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Hohe Kosten, niedrige Renditen Die Riester-Rente - ein Auslaufmodell?

Stand: 17.05.2024 05:38 Uhr

Seit rund 20 Jahren gibt es die Riester-Rente. Mit ihr sollen Sparer die gesetzliche Rente ergänzen. Viele Experten halten "Riestern" für wenig rentabel und zu teuer. Darauf deuten auch Rentenstatistiken hin.

Von Andreas Braun, ARD-Finanzredaktion

Wenig Rente nach einer langen Phase des Ansparens: Die Riester-Rente leistet Experten zufolge keine ausreichende private Zusatzvorsorge fürs Alter. Sie bemängeln, dass hohe Gebühren einen Gutteil des Kapitals schon vor Rentenantritt aufzehren.

Andreas Braun, HR, über Chancen und Probleme der Riester-Rente

Update Wirtschaft, 17.05.2024 09:00 Uhr

Im Schnitt 132 Euro pro Monat

Die Auszahlungsstatistik für Riester-Renten, die das Bundesfinanzministerium im April veröffentlicht hat, gibt Kritikern der Riester-Rente weiteren Auftrieb. Die gezahlten Riester-Renten, die bereits 2022 an rund eine Million Riester-Sparer gezahlt wurden, liegen bei durchschnittlich 1581 Euro - pro Jahr. Das ergibt eine monatliche Zusatzrente von 132 Euro. Dieser Betrag unterliegt allerdings noch der Einkommenssteuer.

Die Riester-Rente ist benannt nach dem damaligen Bundesarbeitsminister Walter Riester. Sie wurde im Jahr 2002 eingeführt, um dem sinkenden Niveau der gesetzlichen Rente eine zweite Säule an die Seite zu stellen: eine staatlich geförderte private Altersvorsorge.

Grund- und Kinderzulage plus Steuervorteile

Bis zu vier Prozent ihres Bruttoeinkommens können die Riester-Sparer in einen Vertrag einzahlen, maximal 2.100 Euro pro Jahr. Von den Eigenbeiträgen abgezogen wird die staatliche Förderung. Sie beträgt jährlich 175 Euro Grundzulage für jeden Vertragnehmer, dazu kommen 300 Euro pro Jahr für jedes ab 2008 geborene Kind als Kinderzulage. Für vor 2008 geborene Kinder beträgt die Zulage 185 Euro. Die geleisteten Beiträge können in der Ansparphase steuerlich als Sonderausgaben geltend gemacht werden.

Als Riester-Verträge genutzt werden verschiedene Sparformen, bei denen aber immer der Erhalt der eingezahlten Beiträge zum Rentenantritt garantiert wird. Die Bundesbürger haben ihre Riester-Raten in Banksparpläne eingezahlt, in Fondssparpläne und das sogenannten Wohn-Riester, vor allem aber in Versicherungsverträge.

Hohe Gebühren mindern Rendite

Vor allem hier schlagen aber hohe Gebühren für die Vorsorge-Sparer zu Buche, wie Britta Langenberg, Altersvorsorge-Expertin der Bürgerbewegung "Finanzwende" bemängelt: "Die Kosten sind ein Kernproblem für viele Riesterkunden, weil die Verträge oft zu teuer sind. Wir haben uns bereits längerem einmal Rentenversicherungen und Riester-Fondssparpläne angeguckt. Bei den Riester-Rentenversicherungen war es so, dass im Schnitt fast jeder vierte eingezahlte Euro in die Kosten geflossen ist. "

In der Spitze hätten die Kosten sogar bei 38 Prozent gelegen. "Also von 100 Euro sind dann 38 Euro in die Kosten geflossen und nur 62 Euro in die Altersvorsorge."

Die Rendite der Produkte wird damit auf lange Sicht deutlich geschmälert, ein Gutteil der Zulagen wird vor allem bei Versicherungsverträgen durch die Gebühren aufgezehrt. Gerade alte Versicherungsverträge können immerhin noch mit hohen Garantieverzinsungen punkten. Während der Niedrigzinsphase am Kapitalmarkt in den vergangenen Jahrzehnten wurde diese Garantieverzinsung allerdings immer weiter abgesenkt - auf zuletzt 0,25 Prozent. Gerade ein Riester-Vertrag in Form einer Versicherung lohnt sich damit bei Neuabschluss immer weniger.

Jeder Vertrag sollte individuell geprüft werden

Ob sich damit Riestern überhaupt noch rechnet, sollte jeder Vorsorgesparer und jede Sparerin erst nach einer gründlichen Prüfung entscheiden, meint Katharina Lawrence von der Verbraucherzentrale Frankfurt: "Man sollte nicht nur auf die Zulagen und die Steuervorteile schauen, sondern sich wirklich den Vertrag ansehen. Da kommt es darauf an, zu schauen, was habe ich für Kosten, wie rechnet sich das und ist das ein Produkt, das auch meinem Sicherheitsempfinden entgegenkommt."

Für viele Riester-Sparer scheint die Rechnung inzwischen nicht mehr aufzugehen. Nach Schätzungen wird rund jeder fünfte Riester-Vertrag nicht mehr bedient. Die Gesamtzahl der bestehenden Verträge ist bereits seit 2018 rückläufig. Und auch die Anbieter ziehen sich mehr und mehr aus dem Riester-Geschäft zurück. Banksparpläne sind als Riester-Variante gar nicht mehr verfügbar, und auch Versicherer und Fondsgesellschaften haben ihre Angebote zurückgefahren; auch für sie ist Riester oft kein lohnendes Geschäft mehr.

Lieber beitragsfrei stellen als kündigen

Wer seinen Riester-Vertrag nicht mehr bedienen möchte, hat mehrere Möglichkeiten. Man kann ihn beitragsfrei stellen - also stilllegen - oder den Vertrag kündigen, oder aber Geld dem Riester-Konto entnehmen. Von einer Kündigung rät die Verbraucherzentrale ab: "Die erste Variante ist, wenn man sieht, der Vertrag läuft nicht so gut, er bringt nicht das, was ich mir an Erträgen gehofft habe, ihn beitragsfrei zu stellen. Die Kündigung ist wirklich das Letzte, was man überlegen sollte. Kündigen bedeutet nicht nur, dass die Zulagen zurückgezahlt werden müssen, sondern auch die erhaltenen Steuervorteile", so Lawrence.

Beitragsfrei stellen kann man einen Riester-Vertrag über ein formloses Schreiben an den Anbieter. Die Zahlungen können später auch wieder aufgenommen werden. Das Kapital aller Riester-Varianten, ob Versicherung oder Fondssparplan, kann aber auch ganz oder zum Teil für Wohnzwecke entnommen werden. Damit kann etwa ein Immobilienkauf finanziert werden, aber auch die energetische Sanierung oder der altersgerechten Umbau des Eigenheims. Der Antrag wird direkt über die Deutsche Rentenversicherung gestellt.

Nächste Reform steht an

Um "Riestern" bei den Deutschen wieder populärer zu machen, hat sich die Bundesregierung noch für das laufende Jahr eine erneute Reform der Riester-Rente vorgenommen. Eine eigens eingesetzte Arbeitsgruppe hat Vorschläge erarbeitet. Sie sehen etwa vor, die Zulagenberechnung zu vereinfachen oder die Auszahlungen in der Rentenphase flexibler zu gestalten.

Einen großen Wurf erwarten Expertinnen wie Britta Langenberg von Finanzwende dabei aber nicht. Sie plädieren für ein staatlich gelenktes Altersvorsorge-Produkt: "Wir glauben nicht, dass die Riester-Rente reformierbar ist. Es hat ja schon während der vergangenen 20 Jahre die unterschiedlichsten Reformversuche gegeben. Das hat zu nichts geführt. Wir glauben deshalb, dass es einen grundlegenden Systemwechsel braucht, und zwar hin zu einem einfachen, einem kostengünstigen und einem staatlich organisierten Produkt."

Werden die Vorschläge der Regierung zur Reform der Riester-Rente umgesetzt, können Riester-Sparerinnen und -sparer dann erneut überlegen, ob ihr Vertrag sich noch lohnt. Oder ob ein Neuabschluss für sie sinnvoll ist.

Andreas Braun, HR, tagesschau, 16.05.2024 18:10 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste in der Sendung "Plusminus" am 06. September 2023 um 21:45 Uhr.