Bundesagentur sieht Erholung am Arbeitsmarkt Vor allem Zeitarbeitsfirmen suchen Mitarbeiter
Zeitarbeitsfirmen suchen zahlreiche neue Mitarbeiter und treiben so nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit die Nachfrage am Stellenmarkt an. Gewerkschaften sehen die Gefahr des Lohndumpings durch Leiharbeit. Doch auch Unternehmen selbst stellen verstärkt neue Angestellte ein.
Die Unternehmen in Deutschland stellen verstärkt Zeitarbeiter ein. Für mehr als jede dritte neue Stelle suchten die Betriebe nach Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) im Juni einen Leiharbeiter. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei hervor.
Danach haben sich die neuen Jobangebote von Leiharbeitsfirmen seit Jahresanfang mehr als verdoppelt, während die Zahl der übrigen Stellen lediglich um 39 Prozent zulegte. Entsprechend kletterte der Anteil der Leiharbeitsposten an allen neuen Stellen von 26 Prozent im Januar auf 35 Prozent im Juni.
Auch Gastronomie und Baufirmen suchen Mitarbeiter
Die Nürnberger Bundesbehörde teilte zudem mit, dass nicht nur in der Zeitarbeitsbranche, sondern auch im Einzelhandel, der Gastronomie, in Baufirmen sowie in Kliniken, Pflegeheimen und anderen Sozial- und Gesundheitseinrichtungen wieder verstärkt nach Mitarbeitern gesucht werde. Diese würden dann direkt bei den Unternehmen eingestellt, sind also nicht über eine Zeitarbeitsfirma "ausgeliehen". "Die Arbeitskräftenachfrage hat sich vom krisenbedingten Einbruch wieder erholt", kommentierte die Bundesagentur die aktuelle Entwicklung in einer Mitteilung.
IG Metall: Stammbelegschaft wird verdrängt
Der stellvertretende IG Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel sagte: "Diese Zahlen bestätigen unsere Befürchtungen." Leiharbeit verdränge mehr und mehr Stammbeschäftigung. Wetzel kündigte in einem Interview mit der "Berliner Zeitung" verstärkten Widerstand an und warnte vor Lohndumping. "Gegen das Bestreben, durch Leiharbeit ein niedrigeres, zweites Tarifniveau in den Betrieben zu etablieren, werden wir Gegenwehr in den Betrieben organisieren." Auch die Bundesregierung sei in der Pflicht, dem Missbrauch von Leiharbeit Einhalt zu gebieten.
Bundesregierung sieht Chance für Arbeitslose
Das Bundesarbeitsministerium sieht in der Entwicklung dagegen keinen Trend zur Verdrängung von Stammbelegschaften. Der Flexibilitätscharakter der Zeitarbeit führe in Wachstumszeiten "bereits früh dazu, dass Beschäftigungspotenziale aufgebaut werden und damit Chance für Arbeitslose für den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt entstehen", sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur dpa. Die Erfahrung zeige aber auch, dass mit zunehmender Stabilisierung der Konjunktur der Anteil der Zeitarbeitsverhältnisse am Beschäftigungswachstum wieder sinke - zugunsten der Festangestellten.
Zudem seien in den Zahlen nur die Stellenangebote enthalten, die der BA gemeldet wurden. Dies seien aber nach deren eigener Einschätzung nur rund 45 Prozent aller freien Stellen im ersten Quartal 2010. Die übrigen Stellen werden über Annoncen, andere Stellenbörsen oder Empfehlungen besetzt. Der Anteil von 35 Prozent der Stellen aus der Arbeitnehmerüberlassung könne also nicht auf das gesamte Stellenangebot übertragen werden.
Den Höchststand bei der Zeitarbeit gab es vor der Wirtschaftskrise im Juli 2008 mit 823.000 Männern und Frauen. Das waren 2,6 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Am Jahresende 2009 gab es 200.000 Leiharbeiter weniger.
Zeitarbeit muss neu geregelt werden
Die Regierungskoalition ist sich über eine Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung noch nicht einig. Immerhin hat sich die FDP zuletzt offen gezeigt für eine gleiche Bezahlung von Leiharbeitnehmern mit der Stammbelegschaft nach einer mehrmonatigen Einarbeitungszeit. Einen Mindestlohn lehnt sie ab.
Einen Regelungsbedarf gibt es, da Anfang Mai kommenden Jahres die volle Freizügigkeit für Arbeitnehmer in der EU gilt und dann auch osteuropäische Zeitarbeitsfirmen ihre Dienste zu Niedriglöhnen in Deutschland anbieten können.