Tod von Tschads Präsident "Rückschlag für die Stabilität im Sahel"
Nach dem Tod von Langzeitmachthaber Déby übernimmt das Militär die Macht im Tschad. Débys Regierung galt als unterdrückerisch, aber auch als wichtiger Partner der EU im Kampf gegen Terrorismus. Nun steht im Sahel ein Umbruch bevor.
Im tschadischen Staatsfernsehen werden zur Staatstrauer Verse aus dem Koran abgespielt. Präsident Idriss Déby sei tot, verkündete ein Militärsprecher: "Mit tiefer Bitterkeit verkünden wir dem tschadischen Volk am Dienstag, den 20. April 2021, den Tod des Marschalls von Tschad infolge seiner Verletzungen an der Front."
In den vergangenen Tagen war es zu Militäreinsätzen im Norden Tschads gekommen, weil Rebellengruppen vom nördlichen Nachbarstaat Libyen kommend eine Offensive gestartet hatten. Die tschadische Armee hatte verkündet, bei einem Einsatz mehr als 300 Rebellen getötet zu haben, die bis wenige hundert Kilometer vor die Hauptstadt N'Djamena vorgerückt sein sollen.
Nach dem Tod Débys und der Machtübernahme durch das Militär hat das Auswärtige Amt alle deutschen Staatsbürger "dringend" aufgerufen, das zentralafrikanische Land "umgehend" zu verlassen. Zudem wurde in einem aktualisierten Reisehinweis vor Reisen in den Tschad gewarnt. Es sei "mit politischer Instabilität und bewaffneten Auseinandersetzungen" zu rechnen.
Für deutsche Staatsangehörige, die sich im Tschad aufhalten, heißt es auf der Internetseite des Auswärtigen Amts: "Meiden Sie Demonstrationen und sonstige Menschenansammlungen weiträumig. Halten Sie sich von Armeekräften und bewaffneten Gruppen fern." Es sei geplant, die Botschaft in den kommenden Tagen zu schließen, sodass ab dann keine konsularische Unterstützung vor Ort mehr möglich sei.
Langzeitmachthaber seit 1990
Der 68-jährige Déby war erst Anfang der Woche bei Präsidentschaftswahlen mit großer Mehrheit und ohne Überraschung wiedergewählt worden. Er war 1990 durch einen Putsch an die Macht gekommen und hatte seitdem das zentralafrikanische Land regiert. Und so wäre es wohl nach seiner Wiederwahl noch lange weitergegangen: Durch eine Verfassungsänderung im Jahr 2018 hätte er noch bis 2033 an der Staatsspitze bleiben können.
Déby wurde vorgeworfen, Opposition und Regime-Kritiker zu unterdrücken. Proteste gegen seine erneute Präsidentschaftskandidatur waren in den vergangenen Monate verboten und von Sicherheitskräften unterbunden worden.
Als EU-Partner im Sahel hofiert
"Vor Ort bleibt die Sicherheitslage weiter besorgniserregend. Die terroristische Bedrohung erstreckt sich weit über das Gebiet des Tschadsees hinaus auf die gesamte Sahel- und Sahara-Region", hatte Déby auf der jüngsten Sahel-Konferenz vergangenen Februar verkündet, mit der er bei fünf Sahelstaaten um mehr Unterstützung für eine Militärallianz warb. Frankreich unterstützte ihn stets. Débys Soldaten hatten dafür 2013 den Franzosen geholfen, weite Teile Malis von Extremisten zurückzuerobern.
Der Tschad gilt als wichtiger Partner in der Sahel-Region, die über mehrere Landesgrenzen hinweg immer stärker vom Terrorismus bedroht wird. Terrorismus bekämpfen und illegale Migration verhindern - das war bisher Débys stärkstes Pfund bei ausländischen Partnern wie der EU.
Der "Boss im Sahel", wie er sich gern nennen ließ, stand auch für ein gewisses Maß an Stabilität. Sein Tod sei ein "Rückschlag für die Stabilität im Sahel" - das könne Auswirkungen auf die gesamte Region haben, warnte Thomas Schiller, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung im Sahel mit Sitz im malischen Bamako:
In der letzten Zeit gab es eine Reihe von Rückschlägen, die eine Stabilisierung der Region weiter erschweren: den Putsch in Mali, die chaotischen Zustände nach den Wahlen im Niger. Das führt dazu, dass es immer schwieriger werden wird, die gesamte Region stabil zu bekommen.
Unklar sei auch, so Schiller, wie es mit der Führung der G5-Sahel weitergehe. Das Staatenbündnis hat eine gemeinsame grenzübergreifende Eingreiftruppe gegen den sich ausbreitenden Terror in der Region, der Tschad hat zurzeit die Präsidentschaft inne.
Parlament und Regierung sind aufgelöst
Die Attacken von Rebellen im libyschen Grenzgebiet sind nichts Neues. Dort kommt es regelmäßig zu Angriffen durch Rebellengruppen. Bereits im Februar 2019 hatten Aufständische von Libyen her kommend versucht, Déby zu stürzen - und waren durch Einsätze französischer Kampfflugzeuge gestoppt worden.
Laut Informationen der Staatsmedien im Tschad sind Parlament und Regierung nach dem Tod des Präsidenten aufgelöst worden. Nun soll ein Militärrat unter der Leitung von Débys Sohn Mahamat den verstorbenen Präsidenten vorübergehend ersetzen. Nach einer 18-monatigen Übergangsphase soll es neue Wahlen geben.