Russland beim BRICS-Gipfel Muss Südafrika Putin verhaften?
Zum Gipfel der BRICS-Staaten in Durban dieses Jahr wird wohl auch Putin kommen. Doch nach dessen Anklage in Den Haag ist Südafrika eigentlich verpflichtet, Putin festzunehmen. Wird das geschehen?
Die Regierung Südafrikas sitzt in der Klemme. Das Land ist dieses Jahr Vorsitzender des Staatenverbundes BRICS, dem außer Südafrika noch Brasilien, Russland, Indien und China angehören.
Der Verbund wurde 2006 gegründet und wollte sich als wirtschaftliche und politische Alternative zum als dominant empfundenen Westen positionieren. Im August wird im südafrikanischen Durban ein BRICS-Gipfel stattfinden, an dem auch die Staatschefs der fünf Länder teilnehmen sollen, darunter natürlich: Russlands Präsident Wladimir Putin.
Doch gegen den hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag am 17. März einen Haftbefehl erlassen, wegen der Verschleppung von ukrainischen Kindern nach Russland. Mit diesem Haftbefehl hat die südafrikanische Regierung nun ein Problem.
Denn Südafrika gehört zu den 123 Unterzeichnerstaaten des sogenannten Römischen Statuts, auf dessen Basis der IStGH gegründet wurde. Eigentlich müsste Südafrika Putin nach seiner Ankunft festnehmen lassen und nach Den Haag ausliefern. Aber wird Südafrika dies tun?
Verhaftung unvorstellbar
Nein, wird es nicht. Es ist völlig unvorstellbar, dass Südafrika Putin verhaften würde. Also wird jetzt ein Ausweg aus der Klemme gesucht. Vor wenigen Tagen sagte Dmitri Peskow, der Sprecher Putins, man habe noch keine Entscheidung über die BRICS-Teilnahme gefällt.
Die Moskauer Nachrichtenagentur Interfax berichtet, Südafrika habe bestätigt, dass Putin nach wie vor eingeladen sei. Eine russische Business-Webseite spekuliert über mögliche Alternativen: Könnte ein virtueller Gipfel veranstaltet werden? Könnte Südafrika eine spezielle Immunität für Staatschefs einrichten? Könnte es sogar das Römische Statut verlassen, auf dessen Basis der IStGH eingerichtet wurde?
Die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor sagte am Rande einer bilateralen russisch-südafrikanischen Wirtschaftstagung: "Wir werden uns Russland auf Geheiß anderer nicht zum Feind machen."
Mit den "Anderen" war wieder einmal der Westen gemeint, unter dessen Einfluss der IStGH angeblich steht. Kritik am Westen, also vor allem an den USA und an der EU, nimmt in vielen Saaten Subsahara-Afrikas deutlich zu.
Präzedenzfall: Besuch von al Baschir
Einen ähnlich gelagerten Fall gab es in Südafrika schon einmal. Im Juni 2015 hielt die Afrikanische Union (AU) in Südafrika ein Gipfeltreffen ab. Anwesend war auch der damalige sudanesische Präsident Omar al Baschir, gegen den der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl erlassen hatte.
Al Baschir konnte ungehindert in Südafrika einreisen und ebenso ungehindert das Land wieder verlassen. Die südafrikanische Regierung begründete das unter anderem damit, dass das Gipfeltreffen der AU zwar auf südafrikanischem Boden stattgefunden habe, Südafrika aber nicht der Gastgeber gewesen sei, sondern eben die AU.
"Das war damals schon eine wacklige Begründung", sagt dazu Priyal Singh vom Institute for Security Studies in Pretoria. "Und diesmal würde sie erst recht nicht funktionieren, denn diesmal ist Südafrika eindeutig der Gastgeber."
Regierung spielt Problem herunter
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa hat die Angelegenheit heruntergespielt. Man habe noch viel Zeit, zu gegebener Zeit werde man schon zu einem Ergebnis kommen. Kein Wunder, ist doch nach heutigem Stand nicht klar, wie dieser Balance-Akt bewältigt werden kann.
Auf der einen Seite hat Südafrika historisch große Sympathien für Russland. Die damalige Sowjetunion hatte die heutige Regierungspartei und damalige Widerstandsbewegung ANC bei ihrem Kampf gegen die Rassentrennung tatkräftig unterstützt.
Auf der anderen Seite ist Südafrika wirtschaftlich auf den Westen angewiesen. Bis jetzt gibt es keine Anzeichen dafür, dass Südafrika wirtschaftliche Sanktionen drohen könnten. Aber das Land stellt sich bei Russlands Krieg gegen die Ukraine immer eindeutiger auf die Seite Russlands.
"Bis zum Gipfeltreffen werden wir mit den verschiedenen relevanten Akteuren in Kontakt bleiben", sagte Regierungssprecher Vincent Magwenya. "Wir nehmen den Bericht über den Haftbefehl, den der IStGH ausgestellt hat, zur Kenntnis."
Auf jeden Fall wäre der russische Präsident das erste amtierende Staatsoberhaupt, das jemals verhaftet und ausgeliefert würde. Für morgen hat Russlands Außenminister Sergej Lawrow die BRICS-Botschafter zu einem Frühstück eingeladen.