Folgen der Erderwärmung So könnte ein globales Ziel für Klimaanpassung aussehen
Wie können sich Länder für die Folgen des Klimawandels rüsten? Dazu sollen vor der nächsten Weltklimakonferenz Kriterien entwickelt werden. Ein Fortschritt, so Experten - es mangele aber noch immer an Geldern.
Wer messen möchte, wie gut die Menschheit in Sachen Klimaschutz vorankommen, der hat eine feste Größe im Blick: das 1,5-Grad-Limit. Wenn die menschengemachte Klimaerhitzung die Grenze von 1,5-Grad (verglichen mit der vorindustriellen Zeit) nicht überschreitet, lassen sich die fatalen Folgen wahrscheinlich noch abmildern. Das sagt der Weltklimarat IPCC. Die 1,5-Grad-Grenze gilt als Meilenstein in Sachen Klimaschutz, als Messlatte, wie viel Treibhausgase noch in die Umwelt gelangen dürfen. Sie geht zurück auf das Pariser Abkommen von 2015.
Für Klimaanpassung allerdings, also das Rüsten gegen Klimafolgen zum Beispiel durch Deichbau oder mit mehr Grün in Metropolen, gibt es einen solchen robusten Wert nicht, sagt Rixa Schwarz von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Dabei bräuchte es dringend Richtlinien für Anpassung, denn die Klimakrise sei längst Realität. Viele Länder des globalen Südens - wie beispielsweise Bangladesch - sind schon viel stärker von Klimafolgen betroffen als Europa oder Amerika. "Jeder Cent, der heute nicht in Klimaanpassung fließt, wird uns in Zukunft mindestens das Dreifache kosten, wenn wir für die Schäden durch die Klimakrise bezahlen müssen", sagt Anika Schroeder von Misereor.
Bonner Ergebnis: "Gut, aber unkonkret"
Umso besser, so Beobachterinnen und Beobachter, dass es auf der Klimakonferenz in Bonn in der vergangenen Woche nach lauten Diskussionen auf den Fluren des World Conference Centers Fortschritte zwischen den Unterhändlern zur Klimaanpassung gab. Man hat sich auf einen Prozess geeinigt, Kriterien für erfolgreiche Anpassung zu entwickeln. Germanwatch betont, der Fortschritt aus Bonn sei gut, aber auch die Frage, wie genau Klimaanpassung gemessen werden könnte, sei weiterhin unkonkret.
Ein globales Anpassungsziel steht seit der Weltklimakonferenz 2015 in Paris aus. Es sei insgesamt "dramatisch, dass sich seit Paris so wenig getan hat", so Schwarz. Das Problem: Es ist schwer für Klimaanpassung einen ähnlich robusten und verbindlichen Wert wie die 1,5-Grad-Grenze zu definieren.
Dubai brachte Minimalfortschritte
Seit der vergangenen Weltklimakonferenz in Dubai ist zumindest klar, welche sieben Indikatoren gemessen werden sollten, wie angepasst ein Land an die Folgen der Klimakrise ist: Wasser, Ernährung und Landwirtschaft, Gesundheit, Ökosysteme und Biodiversität, Armut und Lebensgrundlage, Infrastruktur sowie kulturelles Erbe.
Außerdem haben sich die Verhandelnden in Dubai auch darauf geeinigt, dass für den Ablauf Indikatoren gefunden werden sollen, in welchen Schritten ein Land sich an die Klimafolgen anpasst: Das Land selbst soll zuerst in einer Art Verwundbarkeitsanalyse prüfen, wie sich Klimafolgen lokal auswirken.
Also beispielsweise im Bereich Gesundheit: Wie stark sind unterschiedliche Regionen, ob städtisch oder ländlich, von Hitze betroffen? Gibt es Hitzepläne? Wie viele Ärzte und Ärztinnen kommen auf wie viele Menschen? Das könnte laut Aktivistin Schwarz dann eine konkrete Messzahl sein. Anhand derer werden je nach Klimafolgen Maßnahmen umgesetzt, beispielsweise Schutzwände gebaut gegen steigende Meeresspiegel, Fassaden begrünt gegen Hitze, oder Dörfer umgesiedelt, anschließend wird Bilanz gezogen, gegebenenfalls nachgesteuert - soweit die Theorie.
Frage der Finanzierung ungeklärt
"Ich glaube, die Themenfelder sind ganz gut gewählt. Je konkreter die Indikatoren werden, desto greifbarer und stabiler wird auch die Finanzierung dafür, das ist meine Hoffnung", sagt Schwarz. Denn je betroffener ein Land von Klimafolgen ist, desto mehr Geld kann es fordern, so der logische Schluss aus dem globalen Klimaanpassungsziel.
