Shanghai

Folgen der Konjunkturflaute Chinas Boom im Pausenmodus

Stand: 21.09.2023 10:12 Uhr

Chinas Wirtschaft steckt in der Krise - das zeigt sich im Alltag der Menschen. In der Wirtschaftsmetropole Shanghai spielt sich vieles deutlich langsamer ab als vor der Pandemie.

Wenn die Wirtschaft brummt, merkt man das in Shanghai schnell. Auf den Bürgersteigen haben die Menschen ein Mordstempo drauf. Wer die Taxi-App öffnet, blickt auf halbstündige Wartezeiten. Restaurants und Bars haben praktisch keine freien Plätze. Und alle wirken irgendwie aufgedreht.

Jedenfalls fühlte sich das vor der Covid-Pandemie so an. Shanghai auf 180 sozusagen. Jetzt dagegen kommt das Taxi binnen fünf Minuten statt in einer halben Stunde. Im Restaurant muss man kaum noch reservieren. Die jüngsten Wirtschaftsdaten sprechen zwar von Wachstum und Erholung - doch gefühlt ist Shanghai keinesfalls auf 180.

"Das Geld sitzt nicht mehr so locker"

"Die Geschäfte laufen schlecht", sagt eine Gastronomin. Ihr Restaurant hat viele Mittagsgäste und liegt im Jing-an-Viertel, in dem es viele Büros gibt. "Direkt nach dem Ende der Null-Covid-Politik, also zu Beginn dieses Jahres, wurde es kurz besser - aber nur ein bis zwei Monate lang."

Jetzt, im August und September, hätten sie vielleicht noch halb so viele Gäste wie sonst um diese Zeit. "Und die geben auch noch weniger aus. Wir spüren es doppelt, dass das Geld nicht mehr so locker sitzt bei den Leuten." Ihr Kollege, der ein paar Straßen weiter ein Grillrestaurant mit viel Abendkundschaft betreibt, kann das nur bestätigen.

Banger Blick auf den Herbst

Die offizielle Statistik beziffert zwar das Plus bei den Konsumausgaben für den Monat August auf stolze 4,6 Prozent landesweit. Doch im Alltag von Chinas wichtigster Wirtschaftsmetropole Shanghai spürt man das vielerorts nicht.

"Dieses Open-Air-Grillen, wie wir das hier machen, ist normalerweise beliebt im Sommer", sagt der Gastwirt. "Aber die Lage war eher mau bisher, und irgendwann kommt der Herbst." Das werde hart, denn die Mieten seien in Shanghai hoch und die Arbeitskosten gestiegen. "Das wird schwer für mich und meine Leute. Es läuft nicht gut momentan", sagt er.

Mehr Taxifahrer, weniger Fahrgäste

Die Zeichen sind unübersehbar: leerstehende Areale in Einkaufszentren, Lieferfirmen, deren Motorroller massenhaft auf den Bürgersteigen parken, statt unterwegs zu sein. Und dann natürlich das Taxigeschäft. Daran zeigt sich oft, wie viele oder wie wenig Geschäfts- und Messegäste in Großstädten unterwegs sind.

"Ich habe den Eindruck, es läuft noch lange nicht wie vor der Pandemie", sagt ein Taxifahrer. "Gerade an unserem Geschäft zeigt sich das: Es gibt viel mehr Fahrer als zuvor, weil viele der einfachen Jobs gerade nicht gefragt sind." Da sattelten die Leute um, würden Taxifahrer - und gleichzeitig gebe es viel weniger Fahrgäste. "Am ehesten läuft es noch an den beiden Flughäfen und an den großen Bahnhöfen. Aber auch da müssen wir Taxifahrer Schlange stehen und nicht die Fahrgäste. Früher war das umgekehrt."

An der Lage in Shanghai zeigt sich also, wie stark sich der Alltag in Chinas Städten verändert hat. Daran können auch noch so schöne Zahlen aus den Ämtern nichts ändern.

Alfred Schmit, ARD Shanghai, tagesschau, 21.09.2023 05:03 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 21. September 2023 um 07:41 Uhr.