Innenministerin in Südamerika Faeser reist zum Ursprung der Drogenkriminalität
Drogenkartelle haben Südamerika fest im Griff. Zunehmend schwappt deren Gewalt auch nach Europa über. Wie das verhindert werden kann, will Bundesinnenministerin Faeser in den kommenden Tagen vor Ort klären.
Das hatte die Welt noch nicht gesehen: eine Geiselnahme vor laufender Kamera. Anfang Januar überfallen maskierte Männer ein Fernsehstudio in der ecuadorianischen Hafenstadt Guyaquil - und das ganze Land schaut zu.
Ecuador versinkt in Gewalt: Statistisch gesehen wird jede Stunde ein Mensch ermordet - und das in einem Land, das lange Zeit als eines der friedlichen und stabileren in Südamerika galt.
Drogenkartelle haben den Kontinent fest im Griff. Die Kokainproduktion hat sich in den vergangenen zehn Jahren weltweit verdoppelt. Das meiste davon kommt aus Kolumbien, Bolivien und Peru. Auch die umliegenden Länder werden hineingezogen: In Ecuador, Chile und Uruguay kämpfen die kriminellen Banden jetzt um Märkte und Transportrouten.
Mächtiger als der Staat
Längst haben sie ihre Aktivitäten ausgeweitet, sagt der mexikanische Sicherheitsexperte Eduardo Guerrero. "Es gibt noch viele andere lukrative Geschäfte, wo sie mitmischen: Schutzgelderpressung, Raub und Menschenhandel zum Beispiel." Die Kartelle verfügten über hochmoderne Kriegswaffen und Technologie - häufig seien sie sogar besser ausgestattet als die staatlichen Sicherheitskräfte. "Es gibt Regionen, in denen der Staat nichts mehr zu sagen hat und die Kartelle die Macht übernommen haben", sagt Guerrero.
Mit den Milliardeneinkünften aus Drogenhandel und Schutzgelderpressungen sind die Kartelle so mächtig geworden, dass sie vielerorts Justiz, Sicherheitsbehörden und Parlamente unterwandert haben. Alle Versuche der letzten Jahrzehnte, diese Entwicklungen militärisch zu unterbinden scheiterten.
Viele Staaten hätten de facto kapituliert, beobachtet der Experte. "Ich sehe eigentlich keine Strategie, die funktioniert." Aber es herrsche offenbar auch kein Bewusstsein dafür, wie gefährlich das sei. "Denn diese kriminellen Gruppen infiltrieren den Staat. Sie bedrohen Politiker oder Kandidaten, die ihnen nicht genehm sind oder töten sie. Und damit gefährden sie demokratischen Strukturen", so Guerrero.
Die Gewalt kommt nach Europa
Vor diesem Hintergrund reist Bundesinnenministerin Nancy Faeser an diesem Sonntag nach Südamerika. In Brasilien, Peru, Ecuador und Kolumbien wird sie über internationale Kooperationen bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität beraten, denn die schwappt auch zunehmend nach Europa, sagt Faeser.
"Drogenbanden üben eine unfassbare Spirale der Gewalt aus. Ermittler in den Niederlanden und Belgien haben sogar Folterkammern entdeckt", sagte die Ministerin. Auch Journalisten und Staatsanwälte seien bedroht oder sogar ermordet worden - "und das mitten in Europa".
Allein in Deutschland wurden im vergangenen Jahr 35 Tonnen Kokain sichergestellt. Wie groß die tatsächlichen Mengen sind, können Ermittler nur erahnen. Vor allem der Hamburger Hafen gilt hier als das Einfallstor. Darum müssten die logistischen und finanzielle Strukturen der Drogennetzwerke zerschlagen werden - auf beiden Seiten des Atlantiks, fordert Faeser.
Hafenarbeiter für Drogenbanden interessant
"Wir sehen, wie Drogenbanden versuchen, Hafenarbeiter für ihre illegalen Deals einzuspannen", so die Innenministerin. Daher brauche es maximalen Ermittlungsdruck und gute Prävention. Behörden müssten Unternehmen besser über die Anwerbeversuche der Drogenkartelle aufklären.
"Die Betriebe müssen genau hinschauen, wer mit welcher Motivation bei ihnen anfängt. Mitarbeiter brauchen Ansprechstellen, an die sie sich vertrauensvoll wenden können, wenn Kriminelle Druck ausüben." Und Unternehmen müssten faire Löhne zahlen, damit das Geld aus Drogengeschäften nicht attraktiv für manche Beschäftigte ist.
Erste Station der Bundesinnenministerin ist an diesem Sonntag Brasilien.