Bandengewalt in Karibikstaat Haiti verhängt Ausnahmezustand
Haitis Regierung hat den Ausnahmezustand und eine Ausgangssperre verhängt. Die Maßnahmen sind eine Reaktion auf die Befreiung Tausender Krimineller aus Gefängnissen. Mehrere Gangs hatten diese gemeinsam überfallen.
Wegen der Eskalation der Bandengewalt in Haiti hat die Regierung den Ausnahmezustand und eine nächtliche Ausgangssperre für die Hauptstadt Port-au-Prince verhängt. Der Ausnahmezustand soll zunächst für 72 Stunden gelten und kann verlängert werden, wie die Regierung mitteilte. Die Ausgangssperre trat am Sonntagabend in Kraft und sollte bis Montagfrüh 5.00 Uhr gelten und dann von Montag bis Mittwoch jeweils von 18.00 Uhr bis 5.00 Uhr.
Die Regierung habe den Schritt in Reaktion auf die "Angriffe bewaffneter Banden auf die beiden größten Strafvollzugsanstalten des Landes" gemacht. Dabei waren am Samstagabend Tausende Häftlinge entkommen und mindestens ein Dutzend Menschen getötet worden. Die Kriminellen hatten ihren Angriff laut "Miami Herald" mit Drohnen vorbereitet, um sich über die Bewegungen der Gefängniswärter zu informieren und den besten Zeitpunkt für den Angriff zu bestimmen.
Mehr als 3.000 Kriminelle entflohen
Der Leiter des nationalen Netzwerks zur Verteidigung der Menschenrechte, Pierre Espérance, sagte, vor dem Angriff seien rund 3.800 Häftlinge in dem Nationalgefängnis der Hauptstadt inhaftiert gewesen, unter anderem wegen Entführung und Mordes. Am Sonntag seien es nur noch rund hundert gewesen. Auch mehrere Bandenanführer waren dort inhaftiert.
Außerdem seien dort auch kolumbianische Staatsbürger untergebracht gewesen, die als Verdächtige im Zusammenhang mit der Ermordung des haitianischen Ex-Präsidenten Jovenel Moïse im Jahr 2021 gelten.
Im Nationalgefängnis saßen Tausende Kriminelle ein, darunter auch Bandenchefs. Viele von ihnen wurden bei dem Angriff befreit.
Gangs schließen sich zusammen
Die jüngsten Angriffe sind offenbar Teil einer koordinierten Aktion krimineller Banden, die sich unter dem Namen "Vivre Ensemble" ("Zusammen leben") zusammengeschlossen haben. Die Gewalt hatte am Donnerstag begonnen.
Der mächtige Bandenchef Jimmy "Barbecue" Chérisier sagte in einem in Online-Netzwerken veröffentlichten Video, dass die gemeinsamen Aktionen rivalisierender bewaffneter Gruppen auf den Rücktritt von Regierungschef Ariel Henry abzielten.
Eskalierende Bandengewalt
Die Bandengewalt in dem Karibikstaat war zuletzt wieder eskaliert, nachdem Henry zu Gesprächen um einen internationalen Polizeieinsatz in Kenia war. Nach monatelangen Verhandlungen und einem juristischen Tauziehen unterzeichneten Vertreter beider Länder am Freitag ein entsprechendes Abkommen. Die kenianische Regierung will demnach 1.000 Polizeibeamte in den armen Karibikstaat entsenden.
Während der Abwesenheit des Regierungschefs legten kriminelle Banden in Teilen von Haitis Hauptstadt das öffentliche Leben mit Waffengewalt lahm. Schüsse fielen unter anderem am internationalen Flughafen. Mehrere Polizisten wurden nach Regierungsangaben getötet.
Jahrelange schwere Krise
Haiti steckt seit Jahren in einer schweren Krise, zu der neben Bandengewalt auch politische Instabilität und wirtschaftliche Not beitragen. Zuletzt wurden im Monat Januar nach UN-Angaben in Haiti mehr als 1.100 Menschen getötet, verletzt oder entführt.
Brutal agierende Gangs kontrollieren nach UN-Schätzungen rund 80 Prozent der Hauptstadt Port-au-Prince und weiten ihr Einflussgebiet zunehmend auch auf andere Teile des Landes aus. Die Gewalt verschärft die prekäre Versorgungslage - fast die Hälfte der elf Millionen Bewohner Haitis leidet laut Vereinten Nationen unter akutem Hunger.