Doch selbst wenn ein Land wie Indien oder Bangladesch sehr betroffen ist von den Folgen der Klimakrise; der Anreiz, das mit einem Klimaanpassungsindikator zu zeigen, könnte gering sein, sagt Schwarz: "Ich erwarte, dass das auch eine politische Frage sein wird." Denn je verletzlicher ein Land ist, desto weniger attraktiv ist es für Investitionen. Kredite gibt es dann zu noch schlechteren Konditionen als ohnehin schon, sagt Anika Schroeder. "Die Klimakrise, zu denen die Länder des globalen Südens nichts beigetragen haben, treibt so die Verschuldungskrise weiter an."
Dabei ist das Geld für Klimaanpassung für besonders betroffene Entwicklungsländer sehr relevant - und genau dieser "Elefant im Raum", wie Schroeder die Forderung nach mehr Anpassungsfinanzierung nennt, sei in Bonn nicht angesprochen worden. Es sei wichtig, auf Ebene der Vereinten Nationen zu garantieren, dass das Geld auch dort ankommt, wo es am meisten gebraucht wird und wirkt: "Das bedeutet, wir sollten das Geld nicht nur für den Schutz von Industriegebieten und Hotelburgen vor dem steigenden Meeresspiegel und vor zunehmenden Stürmen einsetzen."
Es müsse vor allem auch den Hunderttausend Menschen in informellen Siedlungen der Städte helfen, die oft in Hochrisikogebieten an Flussufern und Hängen leben und kaum Zugang zu elementarer Bildung und Gesundheit haben und bei der Katastrophenvorsorge meist übergangen würden.
"Klimaanpassung ist kriminell unterfinanziert"
Sabine Minninger vom Verein "Brot für die Welt" bemängelt die generell niedrige Summe: "Klimaanpassung ist kriminell unterfinanziert." Es sei fahrlässig, denn die Klimafolgen machten alle Erfolge zunichte, die in der Armutsbekämpfung bislang gegeben hätte.
Ein Bericht über die Lücke in der Anpassungsfinanzierung der Umweltorganisation der Vereinten Nationen (UNEP) hatte gezeigt: Der Bedarf für Klimaanpassung liegt bei 387 Milliarden US-Dollar jährlich. Mobilisiert werden durch die Industrienationen bislang 32,4 Milliarden. "Das bedeutet, wir müssen da mindestens zehnmal so viel Geld reinstecken", sagt Minninger.
Klimaanpassung: Fehlender Business Case
Das Problem sei auch die Art der Finanzierung, sagt Rixa Schwarz: "Es ist einfacher für Klimaschutz Gelder zu generieren als für Klimaanpassung." Zum Beispiel mittels Investitionen in Erneuerbare Energien: Wer Solarstrom erzeugt, kann ihn wieder verkaufen. Klimaanpassung hingegen, etwa durch Schutzbauten gegen den ansteigenden Meeresspiegel, bringt erst einmal keine Einnahmen, sondern schützt im besten Falle bestehendes Kapital. "Es gibt dafür keinen Business Case", bemängelt Schroeder.
Der Anreiz, für Klimaanpassung Gelder zu mobilisieren, ist für Industrieländer auch deshalb geringer als beim Klimaschutz. Daher sei es nötig, für die Anpassung und den Umgang mit Schäden und Verlusten Zuschüsse anstelle von Krediten bereit zu stellen. Auch der Anreiz für Länder des globalen Südens, jedes ihrer Klimarisiken transparent darzustellen, sei von dieser Abhängigkeit zumindest getrübt, sagt Schwarz. Vor diesem Hintergrund könnten die Indikatoren für Klimaanpassung Gefahr laufen, unkonkret zu werden, so die Sorge der Expertin.
Klimaanpassung: Indirekt Thema auf der COP in Aserbaidschan
Das globale Klimaanpassungsziel wird zumindest indirekt Thema sein auf der kommenden Weltklimakonferenz im November in Aserbaidschan. Denn dort müssen die Länder ihre nationalen Klimapläne vorlegen. Schwarz sieht hier bereits eine Möglichkeit, dass jedes Land darlegen könnte, inwieweit es auf Klimafolgen vorbereitet ist. Außerdem steht ein neues Klimafinanzierungsziel ab 2026 im Fokus der Verhandlungen. Schon jetzt ist klar, dass die bisherige Höhe von 100 Milliarden US-Dollar, die Industrienationen für Länder des globalen Südens pro Jahr mobilisieren, nicht ausreicht - weder für Klimaschutz, noch für Klimaanpassung.
Auf den Konferenzen der UN fordern Aktivisten und Beobachterinnen, aus den Milliarden eher Billionen zu machen. Außerdem wird kritisiert, dass viele der Gelder lediglich Kredite und keine Schenkungen sind. Ein weiteres Indiz dafür, dass es schwierig werden könnte, für Klimaanpassung robuste Indikatoren und genügend Geld zusammenzubekommen. Dabei, das betont der Weltklimarat, kann Anpassung vielerorts erfolgreich gelingen. Und zwar besonders da, wo Erfahrungen und Expertise der lokalen Bevölkerung ernst genommen werden und die Menschen in die Planung und Umsetzung einbezogen werden.