Hintergrund zum Konflikt Worum geht es bei dem Streit um das VW-Gesetz?
Seit Monaten streiten die Bundesregierung und die EU-Kommission um das VW-Gesetz. Beide Seiten sehen sich im Recht und geben sich unnachgiebig - inzwischen drohte Brüssel sogar mit Zwangsgeldern. Doch worum geht es eigentlich genau?
Von Christopher Plass, HR-Hörfunkstudio Brüssel
Für die Brüsseler EU-Kommission gibt es keinen Zweifel. Deutschland hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom Oktober letzten Jahres nicht ausreichend umgesetzt.
Die Europa-Richter beanstandeten drei Punkte...
Die Europa-Richter hatten damals das bestehende VW-Gesetz konkret in drei Punkten beanstandet. Erstens: Das alte VW-Gesetz schrieb das Recht fest, dass die Bundesrepublik und das Land Niedersachsen je zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat entsenden dürfen, solange sie Aktien von VW halten. Zweitens: Das Höchststimmrecht eines Aktionärs wurde auf zwanzig Prozent begrenzt, auch wenn er mehr als 20 Prozent der Aktien hält. Drittens: Entscheidungen auf der Hauptversammlung können mit einer Sperrminorität von 20 Prozent blockiert werden, im deutschen Aktienrecht werden sonst 25 Prozent für eine solche Sperrminorität verlangt. Diese Sonderregelung begünstige das Land Niedersachsen, so die Richter, mit seinem Aktienanteil von knapp über 20 Prozent. Diese Rechtslage, so der Europäische Gerichtshof in dem Urteil, könne die Investitionsfreiheit beschränken.
...doch die Bundesregierung änderte nur zwei
Das Bundeskabinett hat in einem Entwurf für ein neues VW-Gesetz zwei der drei kritisierten Punkte abgeschafft. Doch die 20-Prozent-Sperrminorität, von der Niedersachsen profitiert, die steht auch im neuen Entwurf. Schon im Sommer hatte die EU-Kommission damit gedroht, erneut vor Gericht zu ziehen. Am Dienstag dann sprach sie eine Art letzte Warnung aus. Oliver Drewes, Sprecher der EU-Kommission, wird nicht müde, auch hier Veränderungen einzufordern: "Sonderrechte sind nicht vereinbar mit dem Binnenmarkt. Investoren aus anderen Staaten werden nicht gleich behandelt." Kapitalfreiheit im Binnenmarkt - auf dieser Rechtsposition besteht Brüssel.
Deutschland sieht sich im Recht
Seit Monaten schon schicken EU-Kommission und Bundesregierung sich gegenseitig Stellungnahmen zu. Die SPD-Justizministerin Brigitte Zypries vertritt beispielsweise den Standpunkt, der Europäische Gerichtshof habe die beanstandeten Punkte nicht jeweils für sich für europarechtswidrig erklärt, sondern nur im Zusammenspiel. Deswegen hält Berlin zunächst an der Sperrminorität von 20 Prozent fest, wenngleich Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) Bedenken hat.
Der Wortlaut des EuGH-Urteils ist nicht ganz eindeutig. Das Gericht schreibt den Staaten auch das Recht zu, in Fällen von allgemeinem Interesse Sonderregelungen zum Schutz von Industrien zu erlassen. Das Gericht sagt aber auch, dass die Bundesregierung nicht darlegen kann, warum ausgerechnet die Beibehaltung der Niedersachsen begünstigenden Sperrminorität mehr für den Schutz der Arbeitnehmer bringe.
EU droht mit Zwangsgeldern
Das neue VW-Gesetz liegt derzeit dem Bundesrat zur ersten Stellungnahme vor. Der Bundestag soll es bis Jahresende verabschiedet haben. Wann die EU-Kommission erneut vor Gericht ziehen will, ist noch nicht deutlich. Kommissionssprecher Drewes hat aber einen Joker im Ärmel. "Der Europäische Gerichtshof kann auch Zwangsgelder verhängen", drohte er. Zwangsgelder, die sich zu vielen Millionen summieren könnten. Von Sozialdemokraten kommt der Vorwurf, die EU-Kommission spiele allein Porsche in die Hände. Denn Porsche will bekanntlich seine Macht bei VW ausbauen - und ist gegen ein VW-Gesetz.