo notfalls verteidigen zu können, erklärte Guyanas Präsident Ali gegenüber dem US-Sender CBS.
Angesichts der angespannten Lage zwischen Guyana und dem Venezuela wollen die US-Streitkräfte mit Flügen über dem Staatsgebiet von Guyana Präsenz zeigen.
Weitere Repressionen
Venezuelas Generalstaatsanwaltschaft, die der Regierung nahesteht, hat unterdessen Haftbefehle gegen 14 Oppositionelle beantragt. Der Generalstaatsanwalt Tarek William Saab erklärte zur Begründung, die Verdächtigen hätten versucht das Referendum zu torpedieren. Zu den Beschuldigten gehören unter anderem der frühere Parlamentspräsident Juan Guaidó.
In den folgenden Wochen erwartet der Politologe Alarcón, dass Maduro das venezolanische Militär an der Grenze zu Guyana verstärken lassen wird - "allerdings ohne die Grenze des Territoriums zu überschreiten; eher um zu demonstrieren, dass er es ernst meint. Mehr wird erstmal nicht passieren. Er will damit seine Glaubwürdigkeit aufrechterhalten."
Derzeit, so scheint es, verliert Maduro mit seinem Manöver und dem Schüren des Konflikts mehr als er gewinnt.