Regenwald in Brasilien Weniger Abholzung - gegen Milliarden
Mehr Abholzung, mehr Viehweiden, weniger Urwald: Für diesen Kurs stand bislang Brasiliens Regierung. Kurz vor der Klimakonferenz hat sie einen Plan zum Schutz des Amazonas vorgelegt. Umweltschützer warnen vor Naivität.
Unter normalen Umständen hätte der Vorschlag des brasilianischen Umweltministers Ricardo Salles ein positives Echo hervorrufen müssen. Doch es sind keine normalen Zeiten in Brasilien, seit Salles im Amt ist. Und so erntete dieser Vorstoß vor der US-initiierten Klimakonferenz vor allem heftige Kritik.
Salles hatte eine Reduzierung der Amazonas-Zerstörung in Aussicht gestellt, wenn im Gegenzug reiche Staaten dem größten südamerikanischen Land eine Milliarde US-Dollar überweisen. "Wenn solche Entschädigungen bereits ab Mai fließen, könnten wir die Abholzung bis Ende des Jahres um bis zu 40 Prozent reduzieren", sagte Salles vor wenigen Tagen auf einer Pressekonferenz.
Was verlockend klingt, ruft heftigen Gegenwind hervor: Umweltschutz-Organisationen erinnern an Salles‘ bisherige Rolle als Umweltminister, der illegale Goldgräber in der Hauptstadt empfing und Umweltschutzregeln geschleift hat. So warnt Marcio Astrini von der Klimaschutz-Organisation "Observatório do Clima": "Niemand darf der Bolsonaro-Regierung trauen ohne echte Resultate. Seit mehr als zwei Jahren sorgt die Regierung ganz gezielt für einen Anstieg der Abholzung."
Die Abholzung nimmt rapide zu
Tatsächlich ist die jährliche Abholzung laut Satellitendaten der Nationalen Raumfahrtbehörde Brasiliens (Inpe) zwischen 2018 und 2019 um 34,4 Prozent gestiegen. Zwischen 2019 und 2020 dann nochmal um 9,5 Prozent. Es war der höchste Stand seit zwölf Jahren.
Die abgeholzte Fläche innerhalb dieses Jahreszeitraums entspricht der vierfachen Größe des Saarlandes und betrifft auch Urwälder in Schutzgebieten und Indianerreservaten. So schrumpft der CO2-Speicher Amazonas-Regenwald kontinuierlich und es vergrößert sich die Fläche für Viehzucht und Agrar-Monokulturen wie Soja.
Eine Wählergruppe im Blick
Die Bolsonaro-Regierung hatte stets offen die Ausbeutung des Urwalds gefordert und alles dafür getan, dass diese möglichst schnell Wirklichkeit wird. Denn Holzfäller und Goldgräber sind wichtige Wählergruppen des rechtsextremen Bolsonaro. So brachte er eine Gesetzesinitiative in den Kongress ein, die wirtschaftliche Tätigkeiten in Indigenen-Schutzgebieten erlauben soll, obwohl dies die Verfassung klar verbietet. Außerdem wollen der Präsident und sein Umweltminister in den kommenden Monaten illegale Goldgräber-Camps nachträglich legalisieren lassen.
Am deutlichsten wird die Haltung der brasilianischen Regierung am Beispiel der Umweltpolizei "Ibama" sichtbar. Deren Chef wurde durch einen Bolsonaro-Getreuen ersetzt und anschließend die Mittel jener Spezialeinheit drastisch gekürzt, die Operationen gegen Goldgräber durchführt.
Der Präsident greift ein
Nach der bislang letzten Razzia im April 2020, bei der die Bagger der Invasoren angezündet wurden, schaltete sich der Präsident höchstpersönlich ein: "Ich finde heraus, wer für diese überzogenen Razzien verantwortlich ist. Man darf fremdes Eigentum nicht anzünden. Keine Bagger und keine Lkw. So sehe ich das", polterte der Präsident damals per Videobotschaft.
Die massive Kritik an seiner eigenen Umweltpolizei hat Folgen für die Beamten. Im Juni 2020 bedrängte ein Mob von Bolsonaro-Anhängern einen Kontrolleur und traf ihn dabei mit einer Flasche am Kopf. Leitende Beamte wurden strafversetzt und die Budgets der verschiedenen Umweltschutzbehörden von Jahr zu Jahr gekürzt.
Abholzung oder Brandrodung - die Methoden, um neues Land für Rinderzucht oder Soja-Anbau zu gewinnen, sind in Brasilien häufig drastisch.
Vorwürfe gegen den Umweltminister
Wie so eine Reduzierung der Abholzung erreicht werden soll, wie es Bolsonaros Umweltminister Ricardo Salles nun gegen Bezahlung in Aussicht stellt, ist fraglich. Der Minister selbst steht in Brasilien erheblich unter Druck. Eine leitender Umweltpolizist aus Manaus hatte zuletzt schwere Vorwürfe gegen den Minister erhoben. Dieser habe illegalen Holzfällern Anfang des Jahres - im Widerspruch zu brasilianischen Gesetzen - geholfen und vor Strafen geschützt.
Der Beamte wurde danach vom Dienst suspendiert. Aber auch gegen Salles laufen mittlerweile Ermittlungen und es mehren sich die Rufe nach seiner Absetzung. "Der Umweltminister hat seit 2019 die Bestrafung von Umweltverbrechen ausgesetzt. Bevor also jetzt Staaten Geld an Brasilien überweisen, müssen erstmal alle Regeln, die seit 2018 Holzfällern das Leben erleichtern, rückgängig gemacht werden", fordert Marcio Astrini vom "Observatório do Clima".
Senatoren warnen vor zu viel Vertrauen
Dieser Appell richtet sich auch an Deutschland, in den Verhandlungen mit Bolsonaro nicht naiv zu sein. Demokratische Senatoren hatten bereits in einem Brief an US-Präsident Joe Biden vor Bolsonaros Taktik gewarnt und gefordert, erst dann Gelder nach Brasilien zu überweisen, wenn der Amazonas-Schutz nachgewiesen ist.
Biden hat einen Trumpf im Ärmel, eine solche Forderung durchzusetzen: Brasilien will Mitglied des Industrieländer-Klubs OECD werden und braucht dafür die Zustimmung der USA.
Die Indigenen einbeziehen
Umweltschutzorganisationen fordern außerdem die Einbeziehung der natürlichen Wächter des Waldes - der Indigenen Brasiliens. "Wenn sich die internationale Gemeinschaft nicht deutlich positioniert und den Druck auf Bolsonaro erhöht, befürchten wir, dass das Ergebnis kein gutes für indigene Völker sein wird", sagt Niklas Ennen von "Survival International".
Bei der Klimakonferenz hat Bolsonaro genau drei Minuten Redezeit, um die Zweifel an Brasilien auszuräumen. Womöglich nicht genug angesichts der großen Skepsis vieler Staaten an der Glaubwürdigkeit der Bolsonaro-Regierung, die bislang nur eine Position vertreten hatte: mehr Viehweiden, mehr Abholzung und weniger Urwald.