Musk und Trump "Für eine Demokratie ist so eine Allianz gefährlich"
Elon Musk zieht im US-Wahlkampf zunehmend Aufmerksamkeit auf sich - an der Seite von Donald Trump. Der US-Experte Christian Lammert sagt, dabei gehe es nicht darum, unentschlossene Wähler zu gewinnen - und er benennt ein grundsätzliches Problem.
tagesschau.de: Elon Musk will im Wahlkampf im Swing State Pennsylvania eine Million US-Dollar am Tag unter Wählern verlosen. Welche Rolle kann das in dieser letzten Phase des Wahlkampfs spielen?
Christian Lammert: Solche Aktionen produzieren natürlich Nachrichten und das ist der Hauptzweck. Man versucht, die Nachrichten zu dominieren, damit andere Themen wie der Vergleich zwischen den beiden Kampagnen in den Hintergrund rücken.
Aber es verweist auf ein zweites Problem, und das ist der Einfluss von besonders Reichen auf die Politik. Hier kann sich ein Pool an Geschäftsleuten hinstellen und einfach mal so Millionen für den Wahlkampf ausgeben, was sich die meisten Menschen nicht leisten können.
Ein Verstoß gegen Wahlgesetze?
tagesschau.de: Es gibt unterschiedliche Stimmen zu dieser Aktion. Die einen sagen, das sei so im Rahmen legal, andere sagen, das sei schon jenseits der Legalität. Wie schätzen Sie es ein?
Lammert: Es gibt viele Stimmen in den USA, die sagen, dass hier eine Verletzung der Regeln für Wahlkampfspenden vorliegt. Musk gehört nicht unmittelbar zu Trumps Kampagne. Bei solchen unabhängigen Geldern darf es keine Kooperation zwischen der Kampagne und den Organisationen oder Individuen geben, die viel Geld in den Wahlkampf reinstecken.
Und dagegen scheint die Aktion von Musk zu verstoßen, weil sie sich klar auf eine bestimmte Forderung der Trump-Kampagne bezieht. Das Geld müsste demnach als Wahlspende gelistet werden.
tagesschau.de: Musk hat in den vergangenen Wochen eine zunehmende Rolle im Wahlkampf gespielt. Er hat Trump interviewt, er ist mit ihm zusammen aufgetreten, er hat auf X für Trump geworben und gegen Harris agitiert. Erschließt er Trump dadurch neue Wählerschichten - oder bedient er vor allem eine Klientel, die ohnehin schon auf der Seite von Trump ist?
Lammert: Das fügt sich in ein generelles Muster ein. Es geht in den USA aufgrund der starken Polarisierung der Gesellschaft insgesamt in erster Linie darum, die eigene Wählerbasis zu mobilisieren. Dafür sind solche Aktionen gut. Musk ist ein Selfmade-Millionär, ein Außenseiter und passt damit zu dem Bild, das Trump von sich selbst zeichnet.
Das kommt bei den Wählern gut an. Viele Wähler wollen keine etablierten Politiker haben, sie wollen jemanden, der von außen mit dem frischen Blick in die Regierung kommt, um dann die Reformen durchzusetzen, die von der Kernanhängerschaft gewollt sind.
So gesehen finden sich hier die Richtigen. Es geht also weniger darum, jetzt moderate, unentschiedene Wähler zu überzeugen. Davon gibt es gar nicht mehr so viele. Und Demokraten will man schon gar nicht überzeugen. Das würde man wahrscheinlich mit Musk auch nicht schaffen. Aber es wird eventuell auch auf der anderen Seite mobilisiert - gegen Trump.
Ein Mann für das kleinteilige Regierungsgeschäft?
tagesschau.de: Trump kokettiert mit der Idee, dass Musk nach einem eventuellen Wahlsieg ein Regierungsamt im weitesten Sinne übernehmen könne. Musk macht aber schon jetzt mit seinen Unternehmen SpaceX und StarLink viele Geschäfte mit der US-Regierung. Sind da nicht Interessenkonflikte absehbar?
Lammert: Diese ganzen Überlegungen sind nicht bis zum Ende durchdacht. Ich glaube, Trump hat momentan keine genaue Vorstellung davon, wie seine Administration nach einem Wahlsieg aussehen könnte. Es gibt das "Project 2025", das schon viel konkreter arbeitet - und da spielt Musk zumindest bis jetzt kaum eine Rolle.
Musk ist zugleich als Unternehmer auf vielen Gebieten innovativ tätig und damit auch gut ausgelastet. Ich kann mir kaum vorstellen, dass er sich in das kleinteilige Alltagsgeschäft des Regierens reinziehen lässt, um zu überlegen, wie man eine Regierung effektiver machen kann. Da wird wieder viel Symbolpolitik sein.
Musk wird sich eher rhetorisch im Umfeld der Regierung bewegen, wird Presseauftritte machen, wird irgendwelche libertären, anti-staatlichen Vorschläge machen, um die Wirtschaft weiter in seinem Sinn zu entwickeln.
"Gefährliche Allianz"
tagesschau.de: Die libertäre Strömung, für die Musk auch steht, ist in den vergangenen 20 Jahren immer wichtiger geworden. Für wie groß schätzen Sie den Einfluss dieser Strömung auf Trump und die Republikaner?
Lammert: Hinter der libertären Strömung stehen momentan hauptsächlich die Technologiekonzerne und damit das große Geld in Amerika - und damit auch Elon Musk. Es gibt andere sehr einflussreiche Leute aus "Big Tech" wie Peter Thiel, die vor allem J.D. Vance massiv unterstützen. Wenn man sieht, wie viel Geld diese Leute haben und in Wahlkämpfen einsetzen können, erkennt man schon eine gewisse Gefahr.
Dieser Einfluss wird auch durch soziale Medien verstärkt. Musk kontrolliert das ehemalige Twitter. Man kann sehen, wie sich dieses Medium nach rechts verschiebt, wie sich der Algorithmus von Tweets verändert hat, wie manche Leute stärker gewichtet werden und andere weniger. Für eine Demokratie ist so eine Allianz zwischen Politik und sozialen Medien gefährlich.
Christian Lammert ist Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Politische Systeme Nordamerikas an der Freien Universität Berlin
"Massive Machtkonzentration"
tagesschau.de: Worauf kann das am Ende hinauslaufen?
Lammert: Man muss das im Gesamtkontext sehen mit dem, was Trump in seiner ersten Amtszeit schon angefangen hat und mit dem, was das "Project 2025" vorschlägt. Da geht es im Kern um eine massive Machtkonzentration im Weißen Haus, massive Stärkung der Exekutive bei gleichzeitiger Aushöhlung des Systems der Gewaltenkontrolle, auch innerhalb der Exekutive.
Dazu kommt die Entscheidung des Supreme Court, die dem Präsidenten weitreichende Immunität bei seinen Aktionen gibt. Und wenn Trump mit den einflussreichen Akteuren aus der Techindustrie auch noch Propagandainstrumente kontrolliert und seine Botschaften über Social Media nach außen tragen kann, ist das problematisch.
Wenn eine Demokratie stirbt, ist das ein bekanntes Muster. Da wird nicht nur das Regierungsgebäude besetzt, sondern da werden auch traditionell die Medien besetzt, um eine bestimmte Botschaft auszusenden. Hier sehen wir ähnliche Tendenzen. Es bildet sich eine Allianz von Teilen des Mediensektors, vor allen Dingen die sozialen Medien, und einer möglichen neuen Regierung, die für eine Demokratie nicht gesund ist.
"Niemand weiß, woher das Geld kommt"
tagesschau.de: Von Großspenden profitieren beide Kandidaten - auch Kamala Harris. In den Nullerjahren war das noch anders. Hängen inzwischen Parteien und Kandidaten in einem Maße von Zuwendungen ab, das der Demokratie schadet?
Lammert: Wir sehen, dass die Kandidaten und Kampagnen immer mehr Geld einnehmen. Die Harris-Kampagne hat jetzt schon mehr als eine Milliarde US-Dollar eingeworben, und das sind nicht nur alles Kleinspenden. Großspender erwarten nach einer Wahl, Zugang zu den jeweiligen Regierungsvertretern zu bekommen - sie haben ja Geld für die Kampagne gegeben.
Wenn bestimmte Interessen einen klaren Vorteil haben, ist das ein Problem für eine Demokratie. Der Zusammenhang zwischen Lobbyismus und Wahlkampfspenden wird deshalb in den USA intensiv diskutiert.
tageschau.de: 2010 hat der Supreme Court der USA sogenannte unabhängige Parteispenden an Lobbygruppen dereguliert. Was sind die Folgen?
Lammert: Da gibt es keine Klarheit mehr. Während bei den direkten Spenden für Kampagnen und Kandidaten ein hohes Maß an Transparenz herrscht, gibt es bei Geldern, die an sogenannte Super Pacs gehen, keine Transparenz mehr. Diese Political Action Committees werben für bestimmte Themen, eine Art Wahlkampf neben den Kandidaten. Niemand weiß, woher das Geld kommt, denn das muss nicht offengelegt werden.
Das verstärkt nicht nur den Einfluss bestimmter Interessengruppen in den USA. Sondern es fließen möglicherweise auch Gelder aus dem Ausland in die USA, was eigentlich illegal ist - aber nicht mehr kontrolliert werden kann. Hier ist die Politik in der Pflicht, wieder striktere Regularien einzusetzen. Aber da beide Seiten davon profitieren, ist kein Wille vorhanden, eine grundlegende Reform der Wahlkampffinanzierung durchzusetzen.
Das Gespräch führte Eckart Aretz, tagesschau.de