Hintergrund

CCS-Technologie für Kraftwerke Kohlendioxid in der Erde speichern?

Stand: 09.12.2009 16:35 Uhr

Als "ökologisches Feigenblatt für Klimakiller" wird sie von Umweltschützern bezeichnet, als "innovativer Klimaschutz" dagegen von Stromerzeugern: die sogenannte CCS-Technologie. Mit ihr kann umweltschädliches Kohlendioxid in der Erde gespeichert werden, statt es in die Luft zu blasen. Kritiker warnen allerdings vor Umweltrisiken und hohen Kosten.

Von Oda Lambrecht für tageschau.de

In Deutschland wird heute etwa vierzig Prozent der Energie aus Kohle gewonnen. Dadurch gelangen jedes Jahr mehrere hundert Millionen Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid in die Atmosphäre. Um den Klimawandel und die damit verbundene globale Erwärmung zu bekämpfen, haben sich die Industrieländer verpflichtet, weniger gefährliche Gase in die Luft zu blasen. Energiekonzerne müssen sich deshalb im Rahmen des EU-Emissionshandels die Rechte für ihren Treibhausgas-Ausstoß erkaufen. CO2 ist damit nicht nur schädlich für die Umwelt, sondern auch teuer für die Unternehmen. Und die drängen nun auf die Einführung der sogenannten CCS-Technologie. Die Abkürzung steht für „Carbon Capture and Storage“ und bedeutet, dass Kohlendioxid abgeschieden und unterirdisch gespeichert werden soll.

Weniger CO2 durch mehr CO2?

Um das klimaschädliche Gas in die Erde pumpen zu können, muss es vorher von anderen Stoffen getrennt werden. Dafür eignen sich verschiedene Verfahren: Das CO2 kann zum Beispiel bei einer Verbrennung mit reinem Sauerstoff abgeschieden werden, mit dem sogenannten Oxyfuel-Verfahren. Das CO2 kann auch bereits vor der Verbrennung mit Hilfe der Kohlevergasung unter Zusatz von Wasser herausgelöst werden. In einem weiteren alternativen Verfahren wird es nach der Verbrennung herausgelöst und durch chemische Substanzen aus den Rauchgasen "gewaschen". Diese sogenannte Rauchgaswäsche eignet sich zum Nachrüsten bestehender Kraftwerke.

Alle Verfahren verbrauchen erheblich mehr Energie und damit mehr Kohle als herkömmliche Kraftwerke. Das heißt: Damit am Ende weniger Kohlendioxid in die Luft gelangt, wird erst einmal mehr produziert. Das abgeschiedene CO2 wird schließlich unter Druck verflüssigt und kann so zu den Lagern transportiert werden – zum Beispiel durch Pipelines.

Unsichere Speicherung

Als Speicherstätten sind in Deutschland leere Erdgasfelder und salzwasserführende Gesteinsschichten mehrere hundert Meter unter der Erdoberfläche denkbar. Die Speicherung weise die meisten Unsicherheiten und potenziellen Umweltwirkungen auf, heißt es in einem Bericht des Umweltbundesamtes. Durch das Kohlendioxid verändert sich zum Beispiel der Druck in den Gesteinsschichten. Und so würde vorhandenes Salzwasser verdrängt werden und könnte schlimmstenfalls ins Grundwasser eindringen, erklärt Alexander Boehringer vom Umweltbundesamt.

Unklar ist aber vor allem, ob die Lager tatsächlich dauerhaft dicht sind. Umweltverbände halten die Speicherstätten nicht für sicher. Der Bund für Umwelt und Naturschutz in Berlin befürchtet sogar, dass das CO2 in der Zukunft wieder in die Atmosphäre gelange. Deshalb lehnt der BUND die Einführung der CCS-Technologie ab. Vor allem aber behindert sie aus Sicht der Umweltschutzorganisation den Umstieg von Kohle auf erneuerbare Energien.

Der Raum unter der Erde ist begrenzt

Dagegen lehnt der Sachverständigenrat für Umweltfragen die neue Technik nicht grundsätzlich ab. Doch man müsse bedenken, dass die unterirdischen Speicher durch das eingelagerte CO2 aus Kohlekraftwerken langfristig blockiert würden, erklärt Martin Faulstich, Vorsitzender des Umweltrates. "Wir brauchen diese Speicher in Zukunft aber auch für andere Zwecke, etwa den Ausbau erneuerbarer Energien", so Faulstich. "Denn der Raum unter der Erde ist begrenzt. Und damit konkurriert die CCS-Technologie zum Beispiel mit der Stromgewinnung aus Erdwärme, der sogenannten Geothermie. Auch für das Kohlendioxid, das bei der Zementproduktion entsteht, könnten die Speicher noch gebraucht werden."

Der Energiekonzern Vattenfall dagegen hält die neue Technik für unverzichtbar, um die angestrebten Klimaschutzziele zu erreichen. Denn es sei nicht vorstellbar, dass der Strombedarf in den nächsten fünfzig Jahren allein durch erneuerbare Energien abgedeckt werden könne, sagt Damian Müller, Pressesprecher bei Vattenfall. Das Unternehmen testet seit Ende 2008 nahe Spremberg in Brandenburg eine CCS-Pilotanlage. Man erreiche dort mit dem Oxyfuelverfahren Abscheidungsraten von mehr als neunzig Prozent im Vergleich zu Anlagen ohne CCS-Technik, erklärt der Unternehmenssprecher. Danach würden also etwa zehn Prozent weiter in die Luft gelangen.

Stärke Förderung zugesagt

Die Europäische Union will die Erforschung und Erprobung der CCS-Technologie in Zukunft stärker finanziell fördern. Die Abscheidung und geologische Speicherung von Kohlendioxid sei eine "Brückentechnologie", die zur Abschwächung des Klimawandels beitrage, heißt es in der entsprechenden EU-Richtlinie. Der Bundesverband der Deutschen Industrie glaubt außerdem, dass die neue Technik auch für den Export eine große Bedeutung habe. Aus Sicht der Energiewirtschaft könnte sie etwa ab 2020 für Großkraftwerke kommerziell genutzt werden.