Umweg über Indien Importiert Deutschland weiter russisches Öl?
Zahlen des Statistischen Bundesamts lassen den Schluss zu, dass Deutschland über Indien weiterhin größere Mengen russisches Öl importiert. Die Einfuhren aus Indien haben sich vervielfacht.
Gelangen größere Mengen russisches Öl über den Umweg durch Indien nach Deutschland? Aktuelle Daten des Statistischen Bundesamts könnten so interpretiert werden: Die Einfuhren an Mineralölerzeugnissen aus Indien haben sich in den ersten sieben Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr als verzwölffacht, wie die Wiesbadener Behörde heute mitteilte. Indien wiederum bezieht nach UN-Angaben große Mengen Rohöl aus Russland.
Bei den Importen aus Indien handelte es sich "hauptsächlich um Gasöle, die für die Herstellung von Diesel oder Heizöl genutzt werden", führten die Statistiker aus. Diese Gasöle stellt Indien danach aus Rohöl her, welches das Land wiederum seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu großen Mengen aus Russland bezieht.
Der Anstieg ist signifikant: In den ersten sieben Monaten dieses Jahres wurden nun Mineralölerzeugnisse aus Indien im Wert von 451 Millionen Euro nach Deutschland importiert. Das waren danach 2,4 Prozent aller deutschen Importe von Mineralölerzeugnissen in diesem Zeitraum. Im Vorjahreszeitraum waren es nur 37 Millionen Euro.
"Wahrscheinlich russisch"
Georg Zachmann vom Thinktank Bruegel in Brüssel sagte der Nachrichtenagentur AFP zu der Entwicklung der Ölimporte aus Indien, es sei "sehr plausibel, dass Deutschland und andere europäische Länder implizit russisches Öl kaufen". Sobald eine direkte Handelsroute blockiert sei, sei der Markt in der Lage, dieses "indirekt auszubalancieren". Auch wenn die genaue Herkunft des Rohöls "verschleiert" werde, sei es "wahrscheinlich russisch".
Zachmann hält es zudem für "unwahrscheinlich", dass das EU-Embargo die russischen Ölexporte "wesentlich reduzieren wird". Zum Preisdeckel sagte der Experte, da Russland insgesamt sehr große Ölmengen exportiere, "bleiben seine Einnahmen sehr hoch".
Wirkt der Preisdeckel?
Deutschland hat wegen des Krieges seine direkten Ölimporte aus Russland eingestellt. Die westlichen Staaten haben außerdem einen Preisdeckel für russisches Öl eingeführt, den sie mittels ihrer Marktmacht im Bereich der Reedereien und Versicherungen international durchsetzen wollen. Berichten zufolge funktioniert dieser Mechanismus aber nicht wie geplant. Es hakt danach vor allem bei der Kontrolle der Einhaltung durch die Behörden.
Die G7-Staaten, die EU und Australien hatten sich im vergangenen Jahr darauf verständigt, dass für russisches Öl nicht mehr als 60 Dollar gezahlt werden sollte. International durchgesetzt werden sollte dies mithilfe der Marktmacht der Industriestaaten im Bereich der Reedereien und Versicherungen. Diese sollten sich dazu verpflichten, zu höheren Preisen gekauftes russisches Öl nicht mehr zu transportieren.
Nach Untersuchungen des KSE Institute der Kyiv School of Economics wurde russisches Öl in den wichtigsten Exporthäfen des Landes aber zu deutlich höheren Preisen verkauft, zuletzt für mehr als 70 Dollar pro Barrel. Die von den westlichen Staaten erdachte Regelung könne nur funktionieren, "wenn Regierungen den Firmen glaubwürdig demonstrieren, dass sie diese auch durchsetzen werden", hatte Benjamin Hilgenstock vom KSE Institute dem "Spiegel" gesagt.