Überflutungen in Westafrika Zwischen Cholera und Hunger
Hochwasser halten nicht nur Europa in Atem: Große Teile West- und Zentralafrikas erleben katastrophale Überschwemmungen. Mit dem Wasser steigt die Gefahr von Krankheiten und Ernährungskrisen.
Laut UNICEF sind vier Millionen Menschen in West- und Zentralafrika von Überflutungen betroffen. Mehr als 1.000 Todesopfer haben die Behörden bisher bestätigt.
Die Regierung von Nigeria, Afrikas bevölkerungsreichstem Land, spricht von den schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten. Besonders Städte im Nordosten des Landes, wo viele Geflüchtete vor Terror Zuflucht gesucht haben, sind betroffen.
Nach einem Dammbruch im Nordosten von Nigeria wurde die Stadt Maiduguri teils überflutet
Dammbruch im Nordosten Nigerias
In Maiduguri, der Hauptstadt des Bundesstaates Borno im Nordosten Nigerias, führten schwere Regenfälle zu einem Bruch des Alau-Damms. Die Folge: schwere Überschwemmungen in und um Maiduguri.
Die Fluten zerstörten Häuser, Felder und Vieh, rissen mindestens 30 Menschen in den Tod, verschlangen Hab und Gut, erzählen zwei betroffene Familienväter in Maiduguri der ARD.
Anwohner berichten vom Ausmaß der Zerstörung
"Unser Familienhaus ist komplett zusammengestürzt, nicht nur unser Haus - fast 45 Prozent aller Bewohner Maiduguris sind in einer oder anderen Weise von den Fluten betroffen", erzählt einer der Männer.
Selbst wenn man selbst verschont geblieben sei, habe es Familie und Freunde getroffen:
Wenn du durch Maiduguri fährst, wirst du Leute sehen, die nicht wissen, wo sie Zuflucht finden - und jetzt sind wir in der Regensaison. Wenn du in den Himmel schaust und Wolken siehst, tun dir die Leute leid, die kein Dach über dem Kopf haben.”
Eine halbe Millionen Menschen in Notunterkünften
"Gott war so gnädig, und kein Leben wurde genommen", berichtet der andere. "Aber unsere Lebensmittelvorräte und unser Hab und Gut sind zerstört. Ein großer Teil unseres Hauses ist betroffen, besonders die Toiletten. Durch die Flut sind nicht mehr genug Toiletten vorhanden."
Im gesamten Bundesstaat Borno wurden gut eine halbe Millionen Menschen in Notunterkünften untergebracht.
Geflohene Häftlinge, entkommene Krokodile
Die Wassermengen bringen aber eine Vielzahl an Problemen. Laut dem örtlichen Zoo in Maiduguri wurden gefährliche Tiere wie Krokodile oder Schlangen durch die Fluten in die Gemeinde gespült.
Sogar eine Gefängnismauer in Maiduguri wurde zerstört, sodass hunderte Insassen fliehen können, darunter laut Behörden Extremisten der Terrormiliz Boko Haram. Gleichzeitig sind wichtige Krankenhäuser in der Stadt betroffen.
Ärzte ohne Grenzen warnt vor Krankheiten
Jüngst schlug die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen Alarm und warnte vor einem Mangel an sauberem Wasser und medizinischer Versorgung. Die Angst vor Krankheiten wachse, erklärt Mathias Goemaere von Ärzte ohne Grenzen in Maiduguri.
Wir steuern auf massive Unterernährungskrise zu, da die Menschen und vor allem die Kinder durch akute Unterernährung bereits immungeschwächt und anfälliger für Krankheiten sind.".
Die Zahl der Malaria-Fälle sei in die Höhe geschossen. Das Gesundheitsministerium habe offiziell bekanntgegeben, dass Cholera-Fälle aufgetreten sind. "Das ist etwas, das wir akute wässrige Diarrhoe nennen, bevor es als Cholera diagnostiziert wird. Wir haben viele Fälle von akutem wässrigem Durchfall gesehen."
Meteorologe kritisiert mangelnde Vorbereitung
Laut Nigerias Regierung handelt es sich um die schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten. Ein Phänomen, auf das sich Länder wie Nigeria aufgrund des Klimawandels besser vorbereiten müssten, sagt Auwal Faruk Abdulsallam, Professor für Meteorologie und ökologische Nachhaltigkeit an der Kaduna State University in Nigeria.
"Überschwemmungen sind kein unerwartetes Ereignis, es ist ein jährliches Ereignis. Aber das Muster der Überschwemmungen hat sich völlig verändert, und die Vorhersagen und Klimaprojektionen deuten darauf hin, dass wir mehr unregelmäßigen Regenfall haben werden", sagt er.
Regen, der normalerweise in ein oder zwei Wochen fällt, falle dann in zwei Stunden oder innerhalb eines Tages, was unmittelbare Überschwemmung auslösen könne.
Mehr Schutz für Dämme gefordert
"Die Überschwemmungen des Jahres 2022 wurden bereits vollständig dem Klimawandel zugeschrieben", sagt der Professor. "Das bedeutet, dass die Gefahr besteht, dass es in Nigeria mehr Überschwemmungen geben wird, als bisher erwartet.”
Abdulsallam sagt, deshalb müssten die vielen Dämme in der Region besser gewartet und verwaltet werden. Denn die Wassermassen belasten vor allem Regionen, die sowieso schon mit Vielfachkrisen umgehen müssen.
Knappe Ressourcen, hoher Bedarf
So wie Maiduguri. Eine Stadt, die vor allem aufgrund von Terror bereits viele Geflüchtete aufgenommen hat. Das hat die Ressourcen in der Stadt nicht nur knapper, sondern auch teurer werden lassen.
Hinzu kommen die Inflation und schlechtere Ernten durch Klimawandel und nun - vermutlich - Ernteausfälle aufgrund der Überschwemmungen. Laut der Nothilfebehörde Nema wurden in Nigeria bislang mehr als 100.000 Hektar Agrarland überflutet. Das gesamte Ausmaß ist noch nicht abzusehen.