Pläne für Energiewende Warum heizen mit Wasserstoff schwierig ist
Ab 2024 sollen neue Heizungen zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. Eine Option ist es, "grünen" Wasserstoff zu nutzen statt Gas. In der Praxis gibt es dabei laut Fachleuten einige Haken.
Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger, um in Zukunft unabhängig vom Erdgas zu werden. Bei der Suche nach Alternativen zur Erdgasheizung in den deutschen Heizungskellern wird immer wieder Wasserstoff angeführt. Die Idee: Gasheizungen umrüsten auf Wasserstoff. Ist das eine realistische Alternative? "Um es klar zu sagen: Nein", sagt Energieexperte Benjamin Pfluger von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie. "Das Urteil fast aller wissenschaftlichen Studien ist hier einhellig: Zu ineffizient, zu spät verfügbar und höchstwahrscheinlich viel zu teuer."
Heizungen vertragen Wasserstoff-Anteil
Trotzdem planen große Produzenten von Heizungsanlagen schon länger mit einem Wasserstoffszenario und bieten Heizungen an, die "H2-ready" sind, also ein gewisses Maß an Wasserstoff verkraften können. Fachleute sprechen hier von zehn Prozent, die man problemlos einspeisen kann. Kann man hier einfach bestehende Leitungen nutzen, um das Erdgas-System langfristig auf Wasserstoff umzustellen?
"Die Leitungen selbst sind nicht das Problem, wie es aussieht, vertragen die meisten Rohre reinen Wasserstoff", sagt Experte Pfluger. "Das Problem ist eher: Um ein Netz auf reinen Wasserstoff umzustellen, müssen alle angeschlossenen Heizungen zu einhundert Prozent 'H2-ready' sein und dann gemeinsam umgestellt werden. Keine einzige heute verbaute Heizung ist komplett 'H2-ready', und es gibt diese Geräte auch noch nicht zu kaufen."
Verbraucherschützer warnen vor falschen Erwartungen
Verbraucherschützer sowie Expertinnen und Experten mahnen die Regierung, keine falschen Erwartungen zu Wasserstoff im Heizungssektor zu wecken. "Die Diskussion über Gasheizungen, die 'H2-ready' sein sollen, ist problematisch, weil es grünen Wasserstoff aktuell praktisch nicht gibt", sagt Thomas Engelke, Energieexperte der Verbraucherzentrale. "Es darf nicht passieren, dass Verbraucher jetzt noch eine Gasheizung kaufen, im Glauben, die könnten sie bald mit Wasserstoff betreiben."
Als wirklich klimafreundlich gilt bislang nur der sogenannte "grüne" Wasserstoff, der mit Hilfe von ausschließlich regenerativem Strom per Photovoltaik- oder Windkraftanlagen produziert wird. "Die Analysen zeigen klar: Grüner Wasserstoff wird mittelfristig knapp bleiben. Wir stehen ja fast bei null", sagt Pfluger. "Für die nächsten mindestens zehn Jahre wird schon die Bereitstellung der Mengen für diejenigen Bereiche ziemlich herausfordernd, für die es zu Wasserstoff keine echten Alternativen gibt: Stahl, Chemie und Kraftstoffe für den Luft- und Schiffsverkehr."
"Grüner" Wasserstoff für die Industrie
Ohne Wasserstoff könne man Stahlwerke nicht klimaneutral betreiben, sagt auch die Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von "Scientists for Future". "Heizen mit grünem Wasserstoff ist ineffizient. Es erfordert etwa fünfmal so viel Strom wie die Nutzung einer Wärmepumpe. Es wird daher wohl die teurere Alternative bleiben."
Die Wissenschaftler schreiben in ihrer Analyse: "Wasserstoff ist für die Wärmewende keine gute Idee." Es gibt es auch optimistischere Analysen: Der Branchenverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft geht beispielsweise davon aus, dass genügend klimaneutraler, grüner Wasserstoff produziert und eingekauft werden kann, um alle Industriebereiche sowie außerdem die Heizungswärme ausreichend zu versorgen.
"Politische Scheindebatte"
Energieexperte Pfluger spricht dabei von einer politischen Scheindebatte: "Lasst uns auf eine Technik in ferner Zukunft vertrauen, um nicht diejenigen Dinge anzugehen, die jetzt machbar, aber eben nicht immer bequem sind", sagt er.
"Wenn wir auf große Mengen an billigem Wasserstoff wetten, der dann aber nicht kommt, sitzen wir auf Zigtausenden unnötiger Erdgasheizungen und haben die Umsetzung anderer, heute schon verfügbarer Optionen verschlafen." Der wirtschaftliche Schaden für Privatleute und Volkswirtschaft wäre immens.