Wetterbedingte Ernteausfälle Viel Weizen hat zu schlechte Qualität
Das Wetter hat die Weizenernte in vielen Regionen Deutschlands massiv beeinträchtigt. Die Menge passt, die Qualität aber nicht. Dazu beigetragen haben offenbar neue Regeln für das Düngen.
Tausende Tonnen Weizen sind eingelagert im Lagerhaus der Raiffeisen Hallertau-Jura im oberbayerischen Seuversholz. Die Silos sind voll bis unters Dach. Und trotzdem schaut Prokurist Christian Hufsky skeptisch auf die Getreidekörner in seinen Händen. Immer wieder entdeckt er kleine Keimlinge: "Leider kam heuer die drei Wochen Regenperiode, die sich keiner gewünscht hat."
Die Landwirte konnten ihren Weizen nicht ernten. Teilweise fingen die Körner schon am Halm an auszutreiben. Die Folge: Es gibt in diesem Jahr deutlich weniger Brotweizen. "Es ist sehr, sehr viel weniger Qualitätsweizen", sagt Hufsky. Stattdessen hat er Tausende Tonnen Futterweizen in seinen Lagerhäusern.
Weizen ist kaum backfähig
In normalen Jahren ist laut Bayerischer Landesanstalt für Landwirtschaft der größte Teil der Ernte backfähig. Er kann also gemahlen und zu Mehl weiterverarbeitet werden. In diesem Jahr ist das bei den insgesamt rund 3,6 Millionen Tonnen Weizen in Bayern nicht der Fall. Viel Weizen hat eine zu schlechte Qualität. Das heißt nicht, dass ungesunde Stoffe oder Pilze im Korn sind. Aber es fehlt etwas Entscheidendes: das Eiweiß.
Dieses Problem gibt es in vielen Regionen Deutschlands. So kommt das Max-Rubner-Institut, das für das Bundeslandwirtschaftsministerium die Qualität der Getreideernte überwacht, zum Ergebnis: Neben Bayern ist auch die Weizenernte in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt "auffällig", was den niedrigen Eiweißgehalt angeht.
Außerdem gebe es auch bei der Ernte in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein starke Qualitätseinbußen. Der Regen, so das Max-Rubner-Institut, habe dort bezüglich der Qualität "erhebliche Schäden in den geernteten Weizenbeständen hinterlassen".
Mühlen brauchen mehr überregionales Getreide
Die Folge: Die Versorgung der Mühlen mit deutschen Rohstoffen wird schwieriger, wie der Verband Deutscher Mühlen auf Nachfrage mitteilt. Zwar gehe man davon aus, dass trotz der schlechten Ernte in diesem Jahr rein rechnerisch genügend Qualitätsgetreide aus Deutschland zur Verfügung stehen müsste. Das sei regional aber sehr unterschiedlich. "Warenströme werden sich ändern müssen, die Beschaffung wird überregional erfolgen müssen", so der Verband.
Prokurist Hufsky von der Raiffeisen Hallertau-Jura in Bayern schaut deswegen mit etwas Sorge auf den internationalen Getreidemarkt. Schon jetzt komme vermehrt französischer Weizen über die Rheinschiene nach Deutschland. Auch Österreich und Ungarn drängen nach seiner Einschätzung auf den deutschen Markt. Und weil in diesem Jahr so viel Futtergetreide geerntet wurde, sei der Marktpreis in diesem Bereich sehr unter Druck. Für die deutschen Landwirte bedeutet das am Ende sinkende Erträge.
Neue Beschränkungen beim Düngen
"So schwache Weizen habe ich noch nie gekriegt." Rudi Sagberger steht in seiner Mühle in der Nähe von Landshut in Niederbayern. Er ist Vorstandsvorsitzender des Bayerischen Müllerbundes. Für ihn ist die schlechte Qualität des Weizens auch hausgemacht. Stichwort: Düngeverordnung. Diese sieht vor, dass in bestimmten Gebieten, in denen zu viel Nitrat im Grundwasser gemessen wird, die Landwirte weniger düngen dürfen. So sollen die Nitratwerte gesenkt werden.
In diesem Jahr habe die Verordnung das erste Mal durchgeschlagen. "Der Landwirt darf nicht mehr so viel düngen und deswegen hat er weniger Eiweiß gehabt." Sagberger fordert deshalb, dass die Landwirte beim Düngen nicht noch weiter eingeschränkt werden dürften. "Wenn wir nächstes Jahr wieder solcher Verhältnisse haben, diese Trockenheit, diesen Hitzestress und die wenige Düngung, dann wird‘s eine Katastrophe."
Auch die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft sagt, die schlechte Qualität liege "teilweise an den Beschränkungen der Düngeverordnung", die manche Regionen Bayerns betrifft. Was aber auch eine Rolle gespielt haben dürfte, so das Landesamt, seien die hohen Düngerpreise. Auch diese könnten dazu geführt haben, dass Landwirte weniger gedüngt hätten.
Folgen für die Verbraucher
Mit dem Mehl arbeiten müssen am Ende vor allem die Bäcker. Stefan Geisenhofer steht mit einem Dutzend Angestellter in seiner Backstube in Freising. Semmeln und Brezen sind schon fertig, aktuell dreht er Baguettes. Für ihn ist gutes Mehl entscheidend. "Wenn die Qualität nicht gegeben ist, dann kriegen wir das Volumen nicht zusammen, und dann muss der Konsument ein kleineres Produkt für den gleichen Preis kaufen."
Wenn die Qualität des Mehls schwankt, dann kann er seine Arbeitsabläufe anpassen. Länger oder kürzer kneten, mehr oder weniger Wasser und die Temperaturen verändern. Optimal wäre das aus seiner Sicht nicht. Momentan macht er sich aber keine Sorgen. Er geht davon aus, dass die Mehlqualität weiterhin stimmt. Im Zweifel würden die Mühlen Qualitätsweizen aus dem Ausland ankaufen. Gut fände er das aber nicht, da er bisher voll auf regionale Rohstoffe setzt.