Svenja Schulze und Omar Alieu Touray
analyse

Schulze in der Sahelzone Hilfsgelder als Hebel am Verhandlungstisch

Stand: 18.08.2023 14:37 Uhr

Vier Tage lang war Ministerin Schulze in der Sahelzone. Die Krise in Niger macht vielen in der Region Sorgen. Deutschland will Hilfsgelder als Hebel in Verhandlungen mit den Putschisten nutzen - kann das funktionieren?

Von Viktoria Kleber und Nina Amin, ARD Berlin

Die Fischverkäuferinnen am Hafen von Nouakschott haben alles vorbereitet. Sie wissen, dass Besuch aus Deutschland kommt. Überall stehen volle Körbe und Kisten mit dem frischen Fang. Es herrscht dichtes Gedränge. Als Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze ankommt, bildet sich schnell eine Traube von Fischverkäuferinnen um sie.

Deutschland, so erzählen einige von ihnen hier, habe geholfen, ihre Situation zu verbessern. Es gibt nun Boxen, in denen der Fisch sauber transportiert und verkauft werden kann. Und die Fischverkäuferinnen haben gelernt, ihn zu vermarkten. Dafür ist auch Lalla Souleymane der Bundesentwicklungsministerin dankbar. Auch wenn sie bemängelt, dass es noch einiges zu tun gibt. "Vieles fehlt", meint die energische Mauretanierin. "Wie beispielsweise Kühlräume oder Gefriermöglichkeiten." Dann könnte sie den frischen Fang noch besser verkaufen.

Schulzes Mantra: Jobs und Perspektiven schaffen

Arbeitsplätze schaffen, das ist eines der großen Ziele, die die Entwicklungsministerin in der Sahelzone verfolgt. In einer Region, in der der Großteil der Bevölkerung unter 25 Jahre alt ist, will sie dabei unterstützen, Perspektiven zu schaffen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf ländlichen Gebieten. "Ich bin froh, wenn wir es schaffen, dass es ein bisschen stabiler wird. Dass lokale Strukturen entstehen, eine Kommunalverwaltung, die Wasserleitungen baut, die sich um die Gesundheitsversorgung kümmert. Das ist hier das Epizentrum des Terrorismus, aber die Terroristen bauen hier keine Wasserleitungen", so Schulze.

Svenja Schulze im Gespräch mit Arbeiterinnen einer Fabrik in Abuja.

Entwicklungsministerin Schulze im Gespräch mit Arbeiterinnen in der Cassanovas-Fabrik in Nigerias Hauptstadt Abuja, wo aus Maniok Chips hergestellt werden

Dass sich der Terror und extremistische Gruppen weiter ausbreiten, das macht in der Region große Sorgen. Noch mehr, seit in Niger die Putschisten an der Macht sind. "Wir müssen als Sahel-Staaten nun zusammenhalten und den Dialog weiter vertiefen, auch mit Niger", sagt der mauretanische Wirtschaftsminister Abdesselam Saleh, als er mit Schulze vor die Presse tritt. Und auf Dialog hofft auch die Entwicklungsministerin.

Hilfe soll an friedliche Machtübergabe geknüpft werden

Nach Mauretanien reist sie deshalb nach Nigeria, dem Sitz der ECOWAS, der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft. Als Schulze landet, muss alles sehr schnell gehen. Die Politiker und Politikerinnen der ECOWAS sind sehr gefragt in diesen Tagen. Sie versuchen mit den Putschisten in Niger zu verhandeln und machen zeitgleich deutlich: Sie sind bereit zur militärischen Intervention. Schulze kommt als Präsidentin der Sahel-Allianz an. Ein Bündnis aus 18 Ländern, das die Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam koordiniert, um schlagkräftiger zu sein.

Seit dem Militärputsch haben die Länder der Sahel-Allianz die Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit in Niger eingefroren - auch Deutschlands Projekte sind auf Eis gelegt. Dafür bedankt sich der Präsident der ECOWAS, Omar Touray, in den Gesprächen bei Schulze. "Er hat aber auch eingefordert, dass wir weiter solidarisch sind, weil der Druck jetzt aufrecht erhalten werden muss. Das ist etwas, was ich auch zugesagt habe", sagt Schulze.

Was sie meint: Deutschland und andere Geberländer möchten die Hilfszahlungen als Hebel nutzen. Wenn die ECOWAS und die Afrikanische Union mit den Putschisten aus Niger verhandeln, können die Gelder auch an eine friedliche Machtübergabe geknüpft werden. Geld gegen Frieden und Rückkehr zur Demokratie - kann das funktionieren? Karina Mross vom German Institute of Development and Sustainability (IDOS) ist überzeugt, dass es ein Pfund am Verhandlungstisch sein kann. "Ungefähr 40 Prozent des Staatshaushalts in Niger stammen von internationalen Gebern. Das werden die neuen Machthaber durchaus zu spüren bekommen." Ob die Strategie aufgeht? Mross sieht auch die Gefahr, dass die Putschisten sich andere Länder zur Kooperation suchen, die die Finanzlücke füllen.

Kooperationen statt Entwicklungszusammenarbeit?

Der Afrikawissenschaftler Robert Kappel ist von der Strategie der Bundesentwicklungsministerin nicht überzeugt. Er fordert ein grundlegendes Umdenken. Milliarden Euro von internationalen Geldern seien in den letzten Jahren in die Sahelzone geflossen und versickern, meint der Professor der Universität Leipzig. Es sei Zeit für ein Umdenken, weg vom Thema Armutsbekämpfung hin zu Wirtschaftskooperationen. "Wir brauchen Investitionen in Technologie, industrielle Kooperationen. So sehr ich es begrüße, dass man Fischer unterstützt, entscheidend ist die Kooperation mit Unternehmen, damit man die Jobs der Zukunft schafft." Die Zeit eile, denn China sei schon lange da. Die globale Machtverschiebung zeige sich ganz besonders in der Sahelzone.

Schulze ist überzeugt davon, dass sie mit ihrem Konzept richtig liegt. Immer wieder werde ihr das aus der Region zurückgespiegelt. "Wir haben ein Interesse daran, wirklich gute Partner zu sein. Jetzt tun wir das aus einem Gefühl heraus, dass wir die Stärkeren sind. Das ist aber eine stark wachsende innovative Region. Wenn wir in Zukunft mit dieser Region zusammenarbeiten wollen, ist es heute wichtig, das partnerschaftlich zu tun." Mit ihrer Reise wolle sie auch ein symbolisches Zeichen setzen: Als Partner ist Deutschland auch in schwierigen Zeiten da.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 17. August 2023 um 20:00 Uhr.