Folgen für Landwirtschaft Wie der Krieg das Brot verteuert
Weizen verteuert sich, bei Sonnenblumenöl und Soja droht eine Verknappung. Auch die Düngerpreise steigen. In der Landwirtschaft zeigt sich, wie groß die Abhängigkeit von den großen Lieferländern Russland und Ukraine ist.
Die Ukraine gilt als Kornkammer Europas - vor allem der Süden und der Westen des Landes mit ihren extrem fruchtbaren Schwarzerde-Böden, die insgesamt rund 70 Prozent der ukrainischen Fläche bedecken. 32 Millionen Hektar umfasst das gesamte Ackerland dort. Das entspricht einem Drittel der Ackerfläche in der gesamten Europäischen Union.
Das sind agrarwirtschaftlich gigantische Größen und gigantisch nennen viele Agrarexperten auch den Aufstieg der ukrainischen Landwirtschaft in den vergangenen 20 Jahren. Damals lagen die Flächen zum großen Teil brach oder wurden ineffektiv bewirtschaftet. Noch Anfang der 2000er-Jahre musste die Ukraine selbst Getreide importieren. Heute gehört sie zu den zehn weltgrößten Getreideexporteuren dieser Welt. Vor allem Weizen wird dort angebaut.
Folgen für Weizen-Importländer in Asien und Afrika
Russland und die Ukraine zusammen sind beim Weizen für den Weltmarkt entscheidende Produzenten. "Insgesamt haben beide Länder fast 30 Prozent des Exportvolumens beim Weizen weltweit", sagt Martin Häusling von den Grünen, Agrarpolitiker im Europaparlament. Wenn beide Länder nun ausfielen, werde das massive Auswirkungen auf die Weltagrarmärkte haben.
Der Krieg treibt den Weizenpreis bereits in bisher nicht gekannte Höhen. Schon jetzt gibt es an den internationalen Getreidebörsen Preisaufschläge von 25 Prozent und mehr. Das ist das eine. Das andere ist: Ein Großteil der Weizenexporte aus Russland und der Ukraine geht nicht in die EU, sondern in den Nahen und Mittleren Osten. Eine sinkende Produktion und Schwierigkeiten beim Transport - etwa wegen zerstörter Schienen, Straßen oder Häfen - könnten dort den Weizen ernsthaft verknappen - fürchtet Häusling. Die Lücke müsste die europäische Landwirtschaft füllen.
Sonnenblumenöl, Soja, Tierfutter
Doch es ist nicht nur der Weizen, nicht nur das Getreide aus der Ukraine, es sind auch andere Agrarprodukte. "Ich habe im Norden der Ukraine vor 20 Jahren keine Sojabohnen gesehen, wir haben nie Mais angebaut, und Sonnenblumen gab es auch nur im Garten", sagt Alex Lissitsa, der einen landwirtschaftlichen Betrieb im Norden der Ukraine besitzt und an der Spitze des ukrainischen Agrarverbandes steht. Das war vor dem Krieg mit Russland.
Tatsächlich exportiert das Land inzwischen auch in großen Mengen Sonnenblumenöl und Sojaprodukte für den Weltmarkt, Soja wird wiederum für die Fleischproduktion in der EU benötigt: als Futter in der Tiermast. All das zusammen dürfte die Preise für die Agrarwirtschaft nach oben treiben - was letztlich auch die Verbraucher zu spüren bekommen dürften.
"Wir müssen uns deshalb gut überlegen, ob wir weiterhin 70 Prozent des europäischen Getreides einfach den Schweinen, Hühnern und Kühen vorwerfen. Wahrscheinlich muss man auch da schonender mit den Ressourcen umgehen", sagt Häusling. "Das alles wird auf die europäische Landwirtschaft zukommen, und wir müssen über nachhaltige Formen der Landwirtschaft nachdenken und nicht zu sehr auf Importe setzen."
Massive Folgen für Agrarwirtschaft
Insofern lassen sich die Folgen des Krieges für die Europäische Union bei der Versorgung mit Lebensmitteln durchaus mit denen auf dem Energiemarkt vergleichen: Sichtbar wird eine große Importabhängigkeit.
Das gilt auch für Stickstoffdünger. Den beziehen Europas Landwirte vor allem aus Russland und aus Belarus. Denn die Produktion braucht enorm viel Energie, die dort wegen der Erdgasvorkommen vergleichsweise günstig ist. Allerdings gibt es inzwischen massive Preisaufschläge. Mit ernsthaften Versorgungsengpässen bei Agrarprodukten in der EU rechnet niemand. Wohl aber damit, dass Lebensmittel insgesamt - auch als Folge des Krieges - deutlich teurer werden.
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) hat vor gravierenden Folgen des Ukraine-Krieges für die Lebensmittelversorgung gewarnt. Mehr als die Hälfte der Nahrungsmittel, die das WFP in Krisenregionen verteilt, stammt demnach aus der Ukraine. Ägypten bezieht Weizenimporte zu großen Teilen aus Russland und der Ukraine. Gleiches gilt für Tunesien. In beiden Ländern sind vor allem arme Menschen auf Brot dringend angewiesen. Das Nahrungsmittel wird subventioniert und ist deshalb bislang für fast alle erschwinglich. Ob der Bedarf durch Importe aus anderen Staaten gedeckt werden kann, ist unklar. Andere Staaten stehen vor ähnlichen Problemen. So stammten 2020 rund 65 Prozent der türkischen Weizenimporte aus Russland.