Klimakonferenz in Bonn Streit statt Notfallmodus
Die Zwischenverhandlungen in Bonn haben laut Beobachtern die Weichen für die Weltklimakonferenz in Dubai nicht stellen können. Umweltverbände kritisieren Streit über die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen.
Bis kurz vor Schluss hatten sich die Delegierten nicht auf eine Tagesordnung einigen können. Dabei ist das relevant dafür, ob das in Bonn Besprochene auch formal auf der Weltklimakonferenz in Dubai beachtet wird. Am Mittwoch legten die Verhandlungsparteien zwar einen Kompromiss vor. Sie entschieden sich allerdings dagegen, Emissionsminderung und Klimafinanzierung noch zusätzliche Zeit zu widmen.
Klimaschutz nicht im Zentrum?
Laut David Ryfisch von der Umweltorganisation Germanwatch wollen einige Staaten - darunter auch die Vereinigten Arabischen Emirate, die die Präsidentschaft der Klimakonferenz in Dubai diesem Jahr innehaben - vermeiden, dass Klimaschutz ins Zentrum der Konferenz gerät: "Weil es die massiven Gewinne gefährden würde, die insbesondere die öl- und gasexportierenden Länder in den letzten zwei Jahren eingefahren haben."
Der Streit über die Tagesordnung sei ein Symbol für die Spannungen auf der Konferenz in Bonn, sagt Susann Scherbarth vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND): "Egal welches Thema, egal in welchem Raum, es gab keinen Konsens über erhöhte und angemessene Gelder für diejenigen, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind." Dabei - das hatten viele Beobachter im Vorfeld gefordert - müsse schon jetzt darüber geredet werden, wie konkrete Klimafinanzierung aussehen könnte.
Streit über Entschädigungsfonds
Ein Beispiel dafür ist der "Loss and Damage Fund", auf den sich die Staaten auf der vergangenen Klimakonferenz geeinigt hatten. Er soll Länder, die stark unter der Klimaerwärmung leiden, mit Geldern ausstatten. Welche Mechanismen die Gelder verteilen und welche konkreten Summen welche Staaten genau einzahlen, das blieb allerdings unklar.
Zumindest, das sagt die deutsche Verhandlerin des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Heike Henn, habe Deutschland versucht "Brücken zu bauen" und sowohl Interessen der Zivilgesellschaft als auch von indigenen und lokalen Gruppen zu hören. Das Ziel sei es, bis zur Klimakonferenz im November Empfehlungen vorzulegen, wie der Fonds genau ausgestaltet werden könnte. Dafür soll es auch nach Bonn noch zwei weitere Treffen des Fonds-Komitees geben.
Viele Entscheidungen vertagt
Auch beim zweiten wichtigen Thema in diesem Jahr, der ersten globalen Bestandsaufnahme, habe es wenig Fortschritt gegeben, so Beobachter. Dabei soll die Weltgemeinschaft herausfinden, wie sie den 1,5-Grad-Pfad wiederfindet. "Doch in Bonn blieb man in Streitigkeiten über die Struktur dieser Bestandsaufnahme stecken, sodass nun in Dubai viele Entscheidungen getroffen werden müssen", sagt Scherbarth. Laut Ryfisch würden vor allem die öl- und gasproduzierenden Länder sowie die BRICS-Staaten konkrete Klimaschutzmaßnahmen, -anpassungen und -finanzierungen verhindern wollen, aus Angst dazu verpflichtet werden zu können.
Greenpeace-Chef Martin Kaiser machte für die zähen Verhandlungen in Bonn auch die geopolitische Lage verantwortlich. Der Ukraine-Krieg und die Spannungen zwischen den USA und China hätten die Konferenz überschattet.
"In Notfallmodus umschalten"
Auch der Klimaforscher Niklas Höhne vom New Climate Institute - der vor Ort bei den Verhandlungen war - äußert sich angesichts der aktuellen Ereignisse besorgt: "Ich sehe eine riesige Diskrepanz zwischen dem, was wir gerade im Klima sehen, nämlich dass es Waldbrände und Dürren gibt, dass wir wirklich in den Notfallmodus schalten müssten, um jetzt alles daran zu setzen, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren." Von dieser Dringlichkeit sei wirklich überhaupt nichts zu spüren im Konferenzsaal.
"Das ist schon sehr frustrierend. Auf der einen Seite sehen wir, dass das Klima geradezu schreit: Wir haben ein Problem und wir haben einen Notfall. Und genau diesen Notfallmodus, den kann man im Verhandlungssaal noch nicht sehen und das passt für mich einfach überhaupt nicht zusammen."
Laut Höhne hätten die Staaten in der Pandemie schnell in einen Notfallmodus umgestellt, denn das Coronavirus sei eine Bedrohung für alle gewesen. "Und dann konnten wir auf einmal Dinge tun, von denen wir vorher dachten, dass sie komplett unmöglich sind. Also etwa von heute auf morgen von zu Hause arbeiten." In der Energiekrise sei es ähnlich gewesen. "Da haben wir 200 Milliarden Euro in Deutschland mobilisiert, um die hohen Kosten abzudämpfen." Nur beim Thema Klima sei dieser Notfallmodus noch nicht aktiviert worden, obwohl man es eigentlich müsste. "Es scheint, dass breite Teile der Gesellschaft noch nicht sehen, dass wir akut bedroht sind und jetzt in diesen Notfallmodus schalten müssen. Diese Bedrohungssituation scheint noch nicht verstanden zu sein von allen."
Ausstieg oder nur Absenken?
Einen anderen Schatten auf die Verhandlungen wirft auch die Präsidentschaft. Der Präsident der Konferenz, der Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Sultan Ahmed Al Dschabir, habe sich in Bonn zwar dazu bekannt, dass es einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern geben müsse. Das könne aber auch "Augenwischerei" sein, wie David Ryfisch von Germanwatch betont.
Noch im Mai auf dem Petersberger Klimadialog hatte Al Dschabir lediglich von einem Absenken fossiler Emissionen gesprochen. Das ist auch durch technologische Maßnahmen wie die umstrittene Speicherung von CO2 möglich.
"Erbitterter Streit" in Dubai erwartet
Deshalb wird im Zentrum der COP28 im November laut Ryfisch "der große Konflikt um die Zukunft des Energiesystems" stehen. Die Verhandlungen dazu seien laut BUND-Klimaexpertin Scherrbarth erwartbar "intensiv und herausfordernd".
Auch Kathrin Henneberger, Obfrau im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der Grünen Bundestagsfraktion, hatte die Zwischenkonferenz in Bonn besucht und vermutet: "Um den globalen Ausstieg aus fossilen Energien wird dieses Jahr auf der UN-Klimakonferenz ein erbitterter Streit geführt werden. Leider steigt der Einfluss der fossilen Lobby, während der Raum für Zivilgesellschaften enger wird."