Fahrplan zum Abbau von Ungleichgewichten G20 einig im Kampf gegen Wirtschaftskrisen
Im Kampf gegen wirtschaftliche Ungleichgewichte haben sich die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer auf ein Verfahren geeinigt, um ökonomische Fehlentwicklungen aufzuspüren. Einzelne Staaten - darunter wohl auch Deutschland - sollen dahingehend überprüft werden.
Die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer haben sich nach jahrelangem Streit auf einen Fahrplan zu einem krisenfesteren Weltwirtschaftssystem geeinigt. Die G20 beschlossen bei ihrer Sitzung in Washington ein Verfahren, um wirtschaftliche Fehlentwicklungen aufzuspüren und später Empfehlungen für den Abbau von Ungleichgewichten zu erarbeiten. Sie vereinbarten Schwellenwerte, um Ungleichgewichte zu analysieren und heraufziehende Krisen zu erkennen.
Zudem sollen statistische und ökonomische Analysemethoden helfen, in den G20-Mitgliedsländern Ungleichgewichte in den öffentlichen oder privaten Finanzen und den Leistungsbilanzen zu identifizieren. Einzelne Länder sollen besonders analysiert werden. Auf den Prüfstand kommt angesichts der massiven Handelsüberschüsse voraussichtlich auch die Exportnation Deutschland. Es wird erwartet, dass daneben auch China, Japan, die USA und Frankreich unter die Lupe genommen werden. Der französischen Finanzministerin Christine Lagarde zufolge stehen sieben Volkswirtschaften allein wegen ihrer Größe besonders im Fokus. Mit einer Liste wird im Oktober gerechnet - vor dem G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs Anfang November im französischen Cannes.
Im Februar hatten sich die G20 in Paris bereits auf Indikatoren verständigt, an denen Ungleichgewichte fest gemacht werden. Dazu gehören neben Defiziten oder Überschüssen in der Handels- und Kapitalbilanz auch Staatsschulden und öffentliche Defizite sowie die private Sparquote und Verschuldung.
Schäuble und Weber mahnten ausgewogene Debatte an
Finanzminister Wolfgang Schäuble und der scheidende Bundesbankchef Axel Weber hatten im Vorfeld des jetzigen Treffens eine ausgewogene Debatte der G20 angemahnt. Sollten die Überschüsse in der deutschen Leistungsbilanz ins Blickfeld geraten, werde man deutlich machen, dass sie Ergebnis der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen seien und nicht Folge einer unterbewerteten Währung, sagte Schäuble. Weber forderte, sich nicht nur auf Deutschland zu konzentrieren, sondern die Euro-Zone als Ganzes zu betrachten.
Nach Einschätzung der G20 gewinnt die wirtschaftliche Erholung an Breite und sei zunehmend selbsttragend. Allerdings gebe es weiter Risiken. "Wir bleiben wachsam, um die nötigen Maßnahmen zur Stärkung des Aufschwungs und zum Abbau der Risiken zu ergreifen", heißt es in der Erklärung. Die G20 wollen auch das Risiko von massiv steigenden Rohstoffpreisen eindämmen. "Wir unterstreichen die Notwendigkeit, dass die Akteure an den Rohstoff bezogenen Derivate-Märkten sich einer angemessenen Regulierung und Aufsicht unterziehen", heißt es im Kommunique. Auf diesen Märkten fehle es vor allem an Transparenz.
Die "Gruppe der 20" wurde 1999 ins Leben gerufen, um die Kooperation in Fragen des internationalen Finanzsystems zu verbessern. Zunächst trafen sich die G20-Staaten ausschließlich auf Ebene der Finanzminister, erst 2008 kamen erstmals die Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel zusammen.
Der G20 gehören alle Mitglieder der Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) an: USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada. Hinzu kommen Russland und China sowie die großen Schwellenländer Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika; außerdem Argentinien, Australien, Indonesien, Saudi-Arabien, Südkorea, die Türkei und die Europäische Union.