Besondere Wärmepumpe Dänen heizen mit Meerwasser
In Dänemark ist die weltweit größte Wärmepumpe in Betrieb gegangen, die Meerwasser nutzt. Der Betreiber will 100.000 Menschen ohne fossile Brennstoffe mit Wärme versorgen - ist die Anlage ein Vorbild für Deutschland?
Die industrielle Wärmepumpe ersetzt das stillgelegte Kohlekraftwerk der Stadt Esbjerg an der Nordseeküste. Jedes Jahr soll sie 280.000 Megawattstunden an Wärme für 25.000 Haushalte bereitstellen. Das Besondere: Sie nutzt als Wärmequelle Meerwasser.
Selbst im Winter, "auch bei niedrigsten Temperaturen, wenn die Nordsee vier Grad oder weniger hat, können wir immer noch Energie aus der Nordsee ziehen und weit über 90 Grad warmes Wasser der Stadt und den Einwohnern zur Verfügung stellen", berichtet Tobias Hirsch vom Anlagenbauer MAN Energy Solutions in Zürich.
4.000 Liter pro Sekunde aus der Nordsee
Die Anlage zieht pro Sekunde 4.000 Liter Wasser aus der Nordsee und entzieht dem Wasser gut drei Grad Wärme mittels eines Wärmetauschers. Damit wird die Wasserwärme auf das Kältemittel Kohlendioxid übertragen - das Kohlendioxid verdampft, wird also gasförmig. Das Gas wird anschließend auf einen Druck von 120 Bar komprimiert und so entsprechend erhitzt.
Die dafür nötige elektrische Energie wird über Windkraftanlagen bereitgestellt. Über einen zweiten Wärmetauscher wird die Hitze des Kohlendioxids auf das Heizungswasser übertragen. Letztlich, so Tobias Hirsch, funktioniere das wie ein Kühlschrank, der auch permanent dem Kühlschrank-Inneren Wärme entziehe - nur eben umgekehrt.
Für den Experten für Energiesysteme Hartmut Spliethoff von der Technischen Universität München ist das ein äußerst effizientes System: "Eine Wärmepumpe macht aus einem Teil Strom drei bis sechs Teile Wärme im Bereich von 30 bis 60 Grad. Eine solche Anlage ist grundsätzlich sinnvoll und ermöglicht den Einsatz von erneuerbarem Strom."
Sinnvoll bei bestehendem Fernwärmenetz
Wärmepumpen, die die Wärme aus dem Wasser statt der Luft entnehmen, hätten zudem den Vorteil, so Spliethoff, dass die Ausgangstemperatur höher ist. Meerwasser ist im Winter oft wärmer als die Luft; das Gleiche gilt für Flüsse und Seen, die laut Spliethoff oft 8 bis 10 Grad im Schnitt wärmer sind.
Daher sind Flüsse und Seen in Deutschland eine gute Abwärmequelle, stimmt Energie-Experte Martin Pehnt vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg IFEU zu: Groß-Wärmepumpen seien "eine sowohl ökologisch sehr sinnvolle, als auch ökonomisch attraktive Option".
Sie seien vor allem dort sinnvoll, wo es bereits ein Fernwärmenetz gibt und der Anbieter auf erneuerbare Energien umstellen will. Großanlagen sind auch dann sinnvoll, wenn es für kleine Wärmepumpen keinen Platz in der Stadt gibt, oder viele Wärmepumpen in Wohnanlagen zu laut sind.
Abwärme aus Flüssen
Rosenheim hat als wohl erste deutsche Stadt Flusswasser-Wärmepumpen installiert und nutzt die Abwärme des dortigen Mühlbachs. Die Groß-Wärmepumpe ist Teil eines Kraft-Wärme-Koppelungssystems, zu der auch Elektrokessel und Gasmotoren gehören.
Durch die Kombination, so Götz Brühl von den Stadtwerken Rosenheim, könne man flexibel und schnell auf Änderungen des Stromangebotes und des Preises reagieren, weil die Wärmepumpen schnell hoch und runtergefahren werden können: "Wenn zu wenig Strom produziert wird, können wir mit der Kraft-Wärme-Kopplung zusätzlichen Strom produzieren und wenn Strom im Überfluss da ist, können wir die Wärmepumpe nehmen, um daraus Wärme zu gewinnen."
So könne man ökologisch und auch wirtschaftlich optimal fahren und mehr als ein Drittel der 40.000 Rosenheimer Haushalte mit Fernwärme versorgen. Die Anlage in Dänemark hat für den Fall überschüssigen Stroms sogar einen Wärmespeicher installiert. Dieser Speicher kann laut Anlagenbauer Hirsch beladen werden, wenn der Bedarf der Wärme niedriger ist.
Skandinavien Vorreiter, Deutschland hinkt hinterher
Erst wenige deutsche Städte haben solche Groß-Wärmepumpen installiert. Mannheim beispielsweise hat eine Flusswasser-Wärmepumpe für 15 Millionen Euro gebaut, die rechnerisch 3.500 Haushalte versorgt. Und MAN, die die Anlage in Dänemark errichtet haben, bekamen jetzt den Zuschlag der RheinEnergie, für Köln eine 150 Megawatt-Anlage zu bauen. Sie soll ab 2027 rund 50.000 Kölner Haushalte versorgen, gespeist mit Wärme des Wassers aus dem Rhein.
Skandinavien, so Martin Pehnt vom IFEU, ist Deutschland Jahre voraus, dort habe man kontinuierlich seit vielen Jahren an der Energie- und Wärmewende gearbeitet - egal unter welcher Regierung. Deswegen sei es jetzt auch wichtig, stabile Rahmenbedingungen in Deutschland zu schaffen und nicht wieder Anbieter und Kunden durch neue Diskussionen um das Heizungsgesetz zu verunsichern.
Wasserentnahme für Flüsse ein Umweltproblem?
Pehnt sieht auch keine negativen Folgen für die Flora und Fauna der Flüsse. Es würde nur wenig Wasser entnommen und dann auch dem Fluss wieder zurückgegeben. Im Rosenheimer Mühlbach, bestätigt Götz Brühl, würde das zurückgeleitete Wasser nur "im Bereich von einem Zehntel Grad" kühler wieder eingeleitet. Das örtliche Wasserwirtschaftsamt würde das sogar gut finden, da die Bäche und Flüsse eher unter zu großer Wärme leiden.
Für Köln werde eine "Fischhebeanlage" geplant, so Tobias Hirsch von MAN. Damit sollen Fische, die in den Zulauf der Wärmepumpe gelangt sind, unbeschadet wieder zurück ins Hafenbecken gelangen.