Ein Junge mit einem Fußball betrachtet die eingeschossene Glasscheibe an einer Haustür.
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Schutz vor finanziellem Ruin Die Haftpflichtversicherung als absolutes Muss

Stand: 16.04.2025 08:13 Uhr

Die private Haftpflicht gehört in Deutschland nicht zu den Pflichtversicherungen. Warum sie trotzdem jeder haben sollte, was sie alles abdeckt und was beim Vertrag zu beachten ist.

Von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion

Ungefähr 2.500 Euro geben die privaten Haushalte laut Gesamtverband der Versicherer (GDV) durchschnittlich im Jahr für Versicherungen aus - ohne die Beiträge zu den Sozialversicherungen. Darunter fallen verschiedene Schadens- und Unfallversicherungen oder private Krankenzusatzversicherungen. Doch welche brauchen Verbraucherinnen und Verbraucher eigentlich wirklich?

Besonders für Unfälle mit Personenschäden relevant

In allen Rankings von notwendigen Versicherungen steht sie auf Platz 1: die private Haftpflichtversicherung. "Die Privathaftpflichtversicherung ist tatsächlich die wichtigste Versicherung, weil eben niemand weiß, ob man mit dem Fahrrad einen Autounfall verursacht, bei dem viele Leute umkommen oder schwer verletzt sind", erklärt Susanne Meunier von Stiftung Warentest Finanzen im Podcast "Gold & Asche: Projekt Versicherung" der ARD-Finanzredaktion. Ohne Haftpflicht sei das ein Drama für den Verursacher und auch für die Betroffenen.

Nach Paragraf 823 Absatz 1 im Bundesgesetzbuch (BGB) besteht grundsätzlich eine gesetzliche Haftung mit dem kompletten privaten Vermögen, wenn man einer anderen Person oder dem Eigentum einer anderen Person einen Schaden zufügt. Dass man unbeabsichtigt jemandem einen Schaden zufügt, kann schnell gehen: Man ist bei einem Freund eingeladen, es kippt das Rotweinglas um und die teure Couch ist versaut. Oder es rollt beim Einkaufen auf dem Parkplatz der Einkaufswagen weg und stößt gegen ein anderes Auto.

Bei diesen Beispielen ist vermutlich die finanzielle Existenz nicht in Gefahr - auch ohne Versicherung. Ganz anders sieht es aber bei Unfällen mit Personenschäden aus. "Dann kann es zu einer Invalidität dieser Person kommen - mit lebenslangen Leistungen, die der Schädiger zahlen muss", sagt Bastian Kunkel, Versicherungsmakler und Gründer von Versicherungen mit Kopf, der auch regelmäßig Erklärvideos rund um das Thema Versicherungen produziert. Dann sei die eigene finanzielle Existenz ohne eine private Haftpflicht "sehr schnell im Eimer".

Gold und Asche
Podcast "Gold & Asche: Projekt Versicherung"
Schritt für Schritt das Wichtigste aus der Welt der Versicherungen - mit Hintergründen und dazu unabhängig, verständlich und auf den Punkt gebracht. Zusammen mit Expertinnen und Experten beleuchtet die ARD-Finanzredaktion in neun Folgen die wichtigsten Fragen: Welche Versicherungen sind ein Muss - auf welche kann man verzichten? Und was muss man dabei beachten?  
 
Den Podcast "Gold & Asche: Projekt Versicherung" gibt es ab dem 9. April 2025 wöchentlich in der ARD-Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

Folge 1: Sozialversicherungen - Grundlagen und Grenzen (9. April)
Folge 2: Gesetzliche vs. private Krankenversicherung (9. April)
Folge 3: Haftpflicht, Kfz & Haustier - Was ist Pflicht, was ist sinnvoll? (16. April)
Folge 4: Die Berufsunfähigkeitsversicherung und ihre Alternativen (23. April)
Folge 5: Die Familie richtig absichern (30. April)
Folge 6: Wohnen & Wetterrisiken - Schutz für das eigene Zuhause (7. Mai)
Folge 7: Gesundheitskosten absichern - von Zahnzusatz bis Krankentagegeld (14. Mai)
Folge 8: Gut abgesichert streiten und reisen (21. Mai)
Bonusfolge: Hinter den Kulissen - wie Versicherungen ticken (offen)

Haftpflicht als passive Rechtsschutzversicherung

Wenn man also jemanden - auch aus Versehen - verletzt oder sein Eigentum beschädigt, muss man ihm den Schaden ersetzen. Man haftet dafür, und zwar in unbegrenzter Höhe. Und dabei geht es nicht nur um das Geld auf dem Konto, sondern es kann auch das abbezahlte Haus sein. Im schlimmsten Fall ist man finanziell also ruiniert.

Eine Privathaftpflicht versichert Personen-, Sach- und Vermögensschäden. Auch eine grobe Fahrlässigkeit ist mitversichert, also wenn die Sorgfaltspflicht verletzt wird. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn man einen Unfall verursacht, weil man mit dem Rad aus Versehen über eine rote Ampel gefahren ist oder wegen einer dringenden Nachricht auf sein Handy geschaut hat.

