Südafrikas marode Infrastruktur "Zwei Wochen pro Monat ohne Wasser"
Marode Infrastruktur, Sabotage, Korruption - die Wasserkrise in Südafrika hat dieselben Gründe wie die Stromkrise. Doch mittlerweile bereitet der enorme Wassermangel den Menschen noch größere Sorgen.
70 Millionen Liter Trinkwasser verliert Südafrika jeden Tag durch Rohrbrüche. Die Zahl muss man sich erst einmal bewusst machen.
Auch andere Zahlen - "zwei Milliarden" zum Beispiel. Der staatliche Wasserversorger Johannesburg Water gab Mitte September bekannt, dass im Stadtgebiet jeden Tag zwei Milliarden Liter Wasser fehlen. Oder die Zahl 10.957. Das ist offiziellen Angaben zufolge die Kilometerlänge der Wasserrohre, die allein im Großraum Johannesburg repariert werden müssten - aber nicht wird.
Zwei Wochen im Monat kein Wasser
Die Anwohner sind sauer. Sandra Amadio, die am östlichen Rand der Johannesburger Innenstadt wohnt, ist seit dem 14. September ohne Wasser. "Viel besser war es davor auch nicht", sagte sie dem Nachrichtenportal "Daily Maverick". Sie sei es seit Jahren gewohnt, mindestens vier Tage im Monat kein Wasser zu haben. "In meiner Gegend sind es jetzt aber stets zwei Wochen pro Monat."
Funkinkosie Schriber, eine Anwohnerin aus demselben Stadtteil, sagte, sie habe sofort auf Hygiene für sie und ihre Kinder verzichtet: "Wir duschen uns schon lange nicht mehr. Und das, was der Wassermangel mit unseren Toiletten macht, das will ich Ihnen gar nicht beschreiben."
Im Rahima Moosa Mother and Child Hospital am westlichen Rand Johannesburgs haben sie einen Brunnen gebohrt und lassen sich Wasser in Tankwagen liefern, sonst könnten sie den Betrieb nicht aufrechterhalten.
Kein Löschwasser bei Bränden
Auch Schulen sind betroffen, viele mussten Mitte September schließen. Ein Lehrer des St Theresa's College im selben Stadtteil sagte im "Daily Maverick", die Einschnitte bei der Wasserversorgung hätten die Schüler in den letzten Wochen empfindlich getroffen. "Das Wasser wird plötzlich abgestellt und den Schülern wird nicht gesagt, warum. Sie haben kein Wasser, um sich die Hände zu waschen. Auf die Toilette zu gehen, ist umständlich geworden." Er hält es für unmenschlich, kein fließendes Wasser zu haben und sagt: "Ohne Wasser schadet das auch immens der Bildung, die Kinder können sich nicht mehr konzentrieren."
Etliche Brände im Stadtgebiet von Johannesburg konnten in den vergangenen Wochen nicht gelöscht werden, weil es kein Löschwasser gab. In vielen Haushalten stehen Dutzende von Fünf-Liter-Kanistern, lange im voraus befüllt, um das Notwendigste erledigen zu können.
17 Millionen Menschen sind im Großraum Johannesburg betroffen. Für sie, wie für alle Südafrikaner gilt jetzt "Level 1" auf der Verbotsskala: keine Autowäsche mit dem Wasserschlauch, kein Bewässern des Gartens, nur noch zwei Minuten pro Tag duschen. Aber wer soll das kontrollieren? Die Einschränkungen sollen bis zum 31. März 2024 wirksam bleiben.
Marode Infrastruktur, Sabotage, Korruption
Die Gründe für die Wasserkrise sind dieselben wie jene für die Stromkrise: marode Infrastruktur, Sabotage, Korruption. In vielen Städten und Gemeinden stammen die Wasserrohre und die Kanalisation noch aus den 1950er-Jahren. Seit Jahrzehnten wurden sie schlecht gewartet, oft gar nicht.
In der Millionenstadt Durban am Indischen Ozean hat die South African Human Rights Commission ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: Jahrzehntelang wurde die Wasserinfrastruktur vernachlässigt, Mafia-ähnliche Organisationen beherrschen das System, eine Katastrophe stehe bevor. Zudem werden an Tausenden Stellen landesweit die Wasserrohre illegal angezapft.
In der Hauptstadt Pretoria sollte ein Klärwerk saniert werden, die Ausschreibung belief sich auf viele Millionen Euro. Das Geld ist verschwunden, repariert wurde gar nichts, die Wasserqualität verschlechterte sich rapide. Vor einigen Monaten brach daraufhin in einem Township in der Nähe von Pretoria die Cholera aus, 15 Menschen starben, Dutzende mussten ins Krankenhaus. Cholerainfektionen erfolgen meist über verunreinigtes Wasser.
Wasserversorger beschuldigt die Menschen
Der Wasserversorger Rand Water, zu dem Johannesburg Water gehört, schob die Schuld zunächst auf die Bürger. Die würden zu viel Wasser verbrauchen. Außerdem habe ein Sturm viel Infrastruktur zerstört.
Das sei Unsinn, sagt der Wasserexperte Anthony Turton. "Wir können nicht den Bürgern die Schuld an der Krise geben. Es sind die Stadt- und Gemeindeverwaltungen, die versagt haben. Die Regierung müsse schnell in neue Infrastruktur investieren, die kommunalen Steuern müssten erhöht werden, ebenso der Preis für Wasser.
Bald kommt El Niño hinzu
Südafrika gehört zu den trockensten Ländern der Welt, es regnet nur halb so viel wie im weltweiten Mittel. In den vergangenen Jahren hat es aber eigentlich genug geregnet, die Speicher sind voll. Doch ab 2024 soll El Niño kommen. Das Wetterphänomen wird auch in vielen Teilen Südafrikas zu mehr Trockenheit führen, vor allem im Norden und im Inneren des Landes.
Optimisten glauben, dass es in diesem Sommer auf der Südhalbkugel noch keine gravierenden Folgen für Südafrika durch El Niño geben wird. Um die Jahreswende 2024-2025 aber könnte es schon ganz anders aussehen. "Level 6" der Einschränkungen würde dann bedeuten, dass private Haushalte ihren Wasserverbrauch um 45 Prozent reduzieren müssen - und landwirtschaftliche Betriebe sogar um 60 Prozent.