Dauerkrise in Karibikstaat USA sagen weitere 100 Millionen für Haiti zu
In Haiti eskaliert die Gewalt - bewaffnete Gangs griffen Regierungsgebäude an, zahlreiche Diplomaten verließen das Land. Nun haben die USA weitere Hilfen für den Krisenstaat beschlossen. Doch reicht das?
"Die Stimmen der Haitianer müssen ein zentraler Bestandteil bei jeglicher Lösung sein. Die Menschen müssen fühlen und wissen, dass sie eine wesentliche Bedeutung bei der Planung und Umsetzung haben", betonte Jamaikas Premierminister Andrew Holness. Angesichts der besorgniserregenden Lage in Haiti trafen sich gestern die Länder der karibischen Gemeinschaft CARICOM, um zu überlegen, wie man das Land aus der akuten Krise herausführen kann.
Eine einfache Lösung gibt es nicht. Seit Monaten wird darüber schon diskutiert. Auch US-Außenminister Antony Blinken war für das Treffen in Jamaika angereist.
Zusätzliche 100 Millionen für die Polizeimission
Die USA unterstützten die rasche Entsendung einer multinationalen Polizeimission, um die haitianische Polizei zu stärken und für Sicherheit zu sorgen - die Grundlage für die Abhaltung von freien und fairen Wahlen. Blinken versprach 100 Millionen US-Dollar, zusätzlich zu den bereits bereitgestellten 200 Millionen für die anstehende Polizeimission. Wann dieser Einsatz jedoch nun genau stattfinden soll, darüber wurde zunächst nichts bekannt.
Im Oktober letzten Jahres hatten die Vereinten Nationen grünes Licht für eine internationale Polizeimission unter kenianischer Führung gegeben. Diese verzögerte sich allerdings, weil der Oberste Gerichtshof in Nairobi die Mission zunächst blockierte. Doch laut des kenianischen Innenministers Kithure Kindiki steht dem Einsatz nun nichts mehr im Weg. Die rechtliche Grundlage sei nun gegeben. Zuletzt hatte auch Benin die Entsendung von rund 2000 Sicherheitskräften zugesagt.
Eskalation der Gewalt
Für die haitianische Bevölkerung ist der Zustand unerträglich geworden. Mittlerweile gibt es laut UN in Haiti 362.000 Binnenvertriebene. Die Banden vergewaltigen, morden und kidnappen, terrorisieren die Menschen, zünden ihre Häuser an. Die jüngste Gewalteskalation könnte auch als Warnung für die anstehenden internationalen Polizeieinsatz gewertet werden. Oder als Drohung, die sich an die haitianische Regierung richtet, zu verhandeln, so Beobachter.
Nachdem ein Zusammenschluss verschiedener Gangs für massive Unruhen und Gewalt in der Hauptstadt Port-au-Prince gesorgt hatte, war Premierminister Ariel Henry in der letzten Woche nicht mehr in der Lage in seine Heimat zurückzukehren. Er befand sich in dem Moment in Kenia, um die letzten Abkommen für die Polizeimission mit seinem Amtskollegen zu unterschreiben. Das Nachbarland Dominikanische Republik hatte aus Sicherheitsgründen die Einreise verweigert. Seither befindet er sich in Puerto Rico, wie es heißt.
Bandenführer stilisiert sich als Robin Hood
Der führende Bandenboss Jimmy Chérizier stilisiert sich derweil als Erlöser, eine Art Robin Hood, der das Land aus der Krise führen will. Er drohte vor Journalisten mit einem Bürgerkrieg, sollte Henry nicht zurücktreten.
Henry mangelt es zunehmend an Legitimation. Und auch die Internationale Unterstützung bröckelt. Er hatte die Regierungsgeschäfte nach der Ermordung von Jovenel Moïse vor knapp drei Jahren übernommen. Eigentlich hätte er schon im Februar zurücktreten müssen, hatte aber nun angekündigt, dass bis August nächsten Jahres Wahlen stattfinden würden. Seit 2016 hat es in dem Karibikstaat keine Wahlen mehr gegeben - es gibt kein gewähltes Parlament und keinen gewählten Präsidenten.
USA machen Druck auf Henry
Nun üben auch die Vereinigten Staaten, die ihm zuvor immer den Rücken gestärkt hatten, Druck aus. Henry solle den politischen Übergang so schnell wie möglich zu vollziehen: "Wir unterstützen den Plan eines breit angelegten, integrativen, unabhängigen Übergangsgremiums, um erste Schritte zu unternehmen und die unmittelbaren Bedürfnisse des haitianischen Volkes zu befriedigen."
Wie die ersten Schritte aussehen könnten, um diesem Ziel näher zu kommen, konkretisierte Blinken nicht. In den nächsten Tagen werden die Länder der karibischen Gemeinschaft CARICOM weiter beraten. Doch integrative Figuren, die die Führung des Landes übernehmen und den Karibikstaat aus der politischen und wirtschaftlichen Krise führen könnte, scheinen bislang nicht in Sicht.