Zwischenbilanz zu Pilotstudie Umstellung auf Vier-Tage-Woche klappt nur mäßig
Seit Anfang des Jahres erproben deutsche Betriebe testweise die Vier-Tage-Woche. Eine Zwischenbilanz nach den ersten Monaten zeigt: Fast die Hälfte der Betriebe erreicht das Ziel nicht und verkürzt die Arbeitszeit weniger stark.
Die Verkürzung der Arbeitszeit fällt Unternehmen in Deutschland einer Untersuchung zufolge vergleichsweise schwer. Wie die Unternehmensberatung Intraprenör als Initiator eines Pilotprojekts zur Vier-Tage-Woche mitteilte, reduzierte der Großteil der 45 teilnehmenden Betriebe die Arbeitszeit nicht wie geplant um 20 Prozent und damit auf vier Tage. Viele Unternehmen hatten zudem Schwierigkeiten bei der Vorbereitung und konnten erst später ins Projekt starten. Zwei Betriebe sind gar nicht mehr dabei.
Ursprünglich sollte in dem Projekt die Umsetzung der Vier-Tage-Woche im Konzept "100-80-100" getestet werden. Die Idee war also, dass Beschäftigte 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Zeit erbringen - für 100 Prozent ihrer Bezahlung.
Nach den ersten drei Monaten im Projekt hatten aber lediglich 38 Prozent der teilnehmenden Unternehmen ihre Arbeitszeit tatsächlich um 20 Prozent verringert. Fast die Hälfte der teilnehmenden Betriebe (48 Prozent) verkürzte dagegen nur auf bis zu zehn Prozent. Das entspricht bei etwa zehn Prozent eher einer Viereinhalb-Tage-Woche. Weitere 15 Prozent reduzierten die Arbeitszeit zwischen elf und 19 Prozent. Angelegt ist die Erprobung der reduzierten Arbeitszeit auf insgesamt sechs Monate.
Deutschland im internationalen Vergleich konservativer
"Im internationalen Vergleich kann man durchaus sagen, dass Deutschland etwas konservativer bei der Arbeitszeitverkürzung ist als andere Länder", sagt Julia Backmann, Professorin für die Transformation der Arbeitswelt an der Universität Münster, die das Pilotprojekt wissenschaftlich begleitet.
Auch in anderen Ländern wurden bereits Studien mit dem Projektpartner 4 Day Week Global und örtlichen Forschern durchgeführt - etwa in Großbritannien, Südafrika oder Portugal. Sie beobachte, dass es hierzulande durchaus eine Reihe von Beschäftigten gäbe, die sich eine Verlängerung der Testphase über die anvisierten sechs Monate hinaus auf ein Jahr wünschten, so Backmann.
Bei knapp 40 Prozent der teilnehmenden Firmen wird die verkürzte Arbeitszeit zudem nicht auf die gesamte Firma, sondern nur auf bestimmte Teams oder Mitarbeitende angewandt. Von den ursprünglich 45 teilnehmenden Firmen verschob eine den Zeitraum des Projekts auf 2025, zwei beendeten den Versuch nach zwei Monaten. Zudem startete nur etwa die Hälfte pünktlich im Februar in das Experiment, die anderen stiegen erst in den Folgemonaten ein.
Studie misst auch Schlafdaten und Stresslevel
Die wissenschaftliche Begleitung des deutschen Pilotprojekts ist nach Angaben der Universität Münster die umfangreichste der bisherigen Pilotstudien zur Vier-Tage-Woche mit dem Partner 4 Day Week Global. Parallel zu ausführlichen Gesprächen mit Beschäftigten und dem Management werden hier weiterreichende Daten, etwa zur Schlafqualität, Herzfrequenz und zum Aktivitätslevel der teilnehmenden Angestellten über Fitnesstracker erhoben. Mit Haarproben soll zudem der tatsächliche Stress über das dort vorhandene Cortisollevel gemessen werden. Diese physiologischen Messdaten sollen die Selbsteinschätzungen durch Fragebögen ergänzen.
Oftmals unterschätzten die Betriebe laut Intraprenör "die Umstellung von Arbeitsweisen und Prozessen, die für eine erfolgreiche Vier-Tage-Woche notwendig sind". Manche Organisationen stellten zudem fest, dass sie nicht genügend Anpassungen definiert hatten und nachjustieren mussten. In den meisten Unternehmen arbeitet wenigstens die Hälfte der Beschäftigten bereits voll und ganz mit der verkürzten Arbeitszeit. "Bei einigen klappt es aber auch noch nicht, die verkürzte Arbeitszeit einzuhalten", so Julia Backmann.
Auch viele kleinere Unternehmen am Versuch beteiligt
Im vergangenen Jahr hatte Intraprenör zusammen mit 4 Day Week Global in Deutschland zur Teilnahme an dem Projekt aufgerufen. Unternehmen aus der Industrie, dem Handel, der Unterhaltung, der Energieversorgung und der IT waren in der Bewerbungsphase erfolgreich und bereiteten sich seit Dezember auf die Einführung vor.
Laut Intraprenör sind viele kleinere Betriebe dabei: Mehr als die Hälfte der Unternehmen habe zwischen zehn und 49 Beschäftigte, aber sowohl größere und als auch noch kleinere Betriebe nehmen teil. Am stärksten vertreten ist die Beratungs- und Agenturbranche. Aber auch Handwerksbetriebe, Gesundheitsanbieter und soziale Einrichtungen sind dabei.
In Großbritannien nahmen 61 Unternehmen an einem Pilotprojekt teil. 56 davon gaben an, die Vier-Tage-Woche auch nach dem Ende der Testphase beibehalten zu wollen. Durchschnittlich beobachteten die Forschenden aus Boston und Cambridge damals eine Umsatzsteigerung von rund 1,4 Prozent. Die Krankheitstage verringerten sich um rund zwei Drittel und die Zahl der Angestellten, die kündigten, ging um 57 Prozent nach unten.