US-Handelspolitik Was wird von Biden erwartet?
Die US-Außenpolitik der vergangenen Jahre war geprägt vom "America first"-Credo Donald Trumps. Handelskonflikte und aufgekündigte Verträge waren an der Tagesordnung. Welche Hoffnung verbinden die Handelspartner mit der Wahl von Joe Biden?
Mexiko: Besseres Investitionsklima
Vor wenigen Monaten ist das neue Freihandelsabkommen (USMCA United States Mexico Canada Agreement), das US-Präsident Donald Trump mit Mexiko und Kanada abgeschlossen hat, in Kraft getreten. Der Demokrat Joe Biden wird keine Ambitionen haben, daran etwas zu ändern. Die USA und Mexiko sind seit jeher wirtschaftlich eng miteinander verwoben. Rund 80 Prozent der mexikanischen Exporte gehen über die US-mexikanische Grenze.
Vor allem der Ton gegenüber Mexiko wird sich mit Biden im Weißen Haus verändern. Der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador muss sicherlich nicht jederzeit mit willkürlichen Drohungen von Strafzöllen von über 25 Prozent auf Warenimporte rechnen. US-Präsident Trump hatte Mexiko damit im vorigen Jahr massiv unter Druck gesetzt, damit das Land die Migrantinnen und Migranten auf ihrem Weg Richtung USA bereits an der Südgrenze des Landes aufhält.
Dennoch: Zum Erstaunen vieler hielt sich der mexikanische Präsident nach Bidens Wahlsieg bedeckt. Er wolle erst gratulieren, wenn der gesamte Wahlprozess abgeschlossen, wenn alle legalen Angelegenheiten geklärt seien. Für viele ein diplomatischer Affront.
Kuba: Vorteile für die Privatwirtschaft
Kuba dürfte aufatmen, wenn Joe Biden auch nach allen juristischen Auseinandersetzungen ins Weiße Haus einzieht. Donald Trump hatte die sozialistische Karibikinsel mit scharfen Sanktionen überzogen, sogar während der Corona-Pandemie. Der US-Tourismus brach ein, Trump drohte Kubas Geschäftspartnern mit Sanktionen.
Kritiker beklagten, dass Trump so Unternehmergeist in Kuba abwürge und diejenigen behindere, die für inneren Wandel sorgen. Auch die für viele Kubaner wichtigen Geldüberweisungen von Verwandten aus dem Ausland wurden eingeschränkt.
Biden dürfte dagegen an den Entspannungskurs von Ex-US-Präsident Barack Obama anknüpfen. Das hatte er zumindest im Wahlkampf angekündigt. Viele Kubaner hoffen, dass wieder mehr Touristen aus den USA kommen und Investoren zurückkehren. Der kleine privatwirtschaftliche Sektor in Kuba würde profitieren. Zumal - unabhängig von den US-Wahlen - die kubanische Regierung eigene Reformen angekündigt hat und Unternehmern mehr Freiheiten geben will.
EU: Hoffnung auf neue Handelsgrundlage
Endlich zieht wieder Verlässlichkeit ein ins Weiße Haus: So bewertet der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, Achim Wambach, den Wahlsieg von Joe Biden. Denn Vorhersehbarkeit und Stetigkeit seien zentrale Grundpfeiler der Wirtschaftsordnung, so der Ökonom; auch international. Diesen Grundpfeiler habe man während der Präsidentschaft von Donald Trump in Europa schmerzlich vermisst.
Auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft erwartet mit einem neuen Präsidenten Biden wieder Berechenbarkeit und bewertet das sowohl für die europäische, als auch für die internationale ökonomische Stabilität und die Wachstumsaussichten in jeder Hinsicht positiv. Es dürfte auch, so heißt es aus Kiel, gute Chancen geben, den jahrelangen Subventionsstreit über die Flugzeughersteller Boeing und Airbus beizulegen.
Bisher deutet darauf zwar noch nichts hin - im Gegenteil: Die Europäische Union hat am Montag angekündigt, in diesem Konflikt Strafzölle gegen die USA zu verhängen, nachdem Washington das zuvor bereits zuvor gegen die EU gemacht hatten. Es geht um Einfuhrabgaben in Höhe von knapp vier Milliarden US-Dollar auf Traktoren, Motorradteile, Spirituosen oder Spielekonsolen.
Die EU hat allerdings klar gestellt, dass sie nach wie vor lieber eine Verhandlungslösung möchte und die Zölle zurücknimmt, sobald die Regierung in Washington das auch tut. In Brüssel heißt es zu der Entscheidung: Die Kommission habe quasi keine andere Wahl gehabt, schließlich habe Donald Trump die Zölle eingeführt; die nun erfolgte Reaktion richte sich gegen seine Politik und nicht gegen Biden.
Möglich, dass die EU damit auch testen möchte, inwieweit Biden es in Zukunft ernst meint mit einem neuen Versuch, die Handelsbeziehungen mit Europa auf eine neue Grundlage zu stellen. Denn Tatsache ist: Europas Wirtschaft hat daran erhebliches Interesse. Rund 20 Prozent aller EU-Exporte gehen in die USA - in den vergangenen Jahren zwar mit abnehmender Tendenz, was aber entscheidend auf die schlechteren Handelsbeziehungen unter Trump zurückgeführt wird. Deshalb setzt beispielsweise auch der Bundesverband der Deutschen Industrie auf einen Neustart der transatlantischen Beziehungen.
Trump hatte das angestrebte TTIP-Freihandelsabkommen mit der EU auf Eis gelegt, Zölle auf europäische Stahl und Aluminium-Exporte in die USA eingeführt und mit Abgaben auf die Einfuhr von Autos aus Europa gedroht. Die EU hofft jetzt auf eine neue Phase der Handelsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten. Und noch etwas hat man in Brüssel im Sinn: Endlich weiterzukommen bei der Besteuerung der Internet-Unternehmen, auch und gerade der großen amerikanischen. Auch hier, so die Einschätzung, könnte Biden zu echter Zusammenarbeit mit Europa bereit sein.
Großbritannien: Für Johnson könnte es ungemütlicher werden
Für die britische Regierung könnte der Wahlsieg Bidens Auswirkungen auf eines ihrer Prestigeprojekte haben: das geplante Handelsabkommen mit den USA. Die Vereinigten Staaten sind jetzt schon Großbritanniens größter und wichtigster Handelspartner außerhalb der EU. 2018 ging knapp ein Fünftel der britischen Exporte in die USA, elf Prozent der Importe stammten aus den USA.
Der britische Premierminister Boris Johnson und der scheidende Präsident Trump hatten ein "phänomenales" Abkommen versprochen, das das Handelsvolumen zwischen dem Königreich und den USA noch deutlich erhöht hätte. Die Verhandlungen dazu liefen bereits. Wäre Trump im Amt geblieben, wäre das Abkommen ziemlich sicher 2021 gekommen.
Doch nun zieht Biden ins Oval Office ein, und in London wird deshalb mit einer deutlichen Verzögerung gerechnet. Für Biden, so heißt es, werde dieses bilaterale Projekt keine große Priorität haben. Zudem werde er sich den Machtzentren in Europa zuwenden - und das werden nach dem Brexit eher Berlin und Paris sein als London.
Anders als Trump steht Biden dem Brexit skeptisch gegenüber, und das Binnenmarktgesetz, das Boris Johnson vor Kurzem ins Unterhaus eingebracht hat, hat Biden regelrecht empört, weil es den Frieden in Nordirland gefährden könnte. Biden hat daraufhin ein Abkommen an die Bedingung geknüpft, dass das Karfreitagsabkommen, das den blutigen Nordirland-Konflikt beendet hat, respektiert wird und gewahrt bleibt.
Unterm Strich muss die britische Regierung jetzt also damit rechnen, dass es mit der Vereinbarung über ein Handelsabkommen schwieriger wird. Zugleich bleibt aber auch die Frage, inwiefern ein solches Abkommen wirtschaftlich tatsächlich bedeutend wäre. Möglicherweise geht es Johnson dabei mehr um politische Symbolik als um Wirtschaftsdaten. Denn die britische Regierung selbst war im März bei der Vorbereitung der Verhandlungen davon ausgegangen, dass ein Handelsabkommen mit den USA mittelfristig nur zu einer Steigerung des Bruttoinlandprodukts um 0,16 Prozent führen würde.
Trotzdem setzen manche Branchen große Hoffnungen in einen solchen Deal, wie etwa die schottische Whisky-Industrie. Seit Oktober letzten Jahres erheben die USA 25 Prozent Zoll auf Single Malt Scotch, was der Branche nach eigenen Angaben erheblich geschadet hat. Sie fordert, dass im Zuge eines Handelsabkommens diese Zölle wieder gestrichen werden.
China: Freundlicher im Ton, aber weiter hart in der Sache
Zölle, Exportkontrollen Schuldzuweisungen: Man konnte zuletzt meinen, zwischen den USA und China geht nichts mehr. Dabei sind die beiden Volkswirtschaften weiterhin voneinander abhängig, denn wechselseitig zählen sie zu den wichtigsten Handelspartnern des jeweils anderen: Bis September dieses Jahres haben China und die USA miteinander Waren im Wert von 385 Milliarden Dollar gehandelt. Dass dabei mehr Güter von China in die USA verkauft werden als von Amerika nach China, daran hat sich nicht viel geändert - auch wenn das Handelsdefizit der USA mit China in den vergangenen beiden Jahren etwas geschrumpft ist. Dieses Ungleichgewicht war der Ausgangspunkt des Handelsstreits.
Da China die Corona-Pandemie im Griff zu haben scheint und die Wirtschaft wieder wächst - fast fünf Prozent im dritten Quartal -, hat sich die Volksrepublik endgültig zum Zugpferd für die Weltwirtschaft entwickelt. Dadurch kommen die USA nicht an China vorbei. Und an dem von Trump eingeschlagenen Kurs gegenüber China wird sich wohl auch unter dem gewählten Präsidenten Biden vermutlich wenig ändern - außer natürlich dem Tonfall.
Dass beide großen Volkswirtschaften versuchen, voneinander unabhängiger zu werden, auch dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Gegenseitige Investitionen sind bereits deutlich gesunken.
Analysten gehen davon aus, dass der Handelsstreit weiter vor allem im Technologiebereich ausgefochten wird. China holt zwar durch massive Investitionen dort schnell auf, bleibt aber verwundbar. Denn bei der Produktion von Halbleitern etwa, ohne die kein Handy und kein Computer funktionieren, dominieren die USA den Weltmarkt, und China ist hier auf Importe aus den USA angewiesen. Zwar hat die Pekinger Führung gerade angekündigt, sich insgesamt weniger abhängig zu machen vom globalen Wirtschaftsgeschehen, aber dahin ist es für die Exportnation China noch ein weiter Weg.