Fahrradtaxi-Bau in Malaysia Die letzten Rikschas
Für Transporte werden Rikschas in Malaysia kaum noch genutzt - und auch die Herstellung der Fahrradtaxis ist eine Seltenheit geworden. So ist ein traditionelles Handwerk vom Aussterben bedroht.
Choo Yew Choon hämmert, klopft und schraubt an den Pedalen und Speichen seiner fast fertig gebauten Rikscha. Das Gefährt hat drei Räder, ist halb Fahrrad, halb Kutsche. In Malaysia, wo der 66-jährige Choo lebt, ist das Vehikel besser noch als "Beca" bekannt - und in Städten wie Malakka eine Touristenattraktion. Oft aufwändig, bunt und schrill geschmückt, mit Kunstblumen, Plüschtieren und Lichterketten.
Choo Yew Choon baut Rikschas in vierter Generation.
Choo Yew Choon ist nur auf den zweiten Blick als Handwerker zu erkennen: an seinen ölverschmierten Fingerkuppen. Der Mann mit dem schlohweißen Haar, seinem gestreiften, grau-violetten Poloshirt und den dazu passenden dunkelgrauen Bermudashorts soll der letzte Beca-Bauer auf Penang sein. Penang ist eine Insel nördlich der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur. In vier Jahren will er sich zur Ruhe setzen. Dann wird er 70 Jahre alt sein.
Keine Werkstatt mehr in Kuala Lumpur
"Wenn es darum geht, neue Fahrradrikschas zu bauen, bin ich der Letzte", erzählt er der Nachrichtenagentur AFP. "Es gibt Leute, die reparieren können. Nur die Herstellung eines neuen, das ist schwierig." Und das braucht Zeit: Wenn er sehr schnell arbeitet, schafft er es, eine Beca in rund 20 Tagen zu bauen. Normalerweise dauert es mehr als doppelt so lange, etwa sechs Wochen. Jährlich fertigt er drei bis vier und verkauft sie für je 7500 Ringgit, rund 1500 Euro. Seine Werkstatt ist vollgestopft mit Werkzeugen und kaum größer als eine Garage.
In Kuala Lumpur ist die Kunst des Beca-Bauens bereits vor zwei Jahren ausgestorben. 2021 hat dort Benny Diong die Türen seiner Werkstatt für immer geschlossen. Er war in Kuala Lumpur der letzte seiner Zunft. Die Diong-Familie war schon vor dem Zweiten Weltkrieg in diesem Gewerbe tätig. Benny führte den Laden in zweiter Generation. Während der Corona-Pandemie musste er den Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben.
Relikt aus einer anderen Zeit
Eine Entwicklung wie überall im Land: "Die Beca-Baukunst geht langsam verloren", sagt Jeffrey Lim, Kulturarbeiter und Fotokünstler aus Kuala Lumpur. Mit dem wirtschaftlichen und technischen Fortschritt kamen Autos, Motorräder sowie moderne Verkehrssysteme mit Schnellstraßen - und der Niedergang der Beca-Produktion begann.
"Seit den 1970er-Jahren geht es bergab", sagt Jeff, wie ihn alle nennen. Die moderne Gesellschaft und Stadtplanung, das urbane und auf Effizienz getrimmte Leben ließen keinen Raum mehr für das traditionelle Verkehrsmittel. Ein Riesenverlust, wie Jeff findet: "Wenn wir die Kunst des Beca-Baus verlieren, verlieren wir ein Stück von uns, einen Teil unserer kulturellen Identität", ist er überzeugt.
In der malaysischen Stadt Malakka sind schrill geschmückte Rikschas eine Touristenattraktion.
Rikscha-Bau als Kunstprojekt
Deshalb hat er sich auf die Suche nach den letzten verbliebenen Meistern begeben - und ist dabei auf Benny Diong gestoßen. "Ich musste ihn ausfindig machen, um sein Wissen und Können zu konservieren", erklärt Jeff seine Motivation. Er kaufte Benny damals einen Teil seiner alten Werkzeuge ab und bat ihn, ihm zu zeigen, wie man eine Beca baut. "Learning by Seeing", Lernen durch Zuschauen, so heißt diese traditionelle Lehrmethode, sagt Jeff.
Aus der Begegnung ist das Kunst- und Kulturprojekt "Building the Beca" entstanden: "Wie man eine Beca baut". Jeff und sein Team drehten einen Film, führten Interviews und entwarfen technische Zeichnungen. Herausgekommen ist neben einer Ausstellung auch ein Archiv, komprimiert auf einem USB-Stick, den Jeff Bibliotheken und Museen zur Verfügung stellt.
Deko für Hotels und Cafés
Derweil ist Choo Yew Choon aus Penang noch im Geschäft. Bereits in vierter Generation baut er Rikschas - ein Familienbusiness seit etwa 100 Jahren. Ende der 1980er-Jahre hat er den Betrieb von seinem Vater übernommen, nachdem dieser gesundheitliche Probleme hatte.
Da die Tret-Taxis kaum noch für den Transport von Waren und Personen genutzt werden, erwerben Choos Auftraggeber die Fahrzeuge hauptsächlich als Dekoration für Hotels und Cafés oder als Sammlerstücke. Keines von Choos Kindern interessiere sich für den Beca-Bau. "Sie gehen auf die Universität, dann haben sie einen guten Job. Wozu dann noch kommen und weitermachen?", fragt Choo.
"Becas" werden die Fahrradtaxis in Malaysia genannt.
Der Kulturschaffende Jeff aus Kuala Lumpur versteht das. Und dennoch schmerzt es ihn. "Wir in Malaysia haben so viel altes, einzigartiges Handwerk, aber wir wissen es einfach nicht zu schätzen", sagt er. "Und irgendwann ist es zu spät." Aber jetzt hat er noch Zeit, glaubt der 44-Jährige, und macht weiter. Ein letztes Projekt wünscht er sich noch: auf Penang, mit Choo. Sie kennen sich, haben sich ein paar Mal getroffen. Beca-Bauer Choo freut sich indes auf seinen Ruhestand - und weiß noch nichts von diesen Plänen.