Die private Haftpflicht gilt außerdem als passive Rechtsschutzversicherung. Sie kann unberechtigte Schadenersatzforderungen abwehren, wie Henriette Neubert vom Geldratgeber Finanztip erklärt: "Wenn mir jemand vorwirft, ich hätte ihn geschädigt, dann kann ich das meiner Privathaftpflichtversicherung melden und die schaut, ob das berechtigt ist." Wenn nicht, wehre die Versicherung die Forderung ab. Wenn doch, bezahle sie den Schaden.

Sonderkündigungsrecht bei Heirat

Leider gibt es aber auch Ausnahmen, für die der Versicherer den Schaden nicht übernimmt. Dazu zählen Verletzungen am eigenen Körper oder Schäden an Geräten, die selbst verursacht wurden. Das gleiche gilt bei Mitversicherten. Wenn man also beim Skifahren gegen den Partner oder die Partnerin prallt, er oder sie stürzt und sich das Kreuzband reißt, gibt es über die Haftpflicht kein Schmerzensgeld. Was mittlerweile aber bei einigen Versicherungen gezahlt wird, sind die Behandlungskosten für die ärztliche Versorgung.

Wer verheiratet ist oder in einer Partnerschaft lebt, für den reicht eine Haftpflichtversicherung pro Haushalt. Paare, die nicht verheiratet sind, sollten darauf achten, dass die mitversicherte Person namentlich im Vertrag genannt ist. Wenn vorher beide eine einzelne Haftpflicht hatten, kann man den neueren Vertrag fristlos kündigen und den alten auf einen Familien-Tarif umstellen. Dafür gibt es ein Sonderkündigungsrecht. In der Regel ist es aber so, dass der neuere Tarif oft der bessere ist. Für Verbraucherinnen und Verbraucher kann es sich also stattdessen lohnen, lieber etwas Neues zu suchen und den alten Vertrag fristgerecht zu kündigen.

Die Haftpflichtversicherung zahlt derweil auch nicht bei vorsätzlich verursachten Schäden, Schäden aus Straftaten, kriegerischen Handlungen, Geldstrafen oder Schäden durch die Verletzung vertraglicher Pflichten sowie Schäden, die die Kfz-Haftpflichtversicherung abdeckt oder die durch Hunde oder Pferde verursacht werden.

Die Konditionen eines guten Tarifs

Singles können aktuell schon ab 30 oder 35 Euro im Jahr eine gute Haftpflichtversicherung bekommen. Familien zahlen für eine gemeinsame Versicherung etwas mehr - auch da gibt es aber gute Angebote ab 45 Euro. Der Preis ist unter anderem an die Versicherungssumme gekoppelt, die im Vertrag festgelegt ist. Die Versicherungssumme ist der Betrag, den die Versicherung maximal für einen Schaden zahlt.

Finanztest empfiehlt eine Deckungssumme von mindestens zehn Millionen Euro pauschal für Personen- und Sachschäden. Finanztip rät insgesamt sogar zu mindestens 50 Millionen Euro und gleichzeitig darauf zu achten, dass je geschädigter Person mindestens zehn Millionen Euro zur Verfügung stehen. Auch andere Experten empfehlen generell mindestens zehn Millionen, oft kosten die Tarife mit Versicherungssummen von 50 oder 100 Millionen aber nicht viel mehr. Mittlerweile gibt es sogar Versicherer, die eine unbegrenzte Versicherungssumme anbieten.

Daneben unterscheiden sich Haftpflichtversicherungen noch in ein paar weiteren Konditionen. Genauso wichtig wie eine hohe Deckungssumme ist die sogenannte Forderungsausfalldeckung: Dann springt die Haftpflicht auch ein, wenn einem jemand Schaden zufügt, es aber nicht zahlen kann. Das kann vorkommen, wenn die Person keine Versicherung und selbst nicht genug Geld hat. Es ist also quasi ein Schutz vor Menschen ohne eine Haftpflichtversicherung. Und das sind tatsächlich einige Millionen in Deutschland - zum Beispiel, weil sie dachten, dass sie noch über die Eltern versichert sind.

Weltweiter Schutz, Schlüsselverlust und Mitversicherung von Kindern

Was ebenfalls in einen guten Tarif gehört, sind ein weltweiter Schutz und der Verlust von fremden beruflich oder privat überlassenen Schlüsseln. Ist letzteres drin, übernimmt der Versicherung die Kosten für den Austausch von Schließanlagen. Das ist vor allem relevant, wenn man in einem Gebäudekomplex mit Schließanlage wohnt oder arbeitet. Besonders Mieterinnen und Mieter sollten außerdem schauen, dass neben Mietsachschäden beim festen Inventar auch sogenannte Allmählichkeitsschäden in Wohnungen abgesichert sind. Dabei geht es um Schäden, die über die Zeit unbemerkt durch Feuchtigkeit, Ruß, Rauch oder Staub entstehen.

Außerdem sollten Kinder mitversichert werden. Kinder unter sieben Jahren - im Straßenverkehr sogar unter zehn Jahren - sind nämlich nicht deliktfähig. Das heißt: Sie können nicht haftbar gemacht werden. Und die Eltern auch nicht, wenn sie ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt haben. Wenn das Kind bei Freunden mit dem Fußball die Scheibe kaputt schießt oder den 5.000 Euro-Fernseher herunterwirft, könnten sie auf den Kosten sitzen bleiben, weil theoretisch niemand dafür zahlen muss.

Genauso ist es bei Menschen mit Behinderung oder Demenz. Kinder ab sieben Jahren sind dagegen bis zum Ende ihrer ersten Berufsausbildung automatisch in einem Familienvertrag mitversichert. Auch Auszubildende und Studierende sind daher meist über die Privathaftpflicht der Eltern mitversichert - selbst wenn sie nicht mehr bei ihnen wohnen.

Wechsel der Haftpflicht kann sich lohnen

Ein weiterer Baustein sind Garantien. So gibt es zum Beispiel die Best-Leistung-Garantie, die in manchen Verträgen auch "erweiterte Vorsorge" genannt wird. Das bedeutet: Wenn man eine Versicherung findet, die für einen bestimmten Schadensfall zahlt, muss die eigene das auch tun - wenn sie sich in der gleichen Leistungsklasse befindet. Die Best-Leistungs-Garantie soll die Lücken schließen, die in den letzten Jahren in Sachen Leistungen entstanden sind. Gerade bei der Privathaftpflicht hat sich wegen der enormen Konkurrenz von zahlreichen Anbietern viel getan. Sie decken immer mehr ab - auch weil der Preis schon so niedrig ist, dass an der Stelle gar nicht mehr viel zu machen ist.

Durch den Garantie-Baustein spart man auch Zeit, weil man Tarife nicht unbedingt mehr vergleichen und nicht immer neue Verträge mit besseren Leistungen abschließen muss. Alternativ zur Best-Leistung-Garantie gibt es auch noch die Innovationsgarantie. Damit profitiert der Versicherte automatisch von zukünftigen Leistungsverbesserungen der jeweiligen Haftpflichtkasse im gleichen Tarif. Die Marktgarantie gewährleistet dagegen, dass immer mindestens die Leistungen enthalten sind, die der GDV in seinen Musterbedingungen für Haftpflicht aufführt.

Mit Blick auf die Konditionen kann sich ein Wechsel von Haftpflichtversicherungen also lohnen. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten regelmäßig - alle zwei bis drei Jahre - schauen, ob die Leistungen im Tarif noch so gut sind wie bei aktuellen Angeboten. Wenn nicht, kann der Vertrag mit einer Frist von meist drei Monaten zum Ende der Laufzeit gekündigt werden. Außer der Reihe kann man kündigen, wenn die Beiträge ohne mehr Leistungen erhöht werden, oder nach einem Schadensfall.

Nicht zu viele kleine Schadensfälle melden

Grundsätzlich sind alle Angebote recht ähnlich. Auch bei der schlechtesten Haftpflichtversicherung ist der Schutzumfang immer noch groß genug, um die häufigsten Fälle abzusichern. Das Wichtigste ist aus Sicht vieler Experten, überhaupt eine zu haben - zumal sie nicht viel kostet. Falls Verbraucher die Beiträge trotzdem senken wollen, könnt sie eine Selbstbeteiligung vereinbaren. Empfohlen wird hier häufig eine Grenze von 150 Euro, bis zu den Schäden selbst gezahlt werden. Kunkel findet eine Selbstbeteiligung aus einem psychologischen Grund noch viel wichtiger - dass man nämlich nicht jeden kleinen Schaden meldet.

"Auch der Versicherer hat nach jedem Schaden die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen", so der Experte. Wenn jemand zwei bis drei Kleinstschäden in einem Jahr melde, könne eine Kündigung im Briefkasten landen. Und: "Jeder, der schon einmal selbst eine private Haftpflichtversicherung oder andere Sachversicherung abgeschlossen hat, wird sich vielleicht daran erinnern, dass einem immer die Frage gestellt wird nach Vorschäden." Mit vielen Vorschäden könne es schwierig werden, überhaupt eine neue Versicherung abschließen zu können.

In der Regel kündigt der Versicherer nicht nach einem Vorfall - egal wie hoch dieser ist. Wenn sich die Schäden aber häufen, hat das auch etwas mit Sorgfalt und dem Verhalten des Kunden zu tun. Dann kann es vorkommen, dass man aus der Versicherung fliegt, weil sich für den Versicherer das Risiko nicht mehr lohnt. Ob man jetzt eine Selbstbeteiligung in den Vertrag vereinbart oder sie einfach gedanklich setzt, ist am Ende jedem selbst überlassen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Magazin "Markt" im NDR Fernsehen am 21. Februar 2022 um 20:15 Uhr.