Reformpläne der EU-Kommission Top-Wirtschaftsprüfer müssen um Einfluss fürchten
Vier Wirtschaftsprüfungsgesellschaften dominieren den Markt. Das soll sich nach dem Willen der EU-Kommission ändern, um Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen. Den vorgelegten Plänen zufolge müssten alle Firmen spätestens nach sechs Jahren den Wirtschaftsprüfer wechseln.
Die EU-Kommission will die Dominanz der vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beenden. Binnenmarktkommissar Michel Barnier legte ein Gesetzespaket vor, das den Einfluss der Marktführer KPMG, Ernst & Young, Deloitte und PwC einschränken soll. Er will damit Konsequenzen aus der Finanzkrise ziehen. "Die Krise hat das Vertrauen der Verbraucher in Abschlussprüfungen erschüttert", sagte er. Einige große Finanzinstitute hätten bei Prüfungen unmittelbar vor und während der Krise "uneingeschränkte Bestätigungsvermerke" erhalten - und zwar "trotz der erheblichen immanenten Schwächen hinsichtlich ihrer finanziellen Solidität". Der Sektor benötige daher Änderungen. Auch nationale Aufsichtsbehörden hätten die Qualität der Abschlussprüfungen kritisiert.
Pflicht zum Wechsel nach sechs Jahren
Der Entwurf sieht vor, dass die vier Marktführer ihre Geschäfte als Wirtschaftsprüfer von Beratungsleistungen für Unternehmen trennen müssen. Beide Dienstleistungen dürften nicht unter demselben Namen angeboten werden und zum selben Netzwerk gehören. Firmen dürfen den Plänen zufolge auch nicht mehr festlegen, dass eine der vier großen Gesellschaften die Prüfung vornehmen muss. Nach mindestens sechs Jahren müsste jedes Unternehmen einen anderen Prüfer beauftragen. Die Frist kann auf neun Jahre verlängert werden, wenn zwei Gesellschaften die Bilanz prüfen. Die EU will damit einen Anreiz schaffen, zwei Wirtschaftsprüfer gleichzeitig zu beauftragen. Damit sollen kleinere Konkurrenten eine Chance bekommen, mehr Aufträge zu erhalten.
KPMG, Ernst & Young, Deloitte und PwC prüfen praktisch alle großen Konzerne weltweit. Allein in Deutschland beschäftigen die vier Unternehmen 28.000 Mitarbeiter und kommen auf einen Jahresumsatz von mehr als 4,2 Milliarden Euro. In Europa beherrschen sie nach EU-Angaben 85 Prozent des Marktes. Die Spezialisten prüfen Unternehmensbilanzen und testieren mit ihrer Unterschrift, dass ein Konzern seine Bücher ordnungsgemäß geführt hat.
Kritik nach Fehlleistungen in der Finanzkrise
In die Kritik gerieten die großen Wirtschaftsprüfer vor allem während der Finanzkrise: Sie hatten die Bilanzen vieler Banken testiert, die wenig später vom Steuerzahler gerettet werden mussten. In Deutschland hatte jüngst der Fall der Fehlbuchung über 55,5 Milliarden Euro bei der "Bad Bank" der verstaatlichten Hypo Real Estate (HRE) für Aufsehen gesorgt. Die zuständigen Wirtschaftsprüfer von PWC waren in diesem Zusammenhang in Erklärungsnot geraren.
Die großen Wirtschaftsprüfer waren gegen den Entwurf der EU-Kommission schon im Vorfeld Sturm gelaufen. Am Finanzplatz London wird bereits vor einer Übernahme der Marktführer etwa durch die aufstrebende Konkurrenz aus China gewarnt. Das deutsche Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) bezeichnete Barniers Pläne als "Irrweg ohne Beispiel". Um die Pläne umzusetzen, müssten allerdings das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedsstaaten zustimmen. Widerstand wird vor allem aus Großbritannien erwartet. Die EU-Kommission erwartet, dass nach Gesetzgebung und Umsetzung in nationales Recht die neuen Regeln in drei bis fünf Jahren greifen werden.