Abkommen mit Großbritannien Was Ruandas Bürger über den Asyldeal denken
Noch ringt Großbritannien darum, ob Flüchtlinge nach Ruanda abgeschoben werden dürfen. Ruandas Präsident Kagame sagt, in seinem Land sei alles dafür bereit. Wie willkommen wären die Abgeschobenen?
Er habe gegen das Gesetz gestimmt, das die Abschiebung von Geflüchteten aus dem Vereinigten Königreich ins ostafrikanische Ruanda regelt, sagt Frank Habineza - Abgeordneter im ruandischen Unterhaus und Vorsitzender der oppositionellen Demokratischen Grünen Partei Ruandas.
Es ist nicht so, dass Habineza per se gegen Geflüchtete ist, nur die britischen will er nicht, denn, so sagt er, "diese Menschen können nicht frei entscheiden, ob sie nach Ruanda kommen wollen. Sie werden gezwungen. Das verstößt gegen ihre Menschenrechte." Nicht viele äußern sich so offen gegen die Regierung wie Habineza.
Foltervorwürfe gegen Kagame
Der Autokrat Paul Kagame führt das Land seit 2000 mit harter Hand. Immer wieder werfen Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch Kagame vor, dass Andersdenkende bedroht, inhaftiert und gefoltert werden. Einige Kritikerinnen und Kritiker sind schon verschwunden oder starben unter ungeklärten Umständen.
2018 waren zwölf Geflüchtete aus der Demokratischen Republik Kongo, darunter Schwangere, von ruandischen Sicherheitskräften erschossen worden, als sie für eine bessere Essensversorgung demonstriert hatten. Auch deshalb hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den ersten geplanten Abschiebeflug aus London gestoppt. Der britische Supreme Court sah Ruanda ebensowenig als sicheren Drittstaat an.
Nachgefragt auf der Straße
Anders als Oppositionspolitiker Habineza trauen sich die wenigsten Bürgerinnen und Bürger in Ruanda offen ihre Meinung zu sagen. Vielleicht ist der Grundtenor auf den Straßen der Hauptstadt Kigali auch deshalb eher positiv. Eine Frau freut sich über den Asyl-Deal: "Wir lieben Gäste, denn sie sind ein Segen. Sie bringen frische Energie nach Ruanda." Auch gebe es ihrer Ansicht nach für die Geflüchteten ausreichend berufliche Perspektiven.
Ein Mann widerspricht: "Mehr Menschen in Ruanda, ohne dass Arbeitsplätze geschaffen werden, wird in einem Desaster enden." Aktuell liegt die Arbeitslosigkeit in Ruanda bei 15 Prozent.
Kein Platz im Land?
Habineza wirft auch die Platzfrage auf: Ruanda, kaum größer als Sizilien, hat 13 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Das Bevölkerungswachstum in den vergangenen 30 Jahren war enorm und dürfte UN-Schätzungen in den kommenden 25 Jahren noch weiter ansteigen.
Sollte jetzt das Vereinigte Königreich tausende Geflüchtete nach Ruanda ausfliegen, könnte es eng werden, befürchtet Habineza: "Ruanda ist das am dichtesten besiedelte Land in Afrika. Also haben wir nur begrenzt Platz."
Eine Sorge, die auch andere Menschen teilen: "Mehr Menschen im Land werden zu einem höheren Bevölkerungsdruck führen. Das wird unser aller Leben erschweren." Andere wiederum halten die Befürchtungen für überhöht, kein Land sei zu klein, dass es Menschen in Not nicht helfen könne.
In einem Gebäude am Ende dieser Straße in Kigali (Ruanda) sollen irgendwann abgeschobene Flüchtlinge untergebracht werden. Die Bevölkerung ist darüber gespalten.
Ruanda profitiert - finanziell
Großbritannien will an Ruanda umgerechnet 440 Millionen Euro für die Aufnahme dieser Menschen zahlen. Das Geld geht in einen Fonds zur wirtschaftlichen Entwicklung Ruandas. Hinzu kommen noch einmal rund 175.000 Euro pro Geflüchteten.
Ein Deal, der sich für beide Seiten rechnen dürfte. Vor allem aber könnte Ruanda sich als verlässlicher Partner des Westens etablieren. Das meint auch ein Mann, der in der Hauptstadt bereit ist, sich zu dem Thema zu äußern: "Unsere Regierung wird Gelder einnehmen, die dann der Entwicklung unseres Landes zugutekommen, zum Beispiel in der Infrastruktur."
Ein anderer befürchtet allerdings, dass er davon nicht profitieren wird: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf den Dörfern, also dort, wo die Menschen ums Überleben kämpfen, überhaupt irgendwas ankommt."
Profilierung als Partner
Auch Habineza glaubt nicht daran: Natürlich würden die Bauherren und Versorger der Geflüchtetenunterkünfte finanziell profitieren, aber die allermeisten Menschen in Ruanda eben nicht. Und die seien eben nicht alle auf Linie mit Präsidenten Kagame, der im Land selbst nie um Zustimmung für die Pläne gefragt hat. Stattdessen verspricht er vollmundig, alles für die Aufnahme der Geflüchteten aus dem Vereinigten Königreich vorbereitet zu haben. Man warte nur noch auf die finale Zustimmung der britischen Entscheider. Und eines hat Kagame auch jetzt schon erreicht: Ruanda auf die Weltkarte zu bringen - als zuverlässigen Partner inmitten einer instabilen Weltregion.
"Ruanda und seine Regierung werden als das Land gepriesen werden, das Flüchtlingen Asyl gewährt. Wir werden sichtbarer und viele Menschen werden uns kennen", jubelt ein Bürger Kigalis. Das Ziel ist selbst ist jetzt schon erreicht. Das "Ruanda-Modell" ist auch bei einigen deutschen Politikerinnen und Politikern inzwischen zu einem Gedankenspiel geworden. So sprach sich CDU-Vize Jens Spahn Ende 2023 dafür aus, Geflüchtete unter anderem nach Ghana oder Ruanda abzuschieben.
Möglicherweise könnte also in absehbarer Zeit eine Bundesregierung prüfen, ob Abschiebungen nach Afrika für ein dorthin ausgelagertes Asylverfahren realistisch sind. Gut möglich, dass Ruanda sich auch in diesem Fall anbieten würde.