Abgas-Skandal viel größer als angenommen Manipulierte Software in elf Millionen VW
Der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei VW-Fahrzeugen hat erheblich größere Dimensionen als zunächst angenommen. Die entsprechende Software sei weltweit in elf Millionen Fahrzeugen eingebaut, teilte der Konzern mit. VW musste eine Gewinnwarnung herausgeben.
Die Software zur Manipulation der Abgaswerte ist nach Angaben des Volkswagen-Konzerns auch in weiteren Dieselfahrzeugen eingebaut. Weltweit seien elf Millionen Fahrzeuge betroffen, teilte Volkswagen mit. Die beanstandete Software beeinflusse aber weder Fahrverhalten, Verbrauch noch Emissionen.
Die Fahrzeuge seien mit Motoren vom Typ EA 189 ausgestattet. Ausschließlich bei diesem Motortyp sei "eine auffällige Abweichung zwischen Prüfungswerten und realem Fahrbetrieb" festgestellt worden. Das Unternehmen stehe dazu in Kontakt mit den zuständigen Behörden und deutschen Kraftfahrtbundesamt.
Bislang stand eine Zahl von 500.000 betroffenen Fahrzeugen im Raum - diesen Vorwurf hatte die US-Umweltbehörde EPA gegenüber Volkswagen erhoben. Für Volkswagen könnte dies nach Angaben der Behörde eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar nach sich ziehen.
Rückstellung in Milliardenhöhe
Die Affäre zwingt Europas größten Autobauer auch zu einer Gewinnwarnung. Deshalb würden im dritten Quartal rund 6,5 Milliarden Euro "ergebniswirksam zurückgestellt", gab VW bekannt. Das ist mehr als die Hälfte des Gewinns, den VW im vergangenen Jahr erzielt hatte.
Zudem belasteten bereits die bisherigen Meldungen den Aktienkurs des Unternehmens enorm. Am Montag verlor das Papier rund 15 Milliarden Euro an Börsenwert.
Was wusste der Vorstand?
Der Skandal wirft auch Fragen nach der Zukunft von VW-Chef Martin Winterkorn auf. Dieser hatte nach Aussage von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt gestern in einem gemeinsamen Gespräch versichert, alle aktuellen Neuwagen seien frei von Manipulation durch Software. Diese Feststellung bekräftigte VW jetzt für alle derzeit in der EU angebotenen VW-Neuwagen mit Dieselantrieb vom Typ EU6. Ob es bei älteren Modellen in der EU ebenfalls keine Manipulationen gab, ist allerdings unklar.
Die EU-Abgasnorm gilt bei der Typprüfung für neue Pkw seit 2014. Seit dem 1. September dieses Jahres ist sie bindend für alle neu zugelassenen Fahrzeuge. Für Lkw gilt sie seit 2013 und ist seit 2014 bindend.
Winterkorns Vertrag als Vorstandschef sollte nach bisheriger Planung am Freitag vom Aufsichtsrat bis 2018 verlängert werden. Niedersachsens ehemaliger Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) forderte wegen des Diesel-Skandals eine Verschiebung der Vertragsverlängerung. Solange nicht "lückenlos" aufgeklärt sei, wer im Konzern von den Manipulationen wusste und von wem sie angeordnet wurden, sollte keine Entscheidung gefällt werden, sagte Bode, der selbst von 2009 bis 2013 Mitglied des VW-Aufsichtsrates war.
Auch andere Staaten reagieren
Der Skandal um manipulierte Abgaswerte in den USA rief auch andere Kontrollbehörden auf den Plan. Als erstes Land kündigte Südkorea an, den Schadstoffausstoß von Diesel-Fahrzeugen der Marken VW und Audi zu untersuchen. Die Zahl der betroffenen Fahrzeuge ist insgesamt aber überschaubar - es geht um 4000 bis 5000 Autos der VW-Modelle Jetta und Golf sowie des Audi A3, die 2014 und 2015 produziert worden seien, teilte das Umweltministerium mit.
Ein Sprecher sagte, man sei besorgt, dass die Modelle die gleichen Abgastechnologien und Kontrollstrategien wie die US-Versionen vorwiesen.
Weitere Tests könnten folgen
Die Ergebnisse der Tests will das Ministerium voraussichtlich im November bekannt geben. Sollten die Experten ebenfalls manipulierte Werte feststellen, könnte die Untersuchung auf alle deutschen Diesel-Wagen ausgeweitet werden.
Die koreanischen Autoproduzenten Hyundai und die Schwesterfirma Kia Motors sind große Konkurrenten von VW auf den Weltmärkten. Bei den nach Korea importierten Fahrzeugen lagen die deutschen Hersteller in den ersten acht Monaten des Jahres deutlich vorn. Danach führte BMW mit 31.774 Registrierungen vor Mercedes mit 30.561, VW mit 24.778 und Audi mit 19.972 Fahrzeugen.
Frankreich für EU-weite Prüfung
Eine Prüfung auf europäischer Ebene fordert die französische Regierung. Finanzminister Michel Sapin sagte, es gehe um den europäischen Markt mit gemeinsamen Regeln. Diese müssten eingehalten werden.
Allerdings schlug Sapin vor, auch französische Hersteller zu untersuchen, "um die Menschen zu beruhigen". Er habe aber keinen Anlass zu glauben, dass sich diese wie Volkswagen verhalten hätten.
Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, man sei sowohl mit deutschen Autobauer als auch mit den US-Behörden in Kontakt. Es sei aber zu früh, um Schlüsse zu ziehen.
Auch das italienische Verkehrsministerium verlangt von VW Aufklärung über etwaige Manipulationen. Eine ähnliche Aufforderung wurden von der australischen Regierung erhoben. Die schweizer Behörden wollen bereits in einigen Tagen eigene Testergebnisse vorlegen.
Die US-Umweltschutz-Behörde EPA beschuldigt VW, vorsätzlich Abgasvorschriften bei Diesel-Fahrzeugen umgangen zu haben. Ihnen sei eine Software eingesetzt worden, mit der die Messung bestimmter Abgaswerte umgangen werden könne.
"Einfach gesagt, diese Autos hatten ein Programm, das die Abgaskontrollen beim normalen Fahren ausschaltet und bei Abgastests anschaltet", erklärt eine EPA-Vertreterin. Folge solcher Manipulationen sei, dass die Autos für den Umweltschutz festgesetzte Abgas-Limits um das bis zu 40-Fache überstiegen. Im Fokus der EPA-Ermittlungen stehen laut EPA Vier-Zylinder-Modelle der Jahre 2009 bis 2015. Volkswagen räumte die Manipulationen ein. Nach bisherigem Stand sind elf Millionen Fahrzeuge betroffen.