Kevin McCarthy bei seinem Abschied aus dem US-Repräsentantenhaus

US-Republikaner Die Tea Party frisst ihre Kinder

Stand: 17.12.2023 11:45 Uhr

Offiziell gibt es die Tea Party in den USA nicht mehr. Doch ihre Politik und mehr noch ihr Politikstil prägen weiter die Republikaner. Und das bereitet einem Teil der Partei weiter Probleme.

Vergangenen Donnerstag trat Kevin McCarthy zum letzten Mal ans Pult im US-Repräsentantenhaus. Erst Anfang des Jahres war der Republikaner mit 15 Anläufen zu dessen Vorsitzenden gewählt worden - und nur neun Monate später von einer Gruppe rechter Hardliner wieder gestürzt. Weil er mit den Demokraten einen Deal gemacht hatte, um die Zahlungsunfähigkeit der USA zu verhindern.

Jetzt hört der Kalifornier nach 17 Jahren im Kongress auf und gibt seinen künftigen Ex-Kollegen ausgerechnet folgenden Rat: "Habt keine Angst, wenn Ihr glaubt, dass Eure Philosophie den Menschen mehr Freiheit bringt. Habt keine Angst, dass Ihr deshalb Euren Job verlieren könntet."

 

Zu sehr Mainstream

McCarthys Sturz ist für den Politologen Christopher Borrick vom Muhlenberg College in Pennsylvania ein Beispiel für den Einfluss einer innerparteilichen Gruppe, die es eigentlich längst nicht mehr gibt: die Tea-Party-Bewegung.

McCarthy sei für einige der aufständischen Republikaner einfach zu Mainstream, zu sehr Teil des Systems gewesen. Und deshalb hätten sie es auf ihn abgesehen gehabt: "Dieser Ansatz, diese Dynamik, war ein großer Teil der Tea Party, und ist bei den Republikanern noch sehr lebendig!"

Rebellion gegen Obama

Ein Blick zurück in den Februar 2009: Es ist die Zeit der Finanz- und Schuldenkrise in den USA - und Geburtsstunde der Tea-Party-Bewegung. Im TV-Sender CNBC poltert der Finanzexperte Rick Santelli gegen die milliardenschweren Rettungspakete der Obama-Regierung auf Kosten der auf Steuerzahler.

Wenn die Gründerväter das erleben könnten, würden sie sich im Grab umdrehen, wettert Santelli: "Wir überlegen deshalb, hier in Chicago im Juli unsere Tea Party abzuhalten!" 

Santellis Wutrede geht viral. Überall im Land gründeten sich Tea-Party-Ortsverbände. Ihr Ziel sind niedrigere Steuern und Ausgaben, weniger Staat und weniger Regeln. Aber wirklich neu, sagt Professor Borrick, sei ihr Politikstil gewesen:

Es ist diese disruptive, zerstörerische Politik. Diese Idee, dass die Institutionen, die Prozesse, die Eliten, das System so fehlerhaft sind, dass wir alles tun, um es zu ändern. Und zu stoppen.
Christopher Borrick, Muhlenberg College

 

Donald Trump

Sein Erfolg fußte auf dem Erfolg der Tea-Party-Bewegung: Ex-Präsident Donald Trump

Bei den Wählern kommt das an

Mit ihren Kampagnen gegen sogenannte RINOS ("Republicans In Name Only" - Republikaner nur dem Namen nach), also Republikaner, die ihnen nicht populistisch genug waren, hatte die Tea Party Erfolg bei den Wählern: Dank ihnen gewannen die Republikaner 2010 die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurück, vier Jahre später auch im Senat.

Und sie sorgten 2013 mit ihrer Blockade für den ersten Haushaltsstillstand in fast 20 Jahren. Selbst die Wahl von Donald Trump 2016, glaubt Politologe Borrick, wäre ohne die Tea Party nicht möglich gewesen: "Diese Veränderungen in der amerikanischen Politik durch die Tea Party haben sicher ein Umfeld geschaffen, dass viel offener war für die Art von Politik, die Trump dann einleitete."

Trumps MAGA-Bewegung tritt das Erbe an

Mit Trumps Wahl verschmolz die Tea Party weitgehend mit dessen MAGA-Bewegung ("Make America great again"), die die republikanische Partei heute dominiert. Und zwar unerbittlicher, als es die Tea-Party-Bewegung es selbst geschafft habe, sagt Colin Seeberger von der liberalen Denkfabrik Center for American Progress und verweist auf den Rausschmiss von Kevin McCarthy:

In den frühen Jahren der Tea Party wurden solche Taktiken nur von einer kleinen Gruppe von Abgeordneten praktiziert. Aber was wir heute erleben, mit den extremen MAGA-Republikanern, ist, dass die gesamte Fraktion sich ihnen anschließt.
Colin Seeberger, Center for American Progress

2023 habe gezeigt: Das Erbe der Tea Party untergrabe das Funktionieren demokratische Institutionen, sagt Politologe Borrick. Und das mache aktuell Einigungen über einen Haushalt und über Hilfen für die Ukraine so schwierig.

 

Julia Kastein, ARD Washington, tagesschau, 15.12.2023 18:49 Uhr

 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell im Nachrichtenradio am 16. Dezember 2023 um 21:48 Uhr.