Ein Teller mit dem traditionellen Gericht "Pie and Mash".
Reportage

Londoner Tradition "Pie and Mash" Zeitreise mit Fleischpastete und Püree

Stand: 09.03.2025 13:12 Uhr

"Pie and Mash" ist seit viktorianischer Zeit das traditionelle Essen der Arbeiterklasse im Osten Londons. Doch wo Fabriketagen als Luxusappartements verkauft werden, ist diese Tradition bedroht.

Im "Manze's" sitzt David und isst zu Mittag. Vor ihm auf dem Teller: "Pie and Mash" - Fleischpastete und Kartoffelpüree, dazu eine Petersiliensauce, "Liquor" genannt. Man müsse mittlerweile schon lange fahren, um solch eine Qualität zu bekommen, sagt der Elektriker, der gerade in der Nachbarschaft zu tun hat. Wenn es sich einrichten lässt, kommt er hierher zum Mittagessen.

Vorne am Tresen holt gerade Michael sein Mittagessen ab, er trägt Burberry-Schal und eine trendige Cordjacke. Es sei vor allem die Erinnerung, die ihn hierherführt. Früher seien sie immer wieder mit der Familie hierhergekommen. Sein Großvater habe dort hinten gesessen, sagt Michael und zeigt auf einen Tisch.

Menschen essen im Restaurant "Manze" in London.

Blick in das Manze's: An den Wänden weiße Kacheln, die Tische sind aus Marmor - und leicht abzuwischen.

Hier im "Manze's" treffen sich sehr unterschiedlich Menschen - doch alle lieben "Pie and Mash", dieses für London so typische, sehr einfache und preiswerte Essen. Früher war es eine wichtige Mahlzeit für die Schichtarbeiter südlich der Themse. Doch mittlerweile ist das Angebot der Konkurrenz immer größer geworden, die Fleischpasteten sind nicht mehr so angesagt.

Das Rezept hat sich nicht geändert

Rick Poole ist in diesem Geschäft aufgewachsen. Der 64-Jährige hat mit elf angefangen, hier zu arbeiten, erzählt er. Erst Teller waschen am Wochenende, später auch kochen, Einkauf und so weiter. Ihm gehören dieser Laden und zwei weitere Geschäfte. Mittlerweile ist die Tochter Emma Harrington mit ihrem Ehemann eingestiegen. Er wolle es jetzt langsamer angehen, sagt Rick.

Seinen Laden in der Tower Bridge Road gibt es seit über 120 Jahren, gegründet von seinem Großvater. Das Rezept hat sich in all den Jahren nicht geändert. Die Inneneinrichtung ist noch original und typisch für diese "Pie and Mash"-Shops: weiße Kacheln, einige kunstvoll verziert mit Blumenmuster. An der Theke gibt es Fleischpastete und Kartoffelstampf aus dem Topf, die Sauce dazu. Dann nehmen die Gäste Platz an den Marmor-Tischen. Die sind leicht abzuwischen.

Aus dem Keller, wo die Küche ist, kommen die Bleche mit den Fleischpasteten in einem kleinen Lastenaufzug nach oben, der mit einem Seil betrieben wird. 1.000 Stück werden dort unten pro Tag gebacken. Das wirkt schon alles sehr wie aus dem 19. Jahrhundert.

Mitarbeiter in der Küche des Restaurants "Manze" in London.

In der Küche werden jeden Tag Hunderte Pasteten gebacken.

Heute ist leichtere Küche gefragt

Zu der Zeit gab es noch rund 300 der typischen Geschäfte in London - mittlerweile sind es nur noch 40. Das Essverhalten hat sich geändert, die Menschen essen leichter, weil sie nicht mehr so schwer körperlich arbeiten, das Angebot ist auch größer geworden. In dieser Straße gibt es einen Döner-Laden, in der Filiale einer großen Kette werden belegte Baguettes verkauft, gleich nebenan Salate.

So ein bisschen wirkt "Manze's" wie eine Zeitkapsel mitten im turbulenten London. Eine Insel in diesem Stadtteil Bermondsey, der immer schicker wird.

Früher war hier gleich um die Ecke die Marmeladen-Fabrik Hartley´s. Auch Essig wurde hier hergestellt. Und als die Tower Bridge gebaut wurde, seien die Arbeiter auch hierher in den Laden gekommen, um "Pie and Mash" zu essen, erzählt Rick. Mittlerweile werden die Fabriketagen als Luxusappartements verkauft. Im Schaufenster einer Immobilienagentur hängen die Anzeigen. Für Normalverdiener ein eher teures Pflaster. Und gleich neben dem Makler befindet sich ein edles italienisches Restaurant, gegenüber gibt’s Coffee-to-go.

Das "Manze's" kann sich halten. Der Laden ist eine Institution - und er kann sich behaupten in einem Stadtteil, den die Gentrifizierung erreicht hat. Das Erfolgsrezept: Tradition, Online-Handel und Social Media.

Das Restaurant "Manze" in London.

Das "Manze's" im Londoner Stadtteil Southwark südlich der Themse gibt es seit 120 Jahren.

Es kommen Stars, Banker und Fußballfans

Es gebe eine feste Kundschaft, die herkomme, sagt Rick. Und seine Tochter ergänzt, auch Stars und Banker kämen hierher, eine ziemlich bunte Mischung. Am Wochenende feiern hier die Fans der lokalen Fußballmannschaft - dann tobt das Lokal. Hinter dem Tresen gibt es extra ein Megaphon für die Bedienung, damit die noch irgendwie durchdringt.

Jeder Tag sei hier anders, sagt Emma, deswegen liebe sie den Laden so. Sie kümmert sich auch um den Social-Media-Auftritt. Das "Manze's" und "Pie and Mash" sind mittlerweile Kult, ein Stück Cockney-Kultur - vom Aussterben bedroht, und doch ganz schön widerstandsfähig.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD-Mittagsmagazin am 04. März 2025 ab 12:10 Uhr.