Söldner im Sahel Russland umschmeichelt Afrikas Putschisten
Russland baut seinen Einfluss in Afrika beständig aus. Seit der Umbenennung der Wagner-Truppe in "Afrikakorps" hat ihre Bedeutung dort sogar zugenommen. Vor wenigen Tagen sind etwa 100 Soldaten im Sahel-Staat Niger eingetroffen.
Deutlicher hätte die Botschaft kaum ausfallen können: "Nieder mit dem US-Imperialismus", riefen die Demonstrierenden, die am vergangenen Wochenende durch die Straßen von Nigers Hauptstadt Niamey zogen. Die unmissverständliche Forderung der Unterstützer des nigrischen Militärregimes: Die Amerikaner sollten ihre noch etwa 1.000 Soldaten aus dem Land abziehen und ihre im Antiterrorkampf strategisch wichtige Drohnenbasis schließen.
Welch ein Kontrast zu dem Wohlwollen, mit dem nur zwei Tage davor die Ankunft der ersten russischen Soldaten in Niger bedacht wurde. Das unter Kontrolle der Regierung stehende Staatsfernsehen zeigte eine Iljuschin-76-Transportmaschine auf dem nächtlichen Rollfeld in Niamey beim Entladen von Material. Und zwei weiße Männer mit Mützen und Uniform, die ihre Tarnfleck-Halstücher in Cowboy-Manier über die Münder gezogen hatten: "Wir sind hier, um die nigrische Armee auszubilden", erklärt einer der Männer. Es gehe darum, die militärische Zusammenarbeit zwischen Russland und dem Niger weiterzuentwickeln.
"War nur eine Frage der Zeit"
Da war er also, der für alle Welt sicht- und hörbare Beweis, dass Moskau nach Mali und Burkina Faso nun also auch im dritten von Putschisten regierten Sahel-Staat seinen Fuß- beziehungsweise Militärstiefel-Abdruck hinterlassen würde. In Niger harren derzeit auch noch rund 100 Bundeswehr-Soldaten an einem Lufttransport-Stützpunkt aus, über dessen Zukunft noch nicht endgültig entschieden ist.
Dass Russland seinen Einfluss auch auf Niger ausweiten würde, war aus Sicht des Analysten Nicodemus Minde vom Institute for Security Studies nur eine Frage der Zeit: "Wenn Sie sich neueste Studien zu russischen Desinformations-Kampagnen ansehen, dann zeigen die Recherchen, wie sehr Russland bereits den Militärcoup beeinflusst hatte."
Ende Juli 2023 hatte sich die Präsidentengarde in Niger an die Macht geputscht, womit Deutschland, Frankreich und Europa quasi über Nacht einen ihrer vermeintlich verlässlichsten Partner im Sahel verloren.
Russland umschmeichelt autoritär geführte Staaten
Eine ganze Region verschränkt die Arme vor dem Westen - und öffnet sie für Russland. Was Moskau davon hat, das sich seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine aus internationaler Isolation befreien will, liegt auf der Hand: "Es spielt sich zwischen den großen Mächten eine Art Wettkampf ab, der global, aber auch hier auf dem Kontinent ausgetragen wird - zwischen Russland, Frankreich, den USA, der Europäischen Union und China", erklärt Minde.
Es ist ein Machtkampf, der ideologisch wie wirtschaftlich stattfindet. In Zentralafrika ist Moskau schon sehr lange aktiv, in Libyen ebenfalls. Aus Mindes Sicht sucht Russland mithilfe einer aggressiven Charmeoffensive sich in Afrika auszudehnen. Dabei umschmeichelt es zuletzt vor allem autoritär geführte Staaten.
Da sich die Putsch-Regierungen in Mali, Burkina Faso und Niger im Rekordtempo von ihren europäischen Partnern entfremdeten, sah der Kreml offensichtlich die Chance gekommen, auch in diese Lücke zu stoßen und gleichzeitig den Europäern eins auszuwischen. Aber, gibt Ulf Laessing zu bedenken, der die Konrad-Adenauer-Stiftung im malischen Bamako leitet: "Die Russen machen nichts umsonst. Anders als wir mit der Entwicklungshilfe."
Im Kern ist es ein Tauschgeschäft, das die russischen Söldner den Putschisten anbieten: Wir helfen Euch im Kampf gegen die Terrormilizen. Vor allem aber: Wir sorgen dafür, dass Ihr an der Macht bleibt. Im Gegenzug entlohnt Ihr uns mit Geld und Bodenschätzen.
Erst kürzlich kursierten Fotos von russischen Söldnern, die sich eine Goldmine im Norden Malis, in Gao, sicherten - genau da, wo bis Mitte Dezember noch die Bundeswehr stationiert war.
Enttäuschung über Westen und UN
Nun stellt sich für den Westen rückblickend die unangenehme Frage, ob er nicht in gewisser Weise als Türöffner für russische Kräfte fungierte: "Es gibt eine große Debatte darüber, wer eigentlich wen im Stich gelassen hat", sagt Vincent Foucher von der Denkfabrik Crisis Group. Auch wenn sie für einen gewissen Grad an Stabilität sorgten - die Bundeswehr und die UN-Blauhelme haben es nicht vermocht, in Mali die Ausbreitung der Terroristen von Al-Kaida und des IS zu verhindern.
Auch beklagte sich die malische Armee wiederholt, sie erhalte weder die benötigten Waffen noch würden die UN-Truppen Seite an Seite mit ihnen in den Kampf gegen Terroristen ziehen. Das sah der Blauhelm-Auftrag auch gar nicht vor - die russischen Söldner tun aber genau das. Mit fatalen Folgen und ohne Rücksicht auf Zivilisten: Organisationen wie Human Rights Watch werfen den Söldnern massive Menschenrechtsverletzungen und sogar systematische Tötungen in Mali vor.
Zahlt sich die Präsenz für Russland aus?
Bei all dem scheint die Umbenennung der ehemals als "Wagner"-Truppe bekannten Söldner in "Afrikakorps" nach dem Tod ihres Chefs Jewgeni Prigoschin den russischen Aktivitäten in Afrika keinerlei Abbruch getan zu haben. Im Gegenteil - die Ausweitung nach Niger mit zunächst etwa 100 Mann ist dafür der beste Beweis.
Dass die Ex-Wagner-Soldaten nun direkt und ganz offiziell dem Verteidigungsministerium in Moskau unterstehen, ist aus Sicht der Sahel-Staaten eher von Vorteil, meint Ulf Laessing: "Mali wollte nie etwas mit Söldnern zu tun haben. Das gleiche gilt in Burkina Faso: Die Regierung hat sich erst dazu entschlossen, mit dem neuen 'Afrikakorps' zusammen zu arbeiten, als es offiziell Teil des russischen Staates wurde."
Ein gewisses Risiko birgt das für Moskau allerdings auch: Bei neuen Menschenrechtsverstößen wird es nicht mehr so leicht wie früher vorgeben können, mit den Soldaten vor Ort offiziell nichts zu tun zu haben.
Eine ganz andere Frage ist, ob sich die neue Freundschaft für die Putschregierungen langfristig auszahlt: Das Terrorismus-Problem in den Griff zu bekommen, ist eine Sisyphos-Arbeit, die etwa 1.000 russische Söldner in Mali kaum werden bewältigen können. Und auch in Niger war die Zahl der Anschläge zuletzt stark gestiegen.
Es gibt also keine Garantie, dass sich Menschen und Regierungen im Sahel nicht irgendwann auch von Moskau entfremden. Vorerst allerdings vergrößert sich der russische Fußabdruck im selben Maße, wie der europäische schwindet.