USA und Venezuela Vom Feind zum Freund?
Mitten im Krieg gegen die Ukraine loten die USA und Venezuela eine Annäherung aus. Vorrangig geht es Washington darum, die russischen Ölimporte zu ersetzen. Dafür wäre nicht nur politischer Wille, sondern auch viel Geld nötig.
Vor allem im Orinoco-Gürtel und in der Region um Maracaibo, der zweitgrößten Stadt Venezuelas im Nordwesten des Landes, drehen sich nach wie vor die Bohrstangen in die Tiefe, um Öl zu fördern. Doch die Technik ist marode. Ausreichende Geldreserven für die nötige Wartung der Anlagen hat das südamerikanische Land nie angelegt.
Viele Förderanlagen wurden dicht gemacht. Das Geschäft mit dem Erdöl könnte durch den Ukraine-Krieg eine neue Renaissance in Venezuela erfahren. Doch dafür müsste einiges passieren, sagt der venezolanische Wirtschaftswissenschaftler Antulio Rosales der kanadischen Universität von New Brunswick.
Derzeit würden in Venezuela rund 700.000 Fass am Tag produziert und das, nachdem die Produktion angesichts der steigenden Preise sogar schon erhöht wurde. Fest steht: Die Produktion befindet sich auf einem minimalen Niveau, für das, was der Markt für eine Stabilisierung der Preise benötigen würde und auch im Vergleich zu der Produktionskapazität, die es in Venezuela historisch einmal gab, sagt der Wirtschaftswissenschaftler.
Hohe Investitionen notwendig
Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hatte vor wenigen Tagen angekündigt, die Ölproduktion bis Ende des Jahres auf bis zu zwei Millionen Fass täglich zu steigern. Die Produktionsmenge würde damit verdreifacht. Das ist allerdings immer noch gering im Vergleich zu zehn Millionen Fass Rohöl, die Russland täglich produziert, erklärt der venezolanische Ökonom Alejandro Márquez Velázquez, der am Lateinamerikainstitut in Berlin lehrt.
Venezuela könne nicht einfach kompensieren, was in Russland an Erdöl produziert werde und was bedingt durch die Sanktionen dem Markt nicht mehr zur Verfügung stehe. Es bedürfe einer sehr großen Investition - zehn bis fünfzehn Milliarden Dollar in den nächsten fünf bis zehn Jahren, rechnet Márquez Velazquez vor.
2018 brachen die Kontakte ab
Wenn die USA ernsthaft in Erwägung zögen, die russischen Ölimporte durch venezolanische zu ersetzen, werden sie natürlich die Sanktionen aufheben müssen, sagt Antulio Rosales. Doch das geschieht nicht von heute auf morgen. Es wird einen Verhandlungsprozess geben, die Wiederaufnahme der Gespräche zwischen der Regierung von Maduro und der Opposition, und die Schaffung der Voraussetzungen für demokratische Wahlen im Jahr 2024 werden dabei eine große Rolle spielen.
Der Besuch einer hochrangigen US-Delegation vor knapp zwei Wochen kam überraschend. Damit nahmen die US-Diplomaten erstmals wieder direkten Kontakt zu Maduro auf. Mit dem autoritär regierenden venezolanischen Präsidenten hatten die USA die diplomatischen Beziehungen nach seiner umstrittenen Wiederwahl 2018 abgebrochen. Die Vereinigten Staaten verschärften die Sanktionen gegen ihn immer wieder und erkanten den Oppositionsführer Juan Guaidó als Interimspräsidenten an. Nun macht Washington einen Schritt auf Maduro zu.
Ein wichtiger Verbündeter Russlands
Kurz nach der russischen Invasion hatte sich Maduro hinter Russlands Präsidenten Wladimir Putin gestellt. Venezuela gilt als einer der wichtigsten Verbündeten des Kremls in der Region, erklärt der venezolanische Wirtschaftswissenschaftler Rosales. Die Russen haben das südamerikanische Land mit Waffen und im Verteidigungssektor unterstützt und auch in den Erdölmarkt investiert.
Diese Unterstützung sei sicherlich in den vergangenen Jahren für das Überleben des südamerikanischen Landes wichtig gewesen. Nun muss Venezuela aber auch selbst die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland fürchten. "Wenn der venezolanische Ölmarkt sich entscheiden müsste zwischen der Beibehaltung der russischen Unterstützung oder Investitionen aus den nordatlantischen Ländern, wäre es für viele inländische Akteure besser, sich für die nordatlantischen Länder zu entscheiden", sagt Rosales.
Maduro fest im Sattel
Das träfe auch für die Regierung von Maduro zu, meint der Wirtschaftswissenschaftler. "Maduro könnte pragmatisch Vereinbarungen beispielsweise mit den USA treffen, um die Geschäfte auf dem Ölmarkt zu erleichtern, und gleichzeitig weiterhin die russische Aggression im Diskurs unterstützen."
Auch wenn sich die USA kurz nach dem Besuch der US-Delegation in Venezuela beeilte, dem Interimspräsidenten Guaidó ihre anhaltende Unterstützung zu versichern, scheint Maduro fest im Sattel zu sitzen. Doch mit Investitionen wird er nur rechnen können, wenn die auch mit einer politischen Annäherung zu den USA und damit auch einer Wiederaufnahme des Dialoges mit der Opposition einhergehen.