Nach der OPEC+-Entscheidung Spritpreise sinken wohl nur vorübergehend
Der jüngste Versuch der OPEC+, die Ölpreise zu stützen, hatte wenig Erfolg. Das könnte sich auch an den Tankstellen bemerkbar machen. Allerdings spricht viel für bald wieder steigende Spritpreise.
An den Absichten der OPEC+ kann es keinen Zweifel geben. Das Ölkartell hat den Zweck, Öl möglichst teuer zu machen - wenn auch nicht zu teuer, um die Nachfrage nicht abzuwürgen. Der jüngste Beschluss der 20 Ölstaaten, ihr Angebot weiterhin knapp zu halten, hat aber vorerst nicht den von ihnen erhofften Effekt. Am Tag nach der Entscheidung geben die Ölpreise weiter nach, wie schon seit Anfang April. Der nun seit zwei Monaten andauernde Preisrückgang schlägt sich auch an den Zapfsäulen nieder. Mitte April mussten Autofahrer rund 1,87 Euro für den Liter E10 zahlen, Ende Mai waren es 1,80 Euro.
Am Nachmittag fiel der Preis für Nordseeöl der Referenzsorte Brent zur Lieferung im Juli sogar erstmals seit Februar wieder unter die Marke von 80 Dollar. Ein Grund für den heutigen weiteren Ölpreisrückgang ist, dass das erweiterte Kartell einige seiner Produktionskürzungen perspektivisch auslaufen lässt. Denn die größten Mitglieder Saudi-Arabien und Russland wollen einen Teil ihrer zusätzlichen freiwilligen Beschränkungen ab Oktober schrittweise zurückfahren. Abgesehen davon scheren immer wieder einzelne Mitglieder aus der "Quotendisziplin" des Verbundes aus und unterlaufen die getroffenen Absprachen, um ihre Öleinnahmen zu steigern.
OPEC+ verliert an Bedeutung
Ohnehin kämpft die OPEC seit Jahren gegen einen Bedeutungsverlust an. Die seit 2017 mit anderen Förderländern unter der Führung Russlands laufende Kooperation, OPEC+ genannt, konnte diesen nicht wesentlich aufhalten. Von den 102 Millionen Barrel (159 Liter) Öl, die im ersten Quartal dieses Jahres täglich weltweit produziert wurden, kamen nur rund 40 Prozent von der OPEC+.
Das liegt nicht zuletzt an dem starken Anstieg der Ölförderung in den Vereinigten Staaten. Dank Fracking sind die USA mit einer täglichen Förderung von über 13 Millionen Barrel mittlerweile der mit Abstand größte Ölproduzent.
Sorgen vor Eskalation in Nahost geschwunden
Für den jüngsten Rückgang der Notierungen sind aber vor allem andere Effekte verantwortlich. Zum einen sind die Sorgen vor einer weiteren Eskalation des Nahostkonflikts und einer weiteren Verknappung zuletzt geschwunden.
Wichtiger noch sind die aktuellen Aussichten auf der Nachfrageseite. Wie die Internationale Energieagentur (IEA) Mitte Mai berichtete, fiel die weltweite Nachfrage nach Erdöl schwächer aus als bislang gedacht. Die schwache Industriekonjunktur und ein milder Winter hätten den Ölverbrauch insbesondere in Europa gedämpft, wo auch der sinkende Anteil von Dieselfahrzeugen den Verbrauch verringere. Daher senkte die IEA ihre Nachfrageprognose für dieses Jahr auf 102,7 Millionen Barrel pro Tag. Das stellt allerdings immer noch einen Rekordwert dar.
Bald wieder anziehende Notierungen zu befürchten
Was bedeutet das alles für die weitere Entwicklung der Spritpreise? Abgesehen von den weiter bestehenden geopolitischen Risiken - so stören die Huthi-Rebellen im Jemen weiter die Schiffspassage durch das Rote Meer - spielt hier wieder die Nachfrage eine entscheidende Rolle.
Trotz der jüngsten Wachstumsdelle rechnen Experten weiter mit einer Erholung der Weltwirtschaft und einer langfristig hohen Ölnachfrage. Die IEA erwartet auch für das kommende Jahr eine Rekordnachfrage von dann 103,9 Millionen Barrel pro Tag. Hinzu kommen gerade ab Mitte Juni zunehmend saisonale Effekte zum Tragen. Ein erhöhtes Verkehrsaufkommen und die Vorsorge für den Winter auf der Nordhalbkugel stützen die Ölpreise in der Regel bis Mitte Oktober.
Wenn sich die Lage an den Zapfsäulen also kurzfristig weiter entspannen dürfte, spricht viel für bald wieder anziehende Notierungen.