Invasive Arten Wo die Chinesische Wollhandkrabbe uns überall schadet
Eingeschleppte - also invasive - Arten, sind eine Gefahr für heimische Tiere und Pflanzen und tragen zum Artensterben bei. Die Schäden weltweit betragen jährlich Hunderte Milliarden Dollar.
Eine olivgrün-braune Krabbe, bläulich-rötlich gefleckt mit einem fast quadratischen Rückenpanzer ist in Deutschland auf dem Vormarsch. Sie trägt feine Zacken am Panzerrand und einen dichten Pelz auf beiden Scheren: Die Rede ist von der Chinesischen Wollhandkrabbe.
Sie kommt zum Teil in solchen Massen vor, dass sie beispielsweise Zu- und Abflüsse von Gewässern sowie Wasserfilter an Wasserentnahmestellen und Kraftwerken verstopft. Und für die Fischerei ist sie eine Qual: Sie zerstört Fischernetze und isst Fische, die sich in Reusen und Netzen verfangen haben. Nicht ohne Grund zählt sie zu den Top 100 der gefährlichsten invasiven Arten der Welt.
Haupttreiber für Artensterben
Tiere wie die Chinesische Wollhandkrabbe gehören zu den invasiven Arten, also eingeschleppte Tiere oder Pflanzen, die hier nicht heimisch sind. Sie werden bewusst oder unbewusst durch menschliche Aktivitäten, wie etwa die Schifffahrt, eingeführt. So werden geographische Grenzen überwunden, die vorher nicht zu überwinden waren. Invasive Arten breiten sich häufig rasant aus und verdrängen heimische Pflanzen und Tiere, zerstören Ökosysteme.
"Biodiversität hat sich historisch entwickelt, auf verschiedenen Kontinenten und Inseln, die voneinander getrennt waren", erklärt Thomas Hickler, Professor für Biogeographie an der Universität in Frankfurt am Main. "Wenn wir diese Grenzen einreißen, zum Beispiel über den Handel, und diese Arten auf der ganzen Welt verbreiten, dann ist die heimische Tier- und Pflanzenwelt oft nicht angepasst, mit diesen Arten umzugehen."
Auch in Deutschland gebe es viele Arten, die sehr dominant seien, weil sie von woanders herkommen und im neuen Ökosystem kaum Feinde haben. "Das führt zu erheblichen Problemen." Neben der Landwirtschaft und der Klimakrise sind invasive Arten einer der fünf wichtigsten Treiber, die für das Artensterben verantwortlich sind. Laut des Weltrats für Biologische Vielfalt (IPBES) tragen sie zu 60 Prozent des Artensterbens bei.
Schäden in Milliardenhöhe
"Biologische Vielfalt ist unsere Lebensgrundlage", sagt Hickler. Es gebe Schätzungen dazu, was der rein ökonomische Wert aller Ökosystemleistungen durch Artenvielfalt für unsere Gesellschaft sei. Also etwa spezielle Bestäuber wie Wildbienen-Arten, die auf bestimmte Blüten von Früchten angepasst sind und ohne die diese nicht wachsen könnten. Laut Hickler deuten diese Schätzungen darauf hin, dass diese Ökosystemleistungen für unsere klassische Wirtschaft zwar unsichtbar seien, aber mehr wert sind als die gesamte globale Wirtschaft.
Die Chinesische Wollhandkrabbe ist ein gutes Beispiel dafür, wie Artensterben wichtige Ökosystemleistungen beeinflusst: Beim Durchlaufen von Ufern ritzt sie Pflanzenwurzeln an und sorgt dafür, dass stabilisierende Pflanzen langsam verschwinden - es kommt zur Erosion. Gut instandgesetzte Ufer sind aber wichtig, um die Auswirkungen von Hochwasserereignissen zu minimieren. Sie verringern das Risiko von Uferabbrüchen und Überschwemmungen.
Laut IPBES haben allein 2019 invasive Arten durch ihre negativen Auswirkungen auf die ökologische Vielfalt global einen finanziellen Schaden von 423 Milliarden Dollar verursacht. Seit 1970 haben sich diese Kosten über jedes Jahrzehnt vervierfacht. Und es wird erwartet, dass diese Kosten weiter stark steigen werden. Aber nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Ernährungssicherheit, Wasserversorgung und menschliche Gesundheit werden durch die Invasion dieser Arten tiefgreifend und negativ beeinflusst.
Verbreitung von Krankheiten
Die rasante Verbreitung der invasiven Arten macht sie oft zum Überträger von Parasiten und Krankheiten. Die Arten bringen oft Krankheitserreger mit sich, an die sie selbst schon angepasst sind, infizieren aber so Wildtiere, Vieh und auch Mensch. Diese Form der Übertragung ist bekannt als Spillover.
Die asiatische Tigermücke ist beispielsweise mit dem Handel von gebrauchten Autoreifen nach Europa gelangt. Sie überträgt mehr als 20 Erreger, die gefährlich für den Menschen sind, wie etwa Gelbfieber und Denguefieber. Durch ihre enorme Anpassungsfähigkeit kann sie sich erfolgreich in verschiedensten Lebensräumen und klimatischen Bedingungen durchsetzen. Begünstigt wird ihre Verbreitung durch den Klimawandel. Auch die Chinesische Wollhandkrabbe überträgt Krankheiten - wie etwa die Krebspest - und verbreitet sie über die Flüsse auf heimische Krebstiere.
Bekämpfung von invasiven Arten
Die Chinesische Wollhandkrabbe kam ursprünglich aus Ostchina über den Schiffsverkehr, gilt aber mittlerweile in den meisten Bundesländern als etabliert. Um eine weitere Ausbreitung der Krabbe zu verhindern, wird sie lebend gefangen und es gibt ökologische Sperren, also Barrieren, die die Wanderung einschränken. Bei Schiffen sind inzwischen eine Reinigung der Kühlwasser- und Rumpffilter und die Behandlung des Ballastwassers vorgesehen.
Letztendlich sehen diese Beseitigungsmechanismen zur Bekämpfung invasiver Arten nicht bei jeder Spezies gleich aus, es muss also individuell vorgegangen werden - eine Methode kann dabei aufwendiger, kostspieliger und erfolgreicher sein als die andere. Eine Ausrottung im eingeschleppten Bereich ist dabei aber schwierig, es geht eher um Schadensminimierung.
Biogeograph Hickler ist skeptisch: Da die meisten Arten über den Handel verbreitet würden und wir auch weiterhin global miteinander handeln möchten. "Das Ziel der Biodiversitätskonvention, dass man die Zahl der invasiven Arten halbieren möchte, das ist sehr ambitioniert. Ich weiß nicht wirklich, ob man das erreichen kann."