Folgen des Coronavirus Ein Fünftel chronisch erschöpft
Eine Vergleichsstudie liefert weitere Erkenntnisse über das Fatigue-Syndrom nach einer Corona-Erkrankung. Ein knappes Fünftel der Infizierten hat demnach nach mehr als sechs Monaten noch Beschwerden.
Auch Monate nach einer Covid-Erkrankung hinterlässt das Coronavirus bei vielen Menschen Spuren. Einer Untersuchung der Berliner Charité und der Uniklinik Schleswig-Holstein zufolge litten rund 19 Prozent der untersuchten Patienten am chronischen Erschöpfungssyndrom. In der Vergleichsgruppe ohne Kontakt mit dem Virus waren es nur acht Prozent.
"Das postinfektiöse chronische Erschöpfungssyndrom, auch bekannt als Fatigue-Syndrom, zeigt sich durch eine langfristige und stark ausgeprägte körperliche Schwäche, die sich selbst durch Schlaf und Ruhepausen nicht bessert", schrieben die beiden Kliniken in einer gemeinsamen Pressemitteilung. "Häufig tritt eine Verschlechterung auch nach geringfügigen Belastungen auf."
"Häufiges und relevantes Problem"
Langanhaltende chronische Erschöpfung nach einer Corona-Infektion sei ein häufiges und relevantes Problem. "Die Erkrankung ist mit großem persönlichen Leidensdruck verbunden, führt zu Ausfällen am Arbeitsplatz und stellt eine erhebliche Belastung für das Gesundheitssystem dar", sagt Carsten Finke von der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité.
Der Mitteilung zufolge gibt es bislang keine zuverlässigen Zahlen darüber, wie häufig Spät- und Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion auftreten. Auch darüber, wie viele Menschen in der Gesamtbevölkerung an Fatigue leiden, gebe es nur schwankende Angaben.
Doppelt so häufig wie in der Gesamtbevölkerung
Für die Untersuchung hat das Forschungsteam Daten von etwa 1000 Patientinnen und Patienten untersucht, deren Corona-Infektion mindestens sechs Monate zurücklag. Die Vergleichsgruppe ohne vorherige Infektion bildeten 1000 Menschen, deren Daten für eine Bevölkerungsstudie der Universität Leipzig vor der Pandemie zusammengetragen worden waren.
Der Vergleich zeige, dass chronische Erschöpfung auch Monate nach der Infektion mehr als doppelt so häufig vorkam wie in der gesunden Allgemeinbevölkerung, so die Kliniken. "Wir hatten im direkten Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung keine so hohen Zahlen und keinen so deutlichen Unterschied erwartet", so Finke. Besonders betroffen seien Frauen zwischen 18 und 24 Jahren.
Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
Eine weitere häufige Folge der Corona-Infektion seien kognitive Einschränkungen wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, so die Kliniken. Diese traten demnach bei 27 Prozent der untersuchten Patienten auf. Die Symptome traten insbesondere bei Männern ab 55 Jahren auf, die allerdings nur in sehr seltenen Fällen gleichzeitig Symptome einer chronischen Erschöpfung zeigten. In der Altersgruppe der 25- bis 54-Jährigen traten Fatigue und kognitive Einschränkungen in der Hälfte der Fälle gleichzeitig auf.
Welche der Lang- und Spätfolgen sich zeigten, sei wahrscheinlich auf verschiedene Entstehungsmechanismen zurückzuführen, so die Kliniken. Bei der chronischen Erschöpfung sind offenbar neurologische Beschwerden während der Corona-Erkrankung ein Risikofaktor.
Verlauf der Symptome wird weiter erforscht
"Für uns ist nun interessant, ob die kognitiven Defizite dauerhaft bestehen bleiben, oder ob sie sich zurückbilden. Auch ist die Frage offen, ob durch eine SARS-CoV-2-Infektion Demenzen bei Älteren früher auftreten", sagt Walter Maetzler, stellvertretender Direktor der Klinik für Neurologie der Uniklinik Schleswig-Holstein. "Die aktuellen Daten geben erste Hinweise darauf, dass das chronische Erschöpfungssyndrom weniger stark ausgeprägt ist, je länger die Erkrankung zurückliegt." Das Forschungsteam widme sich deshalb besonders dem Verlauf der Symptome.