Elektromobilität Chinesen fremdeln mit deutschen E-Autos
In China boomen Elektroautos, die Konkurrenz unter den Marken ist groß. Deswegen liefern sich die Hersteller einen regelrechten Preiskampf. Doch wo sind die deutschen Autobauer?
Elektroautos "made in Germany"? Blitzumfrage auf einer Straße in Peking - und die Antwort könnte kaum klarer ausfallen. "E-Autos müssen Highlights bieten. Von VW habe ich sowas noch nicht gesehen", sagt ein Passant. "Die Deutschen sind gut bei den Verbrennern - Hardware, Mechanik, Fahrwerk. Ich würde ja deutsche E-Autos kaufen, aber so gut sind die bisher nicht."
Und auch eine Mittdreißigerin sagt: "Ich sehe nicht, dass die deutschen E-Autos aufholen." Sie ist eine typische Autokäuferin - denn die sind in China in der Regel viel jünger als in Deutschland.
Abhängigkeit von Batterie-Lieferanten
Obwohl deutsche Marken in China beliebt sind, können die Autokonzerne mit ihren E-Modellen dort nicht punkten. Aber warum liegen die E-Modelle deutscher Hersteller - außer im Segment von 100.000 Euro oder mehr - nicht vorne? Schließlich sind Elektroautos in China gefragt wie nie, Prognose für das laufende Jahr: Zehn Millionen verkaufte Fahrzeuge. Im vergangenen Jahr lag die Zahl der verkauften E-Autos noch bei 6,5 Millionen.
Für Philipp Kemmler, Pressesprecher des chinesischen Autobauers Great Wall in München, ist die Arbeitsteilung eines der Probleme der Deutschen: "Die Batterie kommt in China aus dem gleichen Haus wie das Fahrzeug selbst." Dass das in Deutschland anders sei, sieht er als Problem: "Man ist in hohem Maße abhängig von den Lieferanten der Batteriezellen. Und das gibt den einen oder anderen Engpass."
Autos muss "so viel können wie das Handy"
Doch das größte Problem scheint die Digitalisierung zu sein. Im Internet beschwerten sich chinesische Kundinnen und Kunden wegen massiver Software-Probleme bei ihren Autos - etwa wegen urplötzlich schwarzer Bildschirme in ihren deutschen E-Autos. Hersteller wie Volkswagen versprechen seit langem, solche Probleme zu lösen.
Jochen Siebert, der auf China spezialisierter Automobil-Experte, sieht hier die größte Schwachstelle: "Das Fahrzeug muss mindestens so viel können wie das Handy. Das gibt es so in der Form bei VW, aber auch bei Mercedes nicht." Hier haben die Deutschen aus seiner Sicht einen Trend verpasst.
Digitale Helfer binden Kunden an die Marke
Was in China Trend ist, mag für Deutsche seltsam klingen - etwa eine Karaoke-Funktion. Oder aber Nomi, der digitale Helfer in den E-Autos von Nio. Damit lässt sich etwa eine Massagefunktion in den Sitzen aktivieren. Die chinesische Marke Nio drängt auch nach Europa. In China liegt sie mit an der Spitze.
Man müsse die Kunden eng an die Marke binden, um bestehen zu können, erklärt Europachef Zhang Hui: "Bis heute haben wir schon vier Millionen Downloads für die Nio-App, während die Verkaufszahlen bei circa 300.000 Fahrzeugen liegen. Und die täglich aktiven User der Nio-App liegen schon über 400.000". Ein enormer Markt, der sich für den Autobauer eröffnet.
China schreibt Produktionsquoten vor
Ein Händlernetz verliert dadurch an Bedeutung. Und der Druck auf die deutschen Autobauer steigt weiter: Die chinesische Regierung hat ihre Subventionen gestrichen und durch vorgeschriebene Produktionsquoten für E-Autos ersetzt. Gleichzeitig hat der US-Autobauer Tesla die Preise rapide gesenkt.
Der gesamte Automarkt in China sei in Aufruhr, sagt Siebert. Der Experte findet: Die Deutschen müssen nun schnell ihre Probleme lösen. Ist der Zug für die Deutschen also bereits abgefahren? Kemmler urteilt: "Der Schaffner hat gepfiffen. Wir können noch reinspringen. Aber wir müssen uns wirklich beeilen und die Füße in die Hand nehmen, um hier international wettbewerbsfähig zu bleiben